Ablehnung des Impfwunschs einer 15-Jährigen kann Sorgerechtsmissbrauch darstellen
OLG Zweibrücken v. 28.7.2022 - 2 UF 37/22
Der Sachverhalt:
Die Kindesmutter übt die elterliche Sorge für ihre 15-jährige Tochter allein aus. Das Mädchen lebt auf eigenen Wunsch seit Februar 2020 nicht mehr bei der Mutter und verweigert die Rückkehr in den mütterlichen Haushalt. Nachdem die Jugendliche seit längerer Zeit den Wunsch geäußert hat, gegen Corona geimpft zu werden und die Kindesmutter diese Impfung strikt ablehnt, hat das Jugendamt im November 2021 ein Verfahren vor dem AG - Familiengericht - eingeleitet. Das Familiengericht hat daraufhin der Kindesmutter die elterliche Sorge in dem Teilbereich des Rechts zur Entscheidung über eine Covid-19 Impfung entzogen und die Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Im Falle einer Kindeswohlgefährdung hat das Familiengericht die zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das alleinsorgeberechtigte Elternteil hierzu nicht gewillt oder in der Lage ist. Nach dem persönlichen Eindruck des Senates bestehen weder Zweifel an der Eignung der Minderjährigen, die Tragweite der Impfentscheidung zu erfassen, noch an der Ernsthaftigkeit auch künftig jeglichen Kontakt zur Mutter abzulehnen.
Solange das Kind aber jeglichen Kontakt zur Mutter ablehnt und sich die Mutter ihrerseits dem Impfwunsch des Kindes von vornherein verschließt, ist eine Risikoabwägung und letztlich eine Entscheidung über die Frage, ob eine Schutzimpfung wahrgenommen wird, nicht in konstruktiver und kindeswohldienlicher Weise möglich. Die im Rahmen der persönlichen Anhörung der Kindesmutter - im Beisein der Minderjährigen - abermals geäußerte strikte Ablehnung der Impfung hat der Senat weiterhin als einen dem Kindeswohl zuwiderlaufenden, nachhaltig ausgeübten Sorgerechtsmissbrauch gewertet, der den angeordneten Teilentzug der elterlichen Sorge gebietet. Die Covid-19 Impfung ist für die Minderjährige von erheblicher Bedeutung. Dieser nachdrückliche Impfwunsch ist aufgrund des Alters des Kindes als Akt der Selbstbestimmung in besonderem Maße beachtlich. Darauf, dass bei der Minderjährigen keine besonderen Impfrisiken vorgelegen und die Schutzimpfungen nunmehr gemäß der Empfehlung der STIKO erfolgt sind, kommt es nicht an.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Die COVID-19-Schutzimpfung Minderjähriger - Mehr Freiheit als gedacht?
Erik Schlereth, FamRZ 2022, 668
Nachzulesen auch im Aktionsmodul Familienrecht:
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Staatskanzlei Rheinland-Pfalz PM vom 12.12.2022
Die Kindesmutter übt die elterliche Sorge für ihre 15-jährige Tochter allein aus. Das Mädchen lebt auf eigenen Wunsch seit Februar 2020 nicht mehr bei der Mutter und verweigert die Rückkehr in den mütterlichen Haushalt. Nachdem die Jugendliche seit längerer Zeit den Wunsch geäußert hat, gegen Corona geimpft zu werden und die Kindesmutter diese Impfung strikt ablehnt, hat das Jugendamt im November 2021 ein Verfahren vor dem AG - Familiengericht - eingeleitet. Das Familiengericht hat daraufhin der Kindesmutter die elterliche Sorge in dem Teilbereich des Rechts zur Entscheidung über eine Covid-19 Impfung entzogen und die Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Im Falle einer Kindeswohlgefährdung hat das Familiengericht die zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das alleinsorgeberechtigte Elternteil hierzu nicht gewillt oder in der Lage ist. Nach dem persönlichen Eindruck des Senates bestehen weder Zweifel an der Eignung der Minderjährigen, die Tragweite der Impfentscheidung zu erfassen, noch an der Ernsthaftigkeit auch künftig jeglichen Kontakt zur Mutter abzulehnen.
Solange das Kind aber jeglichen Kontakt zur Mutter ablehnt und sich die Mutter ihrerseits dem Impfwunsch des Kindes von vornherein verschließt, ist eine Risikoabwägung und letztlich eine Entscheidung über die Frage, ob eine Schutzimpfung wahrgenommen wird, nicht in konstruktiver und kindeswohldienlicher Weise möglich. Die im Rahmen der persönlichen Anhörung der Kindesmutter - im Beisein der Minderjährigen - abermals geäußerte strikte Ablehnung der Impfung hat der Senat weiterhin als einen dem Kindeswohl zuwiderlaufenden, nachhaltig ausgeübten Sorgerechtsmissbrauch gewertet, der den angeordneten Teilentzug der elterlichen Sorge gebietet. Die Covid-19 Impfung ist für die Minderjährige von erheblicher Bedeutung. Dieser nachdrückliche Impfwunsch ist aufgrund des Alters des Kindes als Akt der Selbstbestimmung in besonderem Maße beachtlich. Darauf, dass bei der Minderjährigen keine besonderen Impfrisiken vorgelegen und die Schutzimpfungen nunmehr gemäß der Empfehlung der STIKO erfolgt sind, kommt es nicht an.
Aufsatz:
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Erik Schlereth, FamRZ 2022, 668
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