06.05.2024

Berücksichtigung der vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei Bemessung des Kindesunterhalts keine anderweitige Bestimmung

In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt.

BGH v. 13.3.2024 - XII ZB 243/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über einen Gesamtschuldnerausgleich für von der Antragstellerin beglichene Darlehensraten für die Finanzierung des gemeinsamen Familienheims. Aus der 2010 geschlossenen Ehe der Beteiligten sind drei 2012, 2015 und 2018 geborene Kinder hervorgegangen. Auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses aus dem Jahr 2020 ist die Antragstellerin als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen. Die Ehe wurde durch seit 6.3.2021 rechtskräftigen Beschluss geschieden. Während der Ehe erwarben die Beteiligten je hälftiges Miteigentum an einem Familienheim und nahmen im Jahr 2015 hierfür gemeinsam vier Darlehen auf, die Ende 2019 noch mit insgesamt 364.000 € valutierten. Während des ehelichen Zusammenlebens beglich jeweils die Antragstellerin die Darlehensraten i.H.v. mtl. rd. 940 €. Zusätzlich hatte die Antragstellerin zwei zur Sicherheit an den Darlehensgeber abgetretene Bausparverträge abgeschlossen, auf die sie mtl. Sparleistungen von rd. 220 € bzw. 190 € erbrachte. Die Antragsgegnerin trug von ihrem Einkommen alle weiteren Lebenshaltungskosten der Familie.

Im Februar 2019 zog die Antragstellerin aus dem Familienheim aus, beließ dort aber ihre Möbel. Tageweise betreute sie die gemeinsamen Kinder in dem Familienheim. Ab März 2020 gerieten die Beteiligten in Streit über die Finanzen, wobei die Antragsgegnerin Zahlung von Kindesunterhalt und die Antragstellerin eine Beteiligung an der Immobilienfinanzierung sowie Trennungsunterhalt verlangte. In der Folgezeit leistete die Antragstellerin Kindesunterhalt i.H.v. mtl. insgesamt rd. 420 €, den das Jugendamt unter Berücksichtigung einer alleinigen Belastung der Antragstellerin mit den Darlehens- und Sparraten (insgesamt rd. 1.300 €) für das Familienheim berechnet hatte. Zum 30.7.2021 veräußerten die Beteiligten die Immobilie und teilten den Erlös hälftig, ohne dass die zur Sicherheit abgetretenen Bausparverträge für die Darlehensrückzahlung eingesetzt werden mussten. Die Bausparverträge wurden vielmehr an die Antragstellerin zurückabgetreten, woraufhin diese die Verträge für sich und die Antragsgegnerin jeweils hälftig teilen ließ.

Das AG - Familiengericht - wies den auf Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich der Darlehens- und Bausparraten i.H.v. mtl. insgesamt rd. 670 € von Februar 2019 bis Dezember 2020 gerichteten Antrag zurück. Das OLG verpflichtete die Antragsgegnerin, an die Antragstellerin rd. 7.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat insbesondere zu Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt oder bewiesen hat, dass für die Zeit ab April 2020 eine anderweitige Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Beteiligten getroffen wurde.

Eine neue Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich ergibt sich nicht schon daraus, dass die Antragstellerin bei der Festsetzung des Kindesunterhalts durch das Jugendamt Darlehens- und Sparraten in voller Höhe von mtl. rd. 1.300 € von ihren Einkünften in Abzug gebracht hat, ohne einen Gesamtschuldnerausgleich gegenzurechnen, und die Antragsgegnerin dieses hinnahm und den dadurch entstehenden Minderbetrag an Kindesbarunterhalt aus ihren eigenen Mitteln ausglich. Denn in der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt. Es handelt sich nämlich insoweit schon nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Abgesehen davon würde durch diese Vorgehensweise regelmäßig im Ergebnis keine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten herbeigeführt.

Soweit in der Literatur vertreten wird, eine andere Beurteilung sei dann angezeigt, wenn der Abzug der Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts zur Leistungsunfähigkeit des die Schuld Bedienenden führe und der betreuende Elternteil finanziell eingesprungen sei, tritt der Senat dem nicht bei. Denn bei Anwendung der vorgenannten Regel würde die Annahme des Bestehens einer anderweitigen Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und deren konkreten Inhalts jeweils von Zufällen abhängen, die sich aus dem Umfang der Leistungsfähigkeit des Barunterhaltsverpflichteten einerseits und dem jeweiligen Bedarf (einschließlich Mehr- und Sonderbedarf) der Kinder andererseits ergeben und sich ohne Zutun, sogar ohne bewusste Wahrnehmung zumindest eines der Beteiligten, laufend ändern können. Es fehlte dann, schon da es nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten geht, an der notwendigen Rechtsklarheit.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang
Böttcher in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Rechtsprechung (Vorinstanz)
§ 242, 426 I BGB: Gesamtschuldnerausgleich: Unterhaltsrechtliche Anrechnung von Verbindlichkeiten - Mangelfall
OLG Celle vom 17.05.2023 - 21 UF 3/23
FamRZ 2023, 1530

Rechtsprechung (Vorinstanz)
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