BGH stärkt Rechte von reisenden Personen mit eingeschränkter Mobilität
BGH v. 20.6.2023 - X ZR 84/22
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten über eine Internetplattform für den 30.5.2019 für insgesamt fünf Personen Flüge mit der Beklagten von Frankfurt a.M. nach Budapest und von Budapest nach St. Petersburg gebucht. Beide Flüge wurden planmäßig durchgeführt. Der Kläger zu 1) ist auf einen Rollstuhl angewiesen und durfte in Budapest erst nach allen anderen Passagieren aus dem Flugzeug aussteigen. Die beiden Kläger verpassten den zweiten Flug. Die Beklagte bot ihnen keine Ersatzbeförderung an. Deshalb bemühten sich die Kläger selbst um einen Ersatzflug und erreichten St. Petersburg knapp zehn Stunden später als mit dem von der Beklagten durchgeführten Flug.
Das Amtsgericht hat die auf Erstattung der Kosten der Ersatzbeförderung (je 227,27 €) und eine Ausgleichszahlung (je 400 €) gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat im Berufungsverfahren den Klägern die Kosten der Ersatzbeförderung zugesprochen, ihr weitergehendes Rechtsmittel jedoch zurückgewiesen. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe:
Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
Entgegen der Auffassung des LG ist die Beklagte für die Verspätung verantwortlich. Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist für eine große Ankunftsverspätung verantwortlich, wenn es einem Fluggast unter Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 FluggastrechteVO die Möglichkeit genommen hat, einen direkten Anschlussflug rechtzeitig zu erreichen. Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Ausgleichsleistung ist eine Annullierung, Nichtbeförderung oder große Ankunftsverspätung. Soweit in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ob das Luftfahrtunternehmen einen dieser Tatbestände durch pflichtwidriges Handeln verursacht hat, sind grundsätzlich alle dem Luftfahrtunternehmen obliegenden Pflichten zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch und insbesondere die Verpflichtungen aus Art. 11 Abs. 1 FluggastrechteVO.
Im Streitfall war der Kläger zu 1) in den Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 1 der FluggastrechteVO einbezogen, weil er auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Entsprechendes galt für die Klägerin zu 2) als Begleitperson. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat, war die Beklagte deshalb verpflichtet, die beiden Kläger nach Ankunft in Budapest vorrangig aussteigen zu lassen. Der Verstoß gegen diese Pflicht war nach den getroffenen und nicht angegriffenen Feststellungen ursächlich dafür geworden, dass die Kläger den Flug nach St. Petersburg im Gegensatz zu anderen Mitreisenden nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten. Auf die Frage, ob ein spezieller Rollstuhlservice für den Transfer gebucht und verspätet erbracht worden war, kam es bei dieser Sachlage nicht an.
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Die Kläger hatten über eine Internetplattform für den 30.5.2019 für insgesamt fünf Personen Flüge mit der Beklagten von Frankfurt a.M. nach Budapest und von Budapest nach St. Petersburg gebucht. Beide Flüge wurden planmäßig durchgeführt. Der Kläger zu 1) ist auf einen Rollstuhl angewiesen und durfte in Budapest erst nach allen anderen Passagieren aus dem Flugzeug aussteigen. Die beiden Kläger verpassten den zweiten Flug. Die Beklagte bot ihnen keine Ersatzbeförderung an. Deshalb bemühten sich die Kläger selbst um einen Ersatzflug und erreichten St. Petersburg knapp zehn Stunden später als mit dem von der Beklagten durchgeführten Flug.
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