14.07.2020

Anfechtung des Grundstücks-Kaufvertrags: Beweislast für unterbliebene Aufklärung bzgl. baurechtswidrigem Zustand

Die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtiger Umstände trifft.

BGH v. 6.3.2020 - V ZR 2/19
Der Sachverhalt:
Die Kläger kauften 2013 von den Beklagten ein Grundstück, das u.a. mit einem Wochenendhaus und einer Motorradgarage bebaut ist. Die Motorradgarage ist mit dem Wochenendhaus verbunden und wurde als Wohnraum genutzt, obwohl die erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht vorlag, was den Beklagten bekannt war. Der Vertrag enthält u.a. die Erklärung, dass die Beklagten keine Kenntnis von "unsichtbaren Mängeln" haben.

Nachdem die Bauaufsichtsbehörde den Klägern mitgeteilt hatte, dass aufgrund des baurechtswidrigen Zustands des Gebäudes ein teilweiser Rückbau stattfinden müsse, erklärten die Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangten erfolglos die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks. Die Beklagten bestritten nicht, dass ihnen der baurechtswidrige Zustand des Gebäudes bekannt war. Streitig war jedoch, ob sie die Kläger auch über diesen Umstand aufgeklärt haben.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Dem OLG ist ein Rechtsfehler insoweit unterlaufen, als es den Beklagten die Beweislast für die von ihnen behauptete Aufklärung über die baurechtswidrige Wohnnutzung zugewiesen hat.

Im Ausgangspunkt sieht das OLG noch zutreffend, dass derjenige, der einen Vertrag wegen arglistiger Täuschung anficht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Umstände, die den Arglisttatbestand ausfüllen, trifft, wozu bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die fehlende Offenbarung gehört. Bei der behaupteten unterbliebenen Offenbarung handelt es sich jedoch um eine negative Tatsache; dem Käufer kommen daher Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute. Er muss, um seiner Darlegungs- und Beweislast zu genügen, nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausräumen; es reicht vielmehr aus, die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise substantiiert darzulegende Aufklärung ausräumen, d.h. zu widerlegen. Gelingt dies, ist der Beweis der negativen Tatsache erbracht.

Das OLG hat diese Beweislastregel jedoch fehlerhaft angewandt. Entgegen seiner Auffassung ist es aufgrund des Inhalts des notariellen Kaufvertrages nicht gerechtfertigt, von dem geschilderten Grundsatz abzuweichen und den Beklagten die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass sie die Kläger über den bauordnungswidrigen Zustand des Kaufobjekts aufgeklärt haben. Dies gilt auch hinsichtlich der Erklärung der Beklagten zu unsichtbaren Mängeln. Die in einem Grundstückskaufvertrag enthaltene Erklärung des Verkäufers, ihm seien keine unsichtbaren Mängel bekannt, rechtfertigt keine Abweichung von dem Grundsatz, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtiger Umstände trifft. Einer solchen Erklärung kommt kein Beweiswert in Bezug auf eine von dem Verkäufer behauptete Aufklärung zu. Hat diese Aufklärung stattgefunden, liegt es nämlich nahe, dass der Verkäufer nicht länger von einem "unsichtbaren" Mangel ausgegangen ist.

Der Rechtsfehler des OLG ist entscheidungserheblich. Es beschränkt seine Aussage, an der Beweiswürdigung des LG bestünden keine Zweifel, ausdrücklich darauf, dass den Beklagten nicht der Beweis für ihre Behauptung gelungen sei, die Kläger im Rahmen der vorvertraglichen Verhandlungen wahrheitsgemäß über den baurechtlichen Zustand des Kaufobjekts aufgeklärt zu haben. Ob es - wie vom LG angenommen - den Klägern gelungen ist, die von den Beklagten behauptete Aufklärung zu widerlegen, hat das OLG hingegen nicht geprüft.

Der angefochtene Beschluss kann hiernach keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Die bei den Klägern liegende Beweislast für die unterbliebene Offenbarung kehrt sich auch dann nicht um, wenn die Aufklärung dazu gedient haben soll, einen zuvor durch aktives Tun der Beklagten hervorgerufenen Irrtum zu beseitigen. Das OLG wird daher zunächst zu prüfen haben, ob es den Klägern auf der Grundlage der bisherigen Beweiserhebung nach seiner Überzeugung gelungen ist, die von den Beklagten behauptete Aufklärung auszuräumen. Wenn sich das OLG von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, ist es an die erstinstanzliche Beweiswürdigung nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet.
BGH online
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