18.10.2023

Betrug mit fingierten Verordnungen gegenüber Krankenkassen

Einem Apotheker entsteht kein Vermögensschaden i.S.v. § 263 StGB, wenn eine bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin mit fingierten Verordnungen Krankenkassen betrügt. Ihm stehen deshalb keine eigenen deliktischen Ansprüche gegen seine Mitarbeiterin zu. Der Geschäftsherr hat auch für vorsätzliche unerlaubte Handlungen seiner Gehilfen einzustehen, wenn diese noch im engen objektiven Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen stehen, insbesondere dann, wenn die Gehilfen gerade die übertragenen Pflichten verletzen.

OLG Rostock v. 13.10.2023 - 4 U 186/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Apotheke. Der Beklagte zu 3) ist Endokrinologe. Die Beklagte zu 2) war beim Beklagten zu 3) als Arzthelferin beschäftigt. Die ehemalige, jetzt gesondert in Anspruch genommene Beklagte zu 1) war als Apothekenhelferin beim Kläger beschäftigt. Sie hatte vom 13.9.2012 bis zum 16.8.2013 mithilfe fingierter Verordnungen, die den Beklagten zu 3) als Aussteller auswiesen, im Namen des Klägers die in den Verordnungen genannten Medikamente bei einem Arzneimittelgroßhändler bestellt. Sie wusste, dass die Verordnungen fingiert waren. Tatsächlich übergab sie einen Teil der gelieferten Medikamente an die Beklagte zu 2), die diese ebenso wie die ehemalige Beklagte zu 1) an unbekannte Dritte gewinnbringend weiterverkaufte.

Die ehemalige Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) wurden u.a. wegen gemeinschaftlich begangenen Betrugs zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und acht Monaten bzw. zwei Jahren verurteilt. Sie waren weitestgehend geständig. Nachdem die Krankenkassen von dem gemeinschaftlichen Betrug erfahren hatten, machten sie gegenüber dem Kläger Rückforderungsansprüche geltend. Der Kläger machte daraufhin gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche i.H.v. zuletzt rund 78.607 € geltend. Außerdem beantragte er, die Beklagten zu verurteilen, ihn von Ansprüchen der Krankenkassen freizustellen, Die Beklagte zu 2) hat die Ansicht vertreten, dass das Strafurteil keine präjudizielle Wirkung habe, da sie sich allein aus prozesstaktischen Gründen geständig eingelassen habe.

Das LG hat die Beklagte zu 2) - unter Abweisung der gegen sie gerichteten weitergehenden Klage - als Gesamtschuldnerin neben der gesondert in Anspruch genommenen ehemaligen Beklagten zu 1) verurteilt, den Kläger von den Ansprüchen der Krankenkassen freizustellen. Der Freistellungsanspruch beruhe auf §§ 426 Abs. 1 Satz 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und § 826 BGB. Der Kläger hafte den geschädigten Krankenkassen aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die von der ehemaligen Beklagten zu 1) verwirklichten Tatbestände der § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB auch Vermögensschäden erfassten.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 1) verurteilt, an den Kläger 47.433 € zu zahlen. Außerdem wurde die Beklagte zu 2) neben der gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 1) dazu verurteilt, an den Kläger weitere 23.716 € zu zahlen.

Die Gründe:
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass ein eigener Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB mangels Rechtsgutsverletzung und ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB mangels Betroffenheit des Klägers vom Schutzbereich nicht gegeben waren. Einem Apotheker entsteht kein Vermögensschaden i.S.v. § 263 StGB, wenn eine bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin mit fingierten Verordnungen Krankenkassen betrügt. Ihm stehen deshalb keine eigenen deliktischen Ansprüche gegen seine Mitarbeiterin zu.

Auch einen Anspruch gegen die Beklagten aus § 826 BGB bzw. §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 826 BGB hat das LG zu Recht verneint. Denn Ersatzberechtigt ist der durch die konkrete Tathandlung unmittelbar Geschädigte; hier die geschädigten Krankenkassen. Der Kläger als mittelbar Geschädigter wäre nur ersatzberechtigt, wenn sich Bewusstsein und Willen der Schädigung zumindest bedingt auch auf ihn bezogen hätten und diese Schädigung auch im Verhältnis zwischen ihm und den Schädigerinnen sittenwidrig gewesen wäre. Das aber hat das LG aber mit zutreffenden Erwägungen verneint.

Im Ansatz zutreffend hat das LG - mangels Vorliegen eines deliktischen Anspruchs folgerichtig - lediglich einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs gem. § 426 BGB bejaht. Der Apotheker kann als Gesamtschuldner von den weiteren an dem Betrug Beteiligten einen Ausgleich im Innenverhältnis verlangen, wenn er an die Geschädigten Schadensersatz leistet. Dabei besteht die in § 840 Abs. 2 BGB normierte Haftungsfreistellung des nach § 831 BGB verantwortlichen Geschäftsherrn nur im Verhältnis zum jeweiligen Mitarbeiter. Bei der Höhe der jeweiligen Haftungsanteile sind die Haftungseinheiten zu berücksichtigen.

Die Verwertung des strafgerichtlichen Urteils war im Wege des Urkundenbeweises zulässig. Nach einem Geständnis im Strafverfahren trifft den Anspruchsgegner eine gesteigerte Erwiderungslast, in deren Rahmen er konkrete Umstände für die von ihm behauptete Unwahrheit seines im Strafverfahren abgelegten Geständnisses darlegen muss. Diesen Anforderungen genügte der Vortrag der Beklagten zu 2) nicht.

Der Beklagte zu 3) haftet den Krankenkassen gem. § 831 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB auf Ersatz der durch die Betrugshandlungen seiner Mitarbeiterin, der Beklagten zu 2), entstandenen Schäden. Denn der Geschäftsherr hat auch für vorsätzliche unerlaubte Handlungen seiner Gehilfen einzustehen, wenn diese noch im engen objektiven Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen stehen, insbesondere dann, wenn die Gehilfen gerade die übertragenen Pflichten verletzen. Der Beklagte zu 3) hat den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Online-Aktualisierungen im Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht M-V
Zurück