12.12.2022

Berliner Mietpreisbremse mangels ordnungsgemäßer Veröffentlichung der Verordnungsbegründung unwirksam

Die sog. Mietpreisbremse in Berlin ist mangels ordnungsgemäßer Veröffentlichung der Verordnungsbegründung unwirksam. Mit dieser Entscheidung stellt sich das AG Neukölln gegen das Urteil des BGH v. 27.5.2020 - VIII ZR 45/19, MietRB 2020, 194.

AG Neukölln v. 16.11.2022 - 9 C 489/20
Der Sachverhalt:
Mit der Klage verlangt die Klägerin zu viel gezahlte Miete für die Zeit von März bis einschließlich Dezember 2017 aus abgetretenem Recht. Die Beklagte ist Vermieterin einer Wohnung in Berlin-Neukölln, die seit Februar 2017 an die Mieter vermietet ist. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt 543 €. Im März 2018 und im Januar 2019 traten die Mieter gegenüber der Klägerin Forderungen und Ansprüche im Zusammenhang mit der Geltendmachung der sog. Mietpreisbremse ab. Die Klägerin rügt die Höhe der Nettokaltmiete; sie ist der Ansicht die höchstmögliche Nettokaltmiete betrage 308 €.

Das AG wies die Klage ab. Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden.

Die Gründe:
Die Rechtsfolge des § 556d Abs. 1 BGB ist abhängig vom Vorliegen der landesrechtlichen Rechtsverordnung. Folglich ist Tatbestandsvoraussetzung die Existenz der Rechtsverordnung. Der BGH hatte in einem früheren Urteil (BGH v. 22.5.2019 - VIII ZR 180/18) die ordnungsgemäße Veröffentlichung der Verordnungsbegründung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Mietpreisbremse verlangt. Eine erst nach dem Inkrafttreten der Mietpreisbremse in zumutbarer Weise an allgemein zugänglicher Stelle amtliche Veröffentlichung genüge hierfür nicht.

Mit Urteil v. 27.5.2020 entschied der BGH (BGH v. 27.5.2020 - VIII ZR 45/19, MietRB 2020, 194 f.) dass die Berliner Mietpreisbremse diese Voraussetzungen erfülle und den in § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB gestellten Begründungsanforderungen genüge. Insbesondere sei sie durch Veröffentlichung auf der Internetseite des Berliner Abgeordnetenhauses von amtlicher Stelle und für die Öffentlichkeit leicht zugänglich bekannt gemacht worden. Auf ein Sachverständigengutachten wurde verzichtet. Das AG hat nunmehr ein Gutachten zur Frage der Art und des Zeitpunkts der Veröffentlichung der Verordnungsbegründung eingeholt - mit dem Ergebnis, dass die Tatbestandsvoraussetzung, das Vorliegen einer wirksamen Rechtsverordnung, nicht gegeben ist.

Nach den Darlegungen des Sachverständigen steht fest, dass das Abgeordnetenhaus im Jahr 2015 zwar eine im Internet abfragbare Datenbank hatte, aus der auch einzelne Dokumente abgerufen werden konnten. Diese konnten jedoch nicht über die einschlägigen Suchmaschinen unter Eingabe von entsprechenden Suchbegriffen gefunden werden. Dies war erstmals nach dem Austausch des Servers des Berliner Abgeordnetenhauses im Jahr 2017, also zwei Jahre nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse, möglich. Um die Begründung vor dem Jahr 2017 auffinden zu können, musste der exakte Link eingegeben werden. Ohne diese Kenntnis war ein Aufrufen der Begründung nur möglich, wenn zumindest ein spezieller Linkname eingegeben wurde. Beides war jedoch nicht in zumutbarer Art und Weise, "selbst unter Mühewaltung", auffindbar.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Berliner Mietpreisbremse: unwirksam, da Begründung unauffindbar
AG Neukölln vom 16.11.2022 - 9 C 489/20
Philipp M. Bettenhausen, MietRB 2023

Rechtsprechung:
Mietpreisbremse: Ermittlung der maximalen Miete mit einfachem Mietspiegel
BGH vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19
Ulf P. Börstinghaus, MietRB 2020, 194

Rechtsprechung:
Härtefallabwägung: Schwerwiegende Gesundheitsgefahren erfordern Sachverständigengutachten
BGH vom 22.05.2019 - VIII ZR 180/18
Norbert Monschau, MietRB 2019, 225

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