22.10.2021

Beweislast bei Ankunftsverspätungen - Begrenzte Dokumentationspflicht für Luftfahrtunternehmen

Die Beweislast für das Vorliegen einer großen Ankunftsverspätung trifft den Fluggast. Ist unsicher, ob die Ankunftsverspätung mindestens drei Stunden betragen hat, ist das Luftfahrtunternehmen gehalten, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen mitzuteilen, die Rückschlüsse auf den maßgeblichen Zeitpunkt ermöglichen. Es ist nicht gehalten, im Bordbuch oder an anderer Stelle den Zeitpunkt zu dokumentieren, zu dem die erste Tür geöffnet und den Fluggästen der Ausstieg ermöglicht worden ist.

BGH v. 9.9.2021 - X ZR 94/20
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten bei der Beklagten für den 12.11.2016 einen Flug von Bremen nach Teneriffa gebucht. Dort sollte der Flug um 15:25 Uhr landen. Der Abflug verzögerte sich aufgrund eines technischen Defekts um etwa drei Stunden. Die genaue Ankunftszeit blieb zwischen den Parteien streitig. Die Kläger behaupteten, die Ankunft sei erst um 18:35 Uhr erfolgt. Ein schriftlicher Hinweis auf die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gem. Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO wurde den Klägern nicht zur Verfügung gestellt.

Im April 2017 forderten die Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung Ausgleichsleistungen i.H.v. jeweils 400 € entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO.

Nach EuGH-Rechtsprechung steht dem Fluggast ein solcher Anspruch zu, wenn der Flug an seinem Zielort mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr eintrifft. Die Beweislast für das Vorliegen einer großen Ankunftsverspätung trifft den Fluggast. Mangels einer Regelung in der Verordnung bestimmt sich die Darlegungs- und Beweislast nach deutschem Recht. Die Darlegungs- und Beweislast liegt damit grundsätzlich beim Fluggast, der Ansprüche aufgrund einer großen Verspätung geltend macht. Den ihnen danach obliegenden Beweis haben die Kläger nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geführt.

Auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Ist unsicher, ob die Ankunftsverspätung mindestens drei Stunden betragen hat, ist das Luftfahrtunternehmen zwar gehalten, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen mitzuteilen, die Rückschlüsse auf den maßgeblichen Zeitpunkt ermöglichen. Dieser Darlegungslast hat die Beklagte hier allerdings genügt, indem sie unter Vorlage eines Auszugs aus dem Bordbuch den Zeitpunkt der Landung (18:14 Uhr) und des Erreichens der Parkposition (18:20 Uhr) dargelegt und gestützt auf diese Angaben vorgetragen hat, die Tür sei unmittelbar danach, jedenfalls vor 18:25 Uhr geöffnet worden.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Luftfahrtunternehmen nicht gehalten, im Bordbuch oder an anderer Stelle den Zeitpunkt zu dokumentieren, zu dem die erste Tür geöffnet und den Fluggästen der Ausstieg ermöglicht worden ist. Die Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 in der maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 (ABl. L 254/1) sieht eine diesbezügliche Dokumentationspflicht nicht vor. Auch der Umstand, dass die Beklagte es versäumt hatte, die Kläger auf die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen hinzuweisen, führte nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
BGH online
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