03.08.2017

Angebot eines Rechtsanwalts auf kostenlose Erstberatung nach einem Verkehrsunfall ist zulässig

Ein Rechtsanwalt darf kostenlose Erstberatungen für Personen, die einen Verkehrsunfall erlitten haben, anbieten. Ein solches Angebot verstößt nicht gegen Grundsätze des Gebührenrechts.

BGH 3.7.2017, AnwZ (Brfg) 42/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist im Bezirk der beklagten Rechtsanwaltskammer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er ist Partner einer Sozietät.
 
Im Juni 2014 schaltete die Sozietät in einer Zeitung eine Anzeige, in der sie kostenlose Erstberatung nach einem Verkehrsunfall offerierte. Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 28.5.2015 eine belehrende Ermahnung wegen Verletzung der Grundsätze anwaltlichen Gebührenrechts. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.

Der Kläger beantragte, die belehrende Ermahnung in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Die Klage hatte sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof als auch vor dem BGH Erfolg.

Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nicht gegen anwaltliche Pflichten oder Grundsätze des Gebührenrechts verstoßen, indem er eine kostenlose Erstberatung für Personen, die einen Verkehrsunfall erlitten haben, angeboten hat. Die Voraussetzungen des § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO sind nicht erfüllt.

Nach der Vorschrift des § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren zu vereinbaren, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz es vorschreibt. Die Ausnahmeregelung des § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO, nach welcher der Rechtsanwalt die Gebühren nach Erledigung des Auftrags unter bestimmten Voraussetzungen erlassen oder ermäßigen darf, ist nicht gegeben, da die kostenlose Erstberatung vorab stattfinden soll und nicht in Abhängigkeit zu einer Bedürftigkeit des Auftraggebers steht.

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmt aber keine Erstberatungsgebühr. Die Vergütung einer Beratung in außergerichtlichen Dingen ist in § 34 Abs. 1 RVG vorgeschrieben. Der Anwalt soll danach auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken, soweit im Vergütungsverzeichnis keine Gebühren vorgeschrieben sind. Gibt es keine Vereinbarung erhält der Anwalt die Gebühren nach § 612 Abs. 2 BGB.

Da das RVG keine Gebühr für eine Erstberatung bestimmt, gibt es auch keine Mindestgebühr, die gem. § 49b Abs. 1 S. 1 RVG unterschritten werden könnte. Dies gilt auch, wenn keine Vereinbarung über eine übliche Vergütung nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG, § 621 Abs. 2 BGB getroffen wurde. Nach Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und der überwiegenden Literatur wird eine kostenlose Erstberatung daher als zulässig erachtet.

Die Vorschrift des § 34 Abs. 1 S. 1 RVG wird auch nicht durch die in § 4 Abs. 1 RVG enthaltene Regelung dahingehend erweitert, dass die vereinbarte Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko der Anwaltsleistung stehen muss. § 4 Abs. 1 S. 2 RVG ist nicht auf die Vorschrift anwendbar. Dies folgt aus dem Wortlaut und ihrer systematischen Einordnung.

Linkhinweis:
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