BVerfG-Vorlage: Verfassungsrechtliche Zweifel an fehlender Regelung der Elternstellung gleichgeschlechtlicher Partner
OLG Celle v. 24.3.2021 - 21 UF 146/20
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerinnen leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind zwischenzeitlich verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, "Mit-Mutter" zu sein. Sie bekräftigte dort, "dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind übernehmen" wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.
Das zuständige Standesamt und das AG lehnten es nach der Geburt des Kindes unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese Mit-Mutterschaft festzustellen. Hiergegen wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer Beschwerde. Sie wollen erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als Mit-Mutter rechtlich anerkannt wird.
Das OLG hat das Verfahren ausgesetzt und dies verfassungsrechtliche Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Gründe:
Die begehrte Feststellung kann nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden. Nach § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiert gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der Mit-Mutter.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind die Gerichte gebunden und dürfen sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt der Senat mit der Auffassung des BGH überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird (BGH v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18). Im Gegensatz zur Auffassung des BGH geht das OLG jedoch davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer Mit-Mutterschaft die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Nach dieser Verfassungsnorm sind "die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht". Diese Verpflichtung beruht nach der Rechtsprechung des BVerfG darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.
Aus diesen Gesichtspunkten folgen nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern - in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzellenspende - auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese will im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen ist in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entsteht. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folgt zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle bringen durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen. Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern. Aus ebendiesen Gründen ist u.a. auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt.
Das OLG sieht nach alldem eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche Mit-Eltern gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Vergleichbare Fragen stellen sich i.Ü. auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten sind. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung war das OLG nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen.
OLG Celle PM vom 24.3.2021
Die Antragstellerinnen leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind zwischenzeitlich verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, "Mit-Mutter" zu sein. Sie bekräftigte dort, "dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind übernehmen" wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.
Das zuständige Standesamt und das AG lehnten es nach der Geburt des Kindes unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese Mit-Mutterschaft festzustellen. Hiergegen wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer Beschwerde. Sie wollen erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als Mit-Mutter rechtlich anerkannt wird.
Das OLG hat das Verfahren ausgesetzt und dies verfassungsrechtliche Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Gründe:
Die begehrte Feststellung kann nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden. Nach § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiert gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der Mit-Mutter.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind die Gerichte gebunden und dürfen sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt der Senat mit der Auffassung des BGH überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird (BGH v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18). Im Gegensatz zur Auffassung des BGH geht das OLG jedoch davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer Mit-Mutterschaft die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Nach dieser Verfassungsnorm sind "die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht". Diese Verpflichtung beruht nach der Rechtsprechung des BVerfG darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.
Aus diesen Gesichtspunkten folgen nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern - in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzellenspende - auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese will im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen ist in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entsteht. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folgt zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle bringen durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen. Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern. Aus ebendiesen Gründen ist u.a. auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt.
Das OLG sieht nach alldem eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche Mit-Eltern gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Vergleichbare Fragen stellen sich i.Ü. auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten sind. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung war das OLG nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen.