BMJ legt Vorschläge für Reform des Unterhaltsrechts vor
Die Vorschläge zur Reform des Kindesunterhalts betreffen Familien, in denen sich beide Eltern nach der Trennung erheblich an der Betreuung ihrer Kinder beteiligen. Sie zielen darauf, dass das Recht die Betreuungsleistungen beider Eltern angemessen berücksichtigt. Der Betreuungsunterhalt betrifft Elternteile, die wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder einschränken mussten. Durch die Reform soll die Rechtsposition hauptbetreuender Elternteile gestärkt werden, die vor der Trennung nicht mit dem anderen Elternteil verheiratet waren. Das Eckpunktepapier schlägt folgende Neuerungen vor.
1. Vorschläge für eine Reform des Kindesunterhalts
Die Vorschläge für eine Reform des Kindesunterhalts beziehen sich auf den Fall, dass beide Elternteile wesentliche Betreuungsleistungen erbringen, ohne sich die Betreuung exakt hälftig zu teilen. In solchen Fällen sollen die Unterhaltslasten fairer verteilt werden. Es soll erstmals klar geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Betreuungsleistung des mitbetreuenden Elternteils zur Senkung der Unterhaltslast führen kann.
Für die anderen Betreuungskonstellationen soll sich an der Verteilung der Unterhaltslasten nichts ändern. Alleinerziehende, die sich allein oder fast allein um ihr Kind kümmern, sind von den Vorschlägen nicht betroffen (sog. Residenzmodell). Auch für Eltern, die sich die Betreuung exakt hälftig teilen (sog. symmetrisches Wechselmodell) ändert sich nichts an der Verteilung der Unterhaltslasten. Hier gibt es bereits praktikable Lösungen. Auf das asymmetrische Betreuungsmodell ist das geltende Unterhaltungsrecht hingegen unzureichend eingestellt. Für die Unterhaltsverpflichtung des mitbetreuenden Elternteils macht es derzeit oft keinen Unterschied, dass er spürbare Betreuungsleistungen erbringt. Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich. Die hierdurch entstehende Rechtsunsicherheit ist nachteilig für alle Beteiligten; denn sie trägt zur Streitanfälligkeit des Unterhaltsrechts bei.
Das Eckpunktepapier schlägt klare gesetzliche Vorgaben dafür vor, wie die Unterhaltslasten im asymmetrischen Wechselmodell zu verteilen sind. Auch künftig soll es dabei ganz maßgeblich auf die Einkommensverhältnisse beider Elternteile ankommen: Wenn ein Elternteil mehr verdient als der andere, dann soll er auch künftig mehr Unterhaltslasten zu tragen haben. Ins Gewicht fallen soll allerdings auch die Verteilung der Betreuungslasten: Im asymmetrischen Wechselmodell soll künftig nicht nur die Betreuungslast des hauptbetreuenden Elternteils Berücksichtigung finden; ins Gewicht fallen soll auch, dass der mitbetreuende Elternteil sich substantiell in die Betreuung einbringt. Dabei kommt ein pauschalierender Ansatz zum Tragen. Streit über die exakte Höhe des Betreuungsanteils soll so vermieden werden. Die vorgeschlagene Methode zur Berechnung der Zahlungsverpflichtung des mitbetreuenden Elternteils wird im Eckpunktepapier erläutert.
Von einer Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell soll nach dem Eckpunktepapier ausgegangen werden, wenn der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteils mehr als 29 % beträgt. Ab dieser Schwelle soll die vorgeschlagene Neuregelung greifen. Berechnet werden soll der Betreuungsanteil anhand eines nachprüfbaren, objektiven Kriteriums, das auch in der Fachwelt akzeptiert ist: der Anzahl der Übernachtungen des Kinds beim jeweiligen Elternteil pro Jahr. Ab wie viel Übernachtungen pro Jahr die Schwelle zum asymmetrischen Wechselmodell überschritten wird, ist in der Anlage zum Eckpunktepapier näher erläutert. Eine Betreuung lediglich an jedem zweiten Wochenende und in der Hälfte der Schulferien reicht hierfür regelmäßig nicht aus.
Für das Residenzmodell und das symmetrische Wechselmodell sind Änderungen der Unterhaltsberechnung - wie dargelegt - nicht vorgesehen. Um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im symmetrischen Wechselmodell zu erleichtern, wird für diese Konstellationen allerdings eine neue Vertretungsregel vorgeschlagen: Jeder Elternteil soll das Kind im Verfahren vertreten können. Das bisher erforderliche vorgeschaltete Sorgerechtsverfahren würde dann nicht mehr erforderlich sein.
2. Angleichung des Betreuungsunterhalt verheirateter und nicht verheirateter Eltern
Neben der Änderung des Kindesunterhalts schlägt das Papier auch Änderungen im Betreuungsunterhalt vor. Betreuungsunterhalt ist der Unterhalt, den ein Elternteil dem anderen Elternteil zu erbringen hat, der wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes seine Erwerbstätigkeit aufgeben oder reduzieren muss. Das geltende Recht behandelt getrenntlebende Eltern beim Betreuungsunterhalt unterschiedlich - je nachdem, ob sie vor der Trennung verheiratet waren oder nicht. Bei vormals verheirateten Eltern richtet sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils auch danach, wie viel der nichtbetreuende Elternteil verdient. Bei Eltern, die nicht verheiratet waren, kommt es allein auf das Einkommen des betreuenden Elternteils an. Die Folge: Ein Elternteil, das vor der Trennung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem anderen Elternteil zusammengelebt und vom höheren Einkommen des Vaters profitiert hat, muss nach der Trennung eine abrupte Verschlechterung seines Lebensstandards fürchten.
Das Eckpunktepapier schlägt vor, dass für Eltern, die vor der Trennung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, beim Betreuungsunterhalt die gleichen Regeln gelten wie für vormals verheiratete Paare. Dies wirkt sich vor allem dann aus, wenn der betreuende Elternteil schon vor der Geburt der Kinder über ein deutlich geringeres Einkommen verfügte. Aber auch betreuende Elternteile, die mit dem anderen Elternteil zusammengelebt haben, sollen beim Betreuungsunterhalt bessergestellt werden: Für den Mindestunterhalt des nichtverheirateten Elternteils soll ein höherer Referenzpunkt gesetzt werden.
3. Gesetzliche Regelung des notwendigen Selbstbehalts
Mit der Reform des Jahres 2007 wurde der Mindestunterhalt in Höhe des Existenzminimums der Kinder gesetzlich geregelt. Seither wird dieser alle zwei Jahre durch Verordnung der Entwicklung des steuerrechtlich freizustellenden Existenzminimums angepasst. Für den zahlungspflichtigen Elternteil existiert keine vergleichbare Regelung. Dies soll nun geändert werden, indem der sog. notwendige Selbstbehalt, der derzeit durch die Oberlandesgerichte in der Düsseldorfer Tabelle festgesetzt wird, eine gesetzliche Regelung erfährt. Eine inhaltliche Änderung wird insofern vorgesehen, als die im Selbstbehalt enthaltenen pauschalen Wohnkosten an die regionalen Unterschiede angepasst werden sollen. Hierzu soll auf das Wohngeldgesetz verwiesen werden.
Das Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts soll nun zunächst zur öffentlichen Diskussion gestellt werden.
Linkhinweis:
Auf den Webseiten des BMJ finden Sie das Eckpunktepapier hier. Ein FAQ zu dem Papier ist hier abrufbar.
BMJ PM Nr. 53 vom 25.8.2023
1. Vorschläge für eine Reform des Kindesunterhalts
Die Vorschläge für eine Reform des Kindesunterhalts beziehen sich auf den Fall, dass beide Elternteile wesentliche Betreuungsleistungen erbringen, ohne sich die Betreuung exakt hälftig zu teilen. In solchen Fällen sollen die Unterhaltslasten fairer verteilt werden. Es soll erstmals klar geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Betreuungsleistung des mitbetreuenden Elternteils zur Senkung der Unterhaltslast führen kann.
Für die anderen Betreuungskonstellationen soll sich an der Verteilung der Unterhaltslasten nichts ändern. Alleinerziehende, die sich allein oder fast allein um ihr Kind kümmern, sind von den Vorschlägen nicht betroffen (sog. Residenzmodell). Auch für Eltern, die sich die Betreuung exakt hälftig teilen (sog. symmetrisches Wechselmodell) ändert sich nichts an der Verteilung der Unterhaltslasten. Hier gibt es bereits praktikable Lösungen. Auf das asymmetrische Betreuungsmodell ist das geltende Unterhaltungsrecht hingegen unzureichend eingestellt. Für die Unterhaltsverpflichtung des mitbetreuenden Elternteils macht es derzeit oft keinen Unterschied, dass er spürbare Betreuungsleistungen erbringt. Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich. Die hierdurch entstehende Rechtsunsicherheit ist nachteilig für alle Beteiligten; denn sie trägt zur Streitanfälligkeit des Unterhaltsrechts bei.
Das Eckpunktepapier schlägt klare gesetzliche Vorgaben dafür vor, wie die Unterhaltslasten im asymmetrischen Wechselmodell zu verteilen sind. Auch künftig soll es dabei ganz maßgeblich auf die Einkommensverhältnisse beider Elternteile ankommen: Wenn ein Elternteil mehr verdient als der andere, dann soll er auch künftig mehr Unterhaltslasten zu tragen haben. Ins Gewicht fallen soll allerdings auch die Verteilung der Betreuungslasten: Im asymmetrischen Wechselmodell soll künftig nicht nur die Betreuungslast des hauptbetreuenden Elternteils Berücksichtigung finden; ins Gewicht fallen soll auch, dass der mitbetreuende Elternteil sich substantiell in die Betreuung einbringt. Dabei kommt ein pauschalierender Ansatz zum Tragen. Streit über die exakte Höhe des Betreuungsanteils soll so vermieden werden. Die vorgeschlagene Methode zur Berechnung der Zahlungsverpflichtung des mitbetreuenden Elternteils wird im Eckpunktepapier erläutert.
Von einer Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell soll nach dem Eckpunktepapier ausgegangen werden, wenn der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteils mehr als 29 % beträgt. Ab dieser Schwelle soll die vorgeschlagene Neuregelung greifen. Berechnet werden soll der Betreuungsanteil anhand eines nachprüfbaren, objektiven Kriteriums, das auch in der Fachwelt akzeptiert ist: der Anzahl der Übernachtungen des Kinds beim jeweiligen Elternteil pro Jahr. Ab wie viel Übernachtungen pro Jahr die Schwelle zum asymmetrischen Wechselmodell überschritten wird, ist in der Anlage zum Eckpunktepapier näher erläutert. Eine Betreuung lediglich an jedem zweiten Wochenende und in der Hälfte der Schulferien reicht hierfür regelmäßig nicht aus.
Für das Residenzmodell und das symmetrische Wechselmodell sind Änderungen der Unterhaltsberechnung - wie dargelegt - nicht vorgesehen. Um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im symmetrischen Wechselmodell zu erleichtern, wird für diese Konstellationen allerdings eine neue Vertretungsregel vorgeschlagen: Jeder Elternteil soll das Kind im Verfahren vertreten können. Das bisher erforderliche vorgeschaltete Sorgerechtsverfahren würde dann nicht mehr erforderlich sein.
2. Angleichung des Betreuungsunterhalt verheirateter und nicht verheirateter Eltern
Neben der Änderung des Kindesunterhalts schlägt das Papier auch Änderungen im Betreuungsunterhalt vor. Betreuungsunterhalt ist der Unterhalt, den ein Elternteil dem anderen Elternteil zu erbringen hat, der wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes seine Erwerbstätigkeit aufgeben oder reduzieren muss. Das geltende Recht behandelt getrenntlebende Eltern beim Betreuungsunterhalt unterschiedlich - je nachdem, ob sie vor der Trennung verheiratet waren oder nicht. Bei vormals verheirateten Eltern richtet sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils auch danach, wie viel der nichtbetreuende Elternteil verdient. Bei Eltern, die nicht verheiratet waren, kommt es allein auf das Einkommen des betreuenden Elternteils an. Die Folge: Ein Elternteil, das vor der Trennung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem anderen Elternteil zusammengelebt und vom höheren Einkommen des Vaters profitiert hat, muss nach der Trennung eine abrupte Verschlechterung seines Lebensstandards fürchten.
Das Eckpunktepapier schlägt vor, dass für Eltern, die vor der Trennung in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, beim Betreuungsunterhalt die gleichen Regeln gelten wie für vormals verheiratete Paare. Dies wirkt sich vor allem dann aus, wenn der betreuende Elternteil schon vor der Geburt der Kinder über ein deutlich geringeres Einkommen verfügte. Aber auch betreuende Elternteile, die mit dem anderen Elternteil zusammengelebt haben, sollen beim Betreuungsunterhalt bessergestellt werden: Für den Mindestunterhalt des nichtverheirateten Elternteils soll ein höherer Referenzpunkt gesetzt werden.
3. Gesetzliche Regelung des notwendigen Selbstbehalts
Mit der Reform des Jahres 2007 wurde der Mindestunterhalt in Höhe des Existenzminimums der Kinder gesetzlich geregelt. Seither wird dieser alle zwei Jahre durch Verordnung der Entwicklung des steuerrechtlich freizustellenden Existenzminimums angepasst. Für den zahlungspflichtigen Elternteil existiert keine vergleichbare Regelung. Dies soll nun geändert werden, indem der sog. notwendige Selbstbehalt, der derzeit durch die Oberlandesgerichte in der Düsseldorfer Tabelle festgesetzt wird, eine gesetzliche Regelung erfährt. Eine inhaltliche Änderung wird insofern vorgesehen, als die im Selbstbehalt enthaltenen pauschalen Wohnkosten an die regionalen Unterschiede angepasst werden sollen. Hierzu soll auf das Wohngeldgesetz verwiesen werden.
Das Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts soll nun zunächst zur öffentlichen Diskussion gestellt werden.
Linkhinweis:
Auf den Webseiten des BMJ finden Sie das Eckpunktepapier hier. Ein FAQ zu dem Papier ist hier abrufbar.