Beschwerdebefugnis eines Kontobevollmächtigten bei Anfechtung eines Suspendierungsbeschlusses nach § 1820 Abs. 4 BGB
LG Lübeck v. 24.10.2024 - 7 T 475/24
Der Sachverhalt:
Der Ehemann der Betroffenen (Beschwerdeführer) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die einstweilige Suspendierung einer Sparkassen-Vollmacht durch das AG. Für die Betroffene besteht seit Juli 2024 eine Betreuung. Die Beteiligte zu 2) ist zur Betreuerin bestellt worden. Am 27.8.2024 teilte die Betreuerin dem AG mit, dass noch eine Sparkassen-Vollmacht zugunsten des Beschwerdeführers bestünde. Es seien große Geldbeträge abgehoben worden.
Am selben Tag untersagte das AG dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung, die Bankvollmacht der Betroffenen bei der Sparkasse Holstein auszuüben. Zugleich ordnete es an, dass der Ehemann der Betroffenen die Vollmachtsurkunde an die Betreuerin herauszugeben hat. Es bestünden dringende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die an den Ehemann erteilte Bankvollmacht zum Nachteil der Betroffenen eingesetzt worden sei und dass der Betroffenen durch die Handlungen ein erheblicher Vermögensschaden bereits entstanden sei und dass weitere Schäden drohten. Um dies bis zur Entscheidung über einen möglichen Widerruf der Vollmacht zu verhindern, sei nach §§ 1820 Abs. 4 BGB, 49 ff. FamFG eine vorläufige Suspendierung der Vollmacht auszusprechen. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des AG.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem LG zur Entscheidung vor. Das LG wies die Beschwerde als unzulässig zurück.
Die Gründe:
Dem Beschwerdeführer steht keine Beschwerdebefugnis zur Seite.
Eine Beschwerdebefugnis besteht nicht nach § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG. Aus der Vorschrift § 303 Abs. 3 S. 1 FamFG lässt sich eine eigene Beschwerdebefugnis eines Vorsorgebevollmächtigten nicht herleiten. Zudem ist der Beschwerdeführer kein Vorsorgebevollmächtigter. Die ihm zustehende Vollmacht bevollmächtigt ihn allein zu Geschäften für die Betroffene gegenüber der Sparkasse. Eine Beschwerdeberechtigung steht dem Beschwerdeführer auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG zu. Danach steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Bei der Vollmacht handelt es sich nicht um ein subjektives Recht in diesem Sinne.
Eine Beschwerdebefugnis steht dem Beschwerdeführer auch nicht in seiner Eigenschaft als Ehemann nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu. Zwar gehört der Beschwerdeführer als Ehemann der Betroffenen zu dem in § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG genannten Personenkreis. Auch ist der Beschwerdeführer im ersten Rechtszug, also im Verfahren über die Suspendierung der Sparkassen-Vollmacht, beteiligt worden, indem nämlich der angefochtene Beschluss des AG an ihn als Inhaber der Sparkassen-Vollmacht gerichtet und ihm die Suspendierung der Vollmacht und Herausgabe der Vollmachtsurkunde auferlegt worden ist. Jedoch sieht § 303 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FamFG nicht vor, dass sich die Beschwerdebefugnis auch auf eine Beschwerde gegen eine Suspendierung einer Vollmacht nach § 1820 Abs. 4 BGB bezieht.
Aus dem Wortlaut von § 303 Abs. 2 FamFG ergibt sich zwar nicht eine ausdrückliche Beschränkung der Beschwerdebefugnis auf bestimmte Arten von betreuungsrechtlichen Entscheidungen. Der enge systematische Zusammenhang der Regelung mit § 303 Abs. 1 FamFG, der die möglichen Verfahrensgegenstände von Entscheidungen bestimmt, in denen eine Beschwerdebefugnis der zuständigen Behörde gegeben ist, deutet jedoch darauf hin, dass sich die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auch auf diese Verfahren bezieht. Zu den in § 303 Abs. 1 FamG genannten Verfahren gehört das Verfahren über eine Beschwerde gegen eine Suspendierung einer Vollmacht nach § 1820 Abs. 4 BGB nicht.
Insofern konnte die Beschwerdekammer keine (abschließende) Entscheidung zur Frage der Begründetheit der Beschwerde über die einstweilige Anordnung der Suspendierung der Sparkassen-Vollmacht und Herausgabe der Vollmachtsurkunde treffen. Nach vorläufiger Bewertung neigt die Beschwerdekammer zu der Ansicht, dass sich die Regelungen in § 1820 Abs. 1-5 BGB bei Anwendung aller Auslegungsmethoden einheitlich nur auf Vorsorgevollmachten beziehen.
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Am selben Tag untersagte das AG dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung, die Bankvollmacht der Betroffenen bei der Sparkasse Holstein auszuüben. Zugleich ordnete es an, dass der Ehemann der Betroffenen die Vollmachtsurkunde an die Betreuerin herauszugeben hat. Es bestünden dringende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die an den Ehemann erteilte Bankvollmacht zum Nachteil der Betroffenen eingesetzt worden sei und dass der Betroffenen durch die Handlungen ein erheblicher Vermögensschaden bereits entstanden sei und dass weitere Schäden drohten. Um dies bis zur Entscheidung über einen möglichen Widerruf der Vollmacht zu verhindern, sei nach §§ 1820 Abs. 4 BGB, 49 ff. FamFG eine vorläufige Suspendierung der Vollmacht auszusprechen. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des AG.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem LG zur Entscheidung vor. Das LG wies die Beschwerde als unzulässig zurück.
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Dem Beschwerdeführer steht keine Beschwerdebefugnis zur Seite.
Eine Beschwerdebefugnis besteht nicht nach § 303 Abs. 4 S. 1 FamFG. Aus der Vorschrift § 303 Abs. 3 S. 1 FamFG lässt sich eine eigene Beschwerdebefugnis eines Vorsorgebevollmächtigten nicht herleiten. Zudem ist der Beschwerdeführer kein Vorsorgebevollmächtigter. Die ihm zustehende Vollmacht bevollmächtigt ihn allein zu Geschäften für die Betroffene gegenüber der Sparkasse. Eine Beschwerdeberechtigung steht dem Beschwerdeführer auch nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG zu. Danach steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Bei der Vollmacht handelt es sich nicht um ein subjektives Recht in diesem Sinne.
Eine Beschwerdebefugnis steht dem Beschwerdeführer auch nicht in seiner Eigenschaft als Ehemann nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu. Zwar gehört der Beschwerdeführer als Ehemann der Betroffenen zu dem in § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG genannten Personenkreis. Auch ist der Beschwerdeführer im ersten Rechtszug, also im Verfahren über die Suspendierung der Sparkassen-Vollmacht, beteiligt worden, indem nämlich der angefochtene Beschluss des AG an ihn als Inhaber der Sparkassen-Vollmacht gerichtet und ihm die Suspendierung der Vollmacht und Herausgabe der Vollmachtsurkunde auferlegt worden ist. Jedoch sieht § 303 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FamFG nicht vor, dass sich die Beschwerdebefugnis auch auf eine Beschwerde gegen eine Suspendierung einer Vollmacht nach § 1820 Abs. 4 BGB bezieht.
Aus dem Wortlaut von § 303 Abs. 2 FamFG ergibt sich zwar nicht eine ausdrückliche Beschränkung der Beschwerdebefugnis auf bestimmte Arten von betreuungsrechtlichen Entscheidungen. Der enge systematische Zusammenhang der Regelung mit § 303 Abs. 1 FamFG, der die möglichen Verfahrensgegenstände von Entscheidungen bestimmt, in denen eine Beschwerdebefugnis der zuständigen Behörde gegeben ist, deutet jedoch darauf hin, dass sich die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auch auf diese Verfahren bezieht. Zu den in § 303 Abs. 1 FamG genannten Verfahren gehört das Verfahren über eine Beschwerde gegen eine Suspendierung einer Vollmacht nach § 1820 Abs. 4 BGB nicht.
Insofern konnte die Beschwerdekammer keine (abschließende) Entscheidung zur Frage der Begründetheit der Beschwerde über die einstweilige Anordnung der Suspendierung der Sparkassen-Vollmacht und Herausgabe der Vollmachtsurkunde treffen. Nach vorläufiger Bewertung neigt die Beschwerdekammer zu der Ansicht, dass sich die Regelungen in § 1820 Abs. 1-5 BGB bei Anwendung aller Auslegungsmethoden einheitlich nur auf Vorsorgevollmachten beziehen.
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