04.06.2024

Augenverletzung durch Preisschild bei Kleideranprobe: Kein Schmerzensgeld

Das LG München I hat die Klage einer Kundin gegen einen Outlet-Betreiber auf Schmerzensgeld wegen einer bei der Kleideranprobe durch ein Preisschild verursachten Augenverletzung abgewiesen. Wenn sich im Zuge einer Kleideranprobe ein Kunde durch ein übliches Preisschild am Auge verletze, hafte der Betreiber dafür nicht.

LG München I v. 28.5.2024 - 29 O 13848/23
Der Sachverhalt:
Im April 2023 probierte die klagende Kundin im Outlet Store der Beklagten ein T-Shirt. Dabei verletzte sie sich durch ein an diesem T-Shirt angebrachtes Preisschild am rechten Auge. Die Kundin hat gegen den Betreiber des Outlet Stores deswegen Klage erhoben und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 € gefordert. Der Betreiber des Outlet Stores habe die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt, da das Preisschild in seiner Ausgestaltung aufgrund fehlender Sicherung und Erkennbarkeit gefährlich gewesen sei. Das Preisschild habe ihr bei der Anprobe ins Auge geschlagen. Sie habe dadurch eine erhebliche Verletzung am rechten Auge erlitten. Es sei erforderlich gewesen, an dem verletzten Auge eine Hornhauttransplantation durchzuführen. Bis heute leide sie unter Schmerzen und sei weiterhin in ihrer Sicht eingeschränkt sowie besonders blendeempfindlich.

Der Betreiber des Outlet Stores hat eingewandt, bei dem verwendeten Preisschild handle es sich um ein übliches Standardpreisschild in der Größe von ca. 9 cm x 5 cm mit abgerundeten Ecken und einer flexiblen Rebschnur. Die Preisschilder seien durch ihre Größe und das Gewicht des Bündels deutlich fühlbar gewesen. Vergleichbare Fälle von aufgetretenen Verletzungen seien ihm nicht bekannt. Zudem sei es gesetzlich vorgeschrieben, entsprechende Preisschilder an den Waren anzubringen.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehe der Kundin ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Betreiber des Outlet Stores zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Sichernde Maßnahmen sind nur in dem Maße geboten, in dem sie ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei muss der Geschäftsbetreiber nicht für alle denkbar entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es kommt vielmehr auch entscheidend darauf an, welche Möglichkeiten der Geschädigte hat, sich vor erkennbaren Gefahrquellen selbst zu schützen.

Hier hat der Betreiber des Outlet Stores den an ihn gerichteten Verkehrssicherungspflichten Genüge getan. Für die Kundin ist das Vorhandensein eines Preisschildes erwartbar und das Treffen eigener Sicherheitsvorkehrungen war zumutbar. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wirft ein Kunde bereits vor der Anprobe einen Blick auf das Preisschild und kann daher ohne weiteres selbst dafür Sorge tragen, dass er sich bei der Anprobe nicht verletzt. Die Forderung der Kundin, gesondert auf das Vorhandensein von Preisschildern an der Kleidung hinzuweisen, ist lebensfremd und nicht zumutbar.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
VersR REPORT: Ausgewählte Rechtsprechung zum Haftungs- und Schadensrecht
Oliver Brand / Lothar Jaeger, VersR 2023, S21

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LG München I PM Nr. 5 vom 28.5.2024
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