09.12.2014

Belastungsverbot: Zur Begrenzung der durch eine Öffnungsklausel legitimierten Mehrheitsmacht

Die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht wird materiell-rechtlich u.a. durch unentziehbare, aber verzichtbare Mitgliedschaftsrechte begrenzt. Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehört das sog. Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) - sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender - Leistungspflichten schützt.

BGH 10.10.2014, V ZR 315/13
Der Sachverhalt:
Bei den Parteien handelt es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnanlage besteht aus sechs Einheiten, auf die jeweils 1/6 Miteigentumsanteil entfällt. Die Klägerin ist Inhaberin einer der beiden im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen. Zu ihrem Miteigentumsanteil nebst Sondereigentum gehört auch das Sondernutzungsrecht an der die Wohnung umgebenden Gartenfläche. Gemäß der Teilungserklärung obliegt die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft und ist von dem Verwalter durchzuführen. Änderungen der Teilungserklärung durch Beschluss sind nur mit 2/3 Mehrheit möglich.

In der Eigentümerversammlung im Juli 2012 war u.a. mit 4 Ja- und 2 Nein-Stimmen in Änderung der Teilungserklärung der Beschluss gefasst worden, dass hinsichtlich der Sondernutzungsflächen der Erdgeschosswohnungen, ab dem 1.7.2012 die ordnungsgemäße Instandhaltung in Gestalt von Gartenpflege- und Reinigungsarbeiten den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten obliegt und diese auch die dadurch entstehenden Kosten zu tragen haben.

AG und LG wiesen die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschlussmängelklage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH die Entscheidungen auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Der Beschluss der Wohnungseigentümer aus Juli 2012 war unwirksam.

Ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel ist nicht schon dann rechtmäßig, wenn er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Vielmehr sind insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Fundamentale Schranken ergeben sich zunächst aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242 BGB und den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu u.a. unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören. Darüber hinaus wird die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht auch durch Individualrechte begrenzt, die zwar ebenfalls zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören, die aber verzichtbar sind.

Der hier angegriffene Beschluss verstieß insofern gegen das Belastungsverbot. Die auferlegten Leistungspflichten fanden im Gesetz keine Grundlage, denn die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums obliegt den Wohnungseigentümern nach § 21 Abs. 1, 5 Nr. 2 WEG gemeinschaftlich. Nichts anderes folgt aus § 16 Abs. 4 WEG. Denn auch hiernach können die Wohnungseigentümer lediglich die Verteilung der u.a. für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen angefallenen Kosten abweichend von § 16 Abs. 2 mit qualifizierter Mehrheit regeln und dies ohnehin nur im Einzelfall. Auch die Teilungserklärung im vorliegenden Fall enthielt zunächst keine hiervon abweichende Regelung, sondern bestimmt in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage, dass die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft obliegt und von dem Verwalter durchzuführen ist.

Zwar ist es bei Sondernutzungsrechten üblich, dem Sondernutzungsberechtigten die Pflicht zur Instandhaltung auf eigene Kosten aufzuerlegen, weil ein Auseinanderfallen von Nutzungsrecht und Instandhaltungslast als unbefriedigend empfunden wird. Das ändert aber nichts daran, dass eine hiervon abweichende Regelung bereits in der Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung selbst oder im Wege einer späteren Vereinbarung der Wohnungseigentümer hätte getroffen werden müssen. Ist dies - wie hier - nicht geschehen, bleibt die Gemeinschaft zuständig; eine nachträgliche Übertragung der daraus folgenden Pflichten ist nur noch mit Zustimmung des Betroffenen möglich. Der Verstoß gegen das Belastungsverbot führte hier unter den gegebenen Umständen zur Unwirksamkeit des Eigentümerbeschlusses.

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