Beschwerdefrist kann nicht ohne Beteiligung am Verfahren beginnen
BGH v. 23.6.2021 - XII ZB 51/21
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte am 6.2.2019 beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Eine Zustellung der Antragsschrift an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, der diesen in einem früheren familiengerichtlichen Verfahren vertreten hatte, ist von dem Rechtsanwalt mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass das Mandat durch den Antragsgegner bereits im August 2018 gekündigt worden sei. Daraufhin hat das AG auf Antrag der Antragstellerin die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner angeordnet. Auch die Ladung des Antragsgegners zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.9.2019 hat das AG öffentlich zugestellt.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung, zu der der Antragsgegner nicht erschienen ist, hat das AG mit Beschluss vom 24.9.2019 die Ehe der Beteiligten geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Auch dieser Beschluss ist dem Antragsgegner öffentlich zugestellt worden.
Am 25.10.2019 erfuhr der Antragsgegner von seinem früheren Verfahrensbevollmächtigten, dass die Antragstellerin einen Scheidungsantrag eingereicht hatte. Nachdem seinem Verfahrensbevollmächtigten am 7.4.2020 Akteneinsicht gewährt worden war, hat der Antragsgegner am 29.4.2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss eingelegt. Zudem hat er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sowie vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Das OLG hat die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen; den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat der BGH den Beschluss aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Im vorliegenden Fall ist die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG durch die Verkündung des Scheidungsbeschlusses nicht in Gang gesetzt worden.
Nachdem das OLG es offengelassen hatte, ob die vom AG angeordneten öffentlichen Zustellungen unzulässig waren, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugunsten des Antragsgegners zu unterstellen, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellungen nicht vorgelegen haben. Damit ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu dem vom AG anberaumten Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden ist. Zudem war der Antragsgegner im Verhandlungstermin, der dem Verkündungstermin vorausging, weder anwesend noch durch einen Bevollmächtigten vertreten.
Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Auffassung des OLG, die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG sei dadurch in Gang gesetzt worden, dass der Antragsgegner anderweitig Kenntnis von dem Scheidungsverfahren erlangt habe. In Fällen, in denen dem Antragsgegner schon das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt wurde und er sich auch nicht auf das Verfahren eingelassen hat, ist eine solche Erkundigungspflicht nicht gegeben. Denn der Verfahrensbeteiligte muss sich auf das Verfahren nicht einlassen, wenn es bereits an einer ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fehlt.
Ihm ist es daher unbenommen, auch dann untätig zu bleiben, wenn er auf anderem Weg von dem laufenden Verfahren Kenntnis erlangt hat. Würde in diesem Fall mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG in Gang gesetzt, würde die oben genannte Befugnis des Verfahrensbeteiligten, sich auf das Verfahren nicht einzulassen, in ihr Gegenteil verkehrt. Der vom OLG vertretenen Auffassung, dass auch die ohne Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlangte Kenntnis dem Antragsgegner Veranlassung gegeben habe, sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, kann daher nicht gefolgt werden.
BGH online
Die Antragstellerin hatte am 6.2.2019 beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Eine Zustellung der Antragsschrift an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners, der diesen in einem früheren familiengerichtlichen Verfahren vertreten hatte, ist von dem Rechtsanwalt mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass das Mandat durch den Antragsgegner bereits im August 2018 gekündigt worden sei. Daraufhin hat das AG auf Antrag der Antragstellerin die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner angeordnet. Auch die Ladung des Antragsgegners zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.9.2019 hat das AG öffentlich zugestellt.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung, zu der der Antragsgegner nicht erschienen ist, hat das AG mit Beschluss vom 24.9.2019 die Ehe der Beteiligten geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Auch dieser Beschluss ist dem Antragsgegner öffentlich zugestellt worden.
Am 25.10.2019 erfuhr der Antragsgegner von seinem früheren Verfahrensbevollmächtigten, dass die Antragstellerin einen Scheidungsantrag eingereicht hatte. Nachdem seinem Verfahrensbevollmächtigten am 7.4.2020 Akteneinsicht gewährt worden war, hat der Antragsgegner am 29.4.2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss eingelegt. Zudem hat er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sowie vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Das OLG hat die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen; den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat der BGH den Beschluss aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Gründe:
Im vorliegenden Fall ist die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG durch die Verkündung des Scheidungsbeschlusses nicht in Gang gesetzt worden.
Nachdem das OLG es offengelassen hatte, ob die vom AG angeordneten öffentlichen Zustellungen unzulässig waren, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugunsten des Antragsgegners zu unterstellen, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellungen nicht vorgelegen haben. Damit ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner zu dem vom AG anberaumten Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden ist. Zudem war der Antragsgegner im Verhandlungstermin, der dem Verkündungstermin vorausging, weder anwesend noch durch einen Bevollmächtigten vertreten.
Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Auffassung des OLG, die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG sei dadurch in Gang gesetzt worden, dass der Antragsgegner anderweitig Kenntnis von dem Scheidungsverfahren erlangt habe. In Fällen, in denen dem Antragsgegner schon das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt wurde und er sich auch nicht auf das Verfahren eingelassen hat, ist eine solche Erkundigungspflicht nicht gegeben. Denn der Verfahrensbeteiligte muss sich auf das Verfahren nicht einlassen, wenn es bereits an einer ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fehlt.
Ihm ist es daher unbenommen, auch dann untätig zu bleiben, wenn er auf anderem Weg von dem laufenden Verfahren Kenntnis erlangt hat. Würde in diesem Fall mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG in Gang gesetzt, würde die oben genannte Befugnis des Verfahrensbeteiligten, sich auf das Verfahren nicht einzulassen, in ihr Gegenteil verkehrt. Der vom OLG vertretenen Auffassung, dass auch die ohne Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlangte Kenntnis dem Antragsgegner Veranlassung gegeben habe, sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, kann daher nicht gefolgt werden.