Auskunftsanspruch gegen Eltern: Vorschusspflicht oder nicht?
OLG Hamm v. 19.8.2024 - 4 WF 138/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte als minderjährige Tochter des Antragsgegners im Wege des Stufenantrages zunächst Auskunft über dessen Einkommen begehrt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wandte sie sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für diesen Stufenantrag. Im Antrag vom 2.4.2024 hat die Antragstellerin hierzu mitgeteilt, die Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachzureichen.
Das AG hat - ohne der Antragstellerin für die Einreichung der Unterlagen eine Frist zu setzen - das Verfahrenskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verwiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Zudem hat sie eine ausgefüllte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht.
Ohne vorherigen Hinweis darauf, dass zu einem etwaigen Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses noch näher vorzutragen sei, hat das AG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss sei vorrangig gegenüber staatlicher Unterstützung. Ein solcher Anspruch entfalle auch nicht automatisch deshalb, weil sich der Antragsgegner weigere, Unterhalt in der begehrten Höhe zu zahlen. Sonst käme eine Verweisung auf den Prozesskostenvorschuss niemals zum Tragen.
Das OLG hat den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das AG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Zwar ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass auch einem minderjährigen Kind gegenüber dem Elternteil in analoger Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zustehen kann. (BGH, Beschl. v. 3.8.2004 - XII ZA 6/04, FamRZ 2004, 1633). Die Verweisung auf einen solchen Anspruch im Rahmen der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Beteiligte den Anspruch alsbald realisieren kann.
Daran fehlt es zwar nicht schon deshalb, weil die Gegenseite zu einer freiwilligen Zahlung nicht bereit ist und der Anspruch deshalb gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Denn auch in einem solchen Fall kann es zumutbar sein, den Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses im Wege der einstweiligen Anordnung geltend zu machen. Dies wiederum ist dem Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten aber in der Regel nur zumutbar, wenn der Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses unzweifelhaft besteht. Auf einen unsicheren Prozess um den Vorschuss darf der Hilfsbedürftige demgegenüber nicht verwiesen werden (BAG, Beschl. v. 5.4.2006 - 3 AZB 61/04, FamRZ 2006, 1117).
Im vorliegenden Fall wäre ein Verfahren gerichtet auf Durchsetzung des Prozesskostenvorschusses mit Unsicherheiten belastet. Ob die Vorschusspflicht besteht, muss im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung entschieden werden. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die persönlichen Beziehungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl. 2023, § 115 Rn. 63). Der Antragsgegner hatte erklärt, er halte sich allenfalls zur Zahlung "von 100 % bis 105 % des Mindestkindesunterhaltes" für verpflichtet. Zwar hat die Antragstellerin gemutmaßt, dass hierbei nicht alle relevanten Einkünfte offengelegt worden waren; sicher beurteilen lässt sich dies aber erst nach erfolgter Auskunft und ggf. eidesstattlicher Versicherung, was die Antragstellerin aber mit dem vorliegenden Verfahren gerade erst durchsetzen will. Angesichts all dessen ist das Bestehen eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss nicht derart sicher, dass sich die Antragstellerin auf dessen Durchsetzung im Wege der einstweiligen Anordnung verweisen lassen müsste.
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Justiz NRW
Die Antragstellerin hatte als minderjährige Tochter des Antragsgegners im Wege des Stufenantrages zunächst Auskunft über dessen Einkommen begehrt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wandte sie sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für diesen Stufenantrag. Im Antrag vom 2.4.2024 hat die Antragstellerin hierzu mitgeteilt, die Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachzureichen.
Das AG hat - ohne der Antragstellerin für die Einreichung der Unterlagen eine Frist zu setzen - das Verfahrenskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die fehlende Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verwiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Zudem hat sie eine ausgefüllte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht.
Ohne vorherigen Hinweis darauf, dass zu einem etwaigen Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses noch näher vorzutragen sei, hat das AG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss sei vorrangig gegenüber staatlicher Unterstützung. Ein solcher Anspruch entfalle auch nicht automatisch deshalb, weil sich der Antragsgegner weigere, Unterhalt in der begehrten Höhe zu zahlen. Sonst käme eine Verweisung auf den Prozesskostenvorschuss niemals zum Tragen.
Das OLG hat den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das AG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Zwar ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass auch einem minderjährigen Kind gegenüber dem Elternteil in analoger Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zustehen kann. (BGH, Beschl. v. 3.8.2004 - XII ZA 6/04, FamRZ 2004, 1633). Die Verweisung auf einen solchen Anspruch im Rahmen der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Beteiligte den Anspruch alsbald realisieren kann.
Daran fehlt es zwar nicht schon deshalb, weil die Gegenseite zu einer freiwilligen Zahlung nicht bereit ist und der Anspruch deshalb gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Denn auch in einem solchen Fall kann es zumutbar sein, den Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses im Wege der einstweiligen Anordnung geltend zu machen. Dies wiederum ist dem Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten aber in der Regel nur zumutbar, wenn der Anspruch auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses unzweifelhaft besteht. Auf einen unsicheren Prozess um den Vorschuss darf der Hilfsbedürftige demgegenüber nicht verwiesen werden (BAG, Beschl. v. 5.4.2006 - 3 AZB 61/04, FamRZ 2006, 1117).
Im vorliegenden Fall wäre ein Verfahren gerichtet auf Durchsetzung des Prozesskostenvorschusses mit Unsicherheiten belastet. Ob die Vorschusspflicht besteht, muss im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung entschieden werden. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die persönlichen Beziehungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl. 2023, § 115 Rn. 63). Der Antragsgegner hatte erklärt, er halte sich allenfalls zur Zahlung "von 100 % bis 105 % des Mindestkindesunterhaltes" für verpflichtet. Zwar hat die Antragstellerin gemutmaßt, dass hierbei nicht alle relevanten Einkünfte offengelegt worden waren; sicher beurteilen lässt sich dies aber erst nach erfolgter Auskunft und ggf. eidesstattlicher Versicherung, was die Antragstellerin aber mit dem vorliegenden Verfahren gerade erst durchsetzen will. Angesichts all dessen ist das Bestehen eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss nicht derart sicher, dass sich die Antragstellerin auf dessen Durchsetzung im Wege der einstweiligen Anordnung verweisen lassen müsste.
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