01.03.2021

Corona-Pandemie: Kampfkunstschule muss nicht die volle Miete zahlen

Die Risikozuweisung hier allein dem Mieter eines Gewerberaumes, in dem er eine Kampfkunstschule betreibt, aufzuerlegen, führt - selbst wenn die behördlichen Maßnahmen unvorhergesehen erfolgten und die Mieträume nunmehr nicht vertragsgemäß zu nutzen waren - zu untragbaren Ergebnissen. Insofern steht dem Anspruch auf Mietzahlung die Einrede auf Anpassung des Mietvertrages hinsichtlich der Miethöhe nach § 313 Abs. 1 BGB entgegen.

AG Oberhausen v. 6.10.2020 - 37 C 863/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger vermietete seit Februar 2015 Gewerberäume an die Beklagten, die dort eine Kampfkunstschule betrieben. Die monatliche Miete einschließlich des Betriebskostenvorschusses betrug zuletzt 600 €. Daneben zahlten die Beklagten einen einmaligen Mietkautionsbetrag i.H.v. 1.260 €. Das Mietverhältnis endete laut Vertrag am 31.1.2020. Der Vermieter räumte den Mietern allerdings ein Optionsrecht auf Verlängerung des Mietverhältnisses zu gleichen Konditionen um ein Jahr ein. Die Erklärung, das Optionsrecht auf Verlängerung bis 31.01.2021 ausüben, sollte beim Vermieter bis spätestens 31.7.2019 eingegangen sein. Am 9.2.2015 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag auf Grundlage derer die Beklagten sich bereit erklärten für die Errichtung einer Stellwand 600 € in Abzug von ihrer Kaution zu bringen.

Die Beklagten machten nicht ausdrücklich von ihrem Optionsrecht, den Mietvertrag zu verlängern, Gebrauch. Sie nutzten allerdings über den 31.1.2020 hinaus weiterhin die Räume. Am 18.3.2020 erklärten die Beklagten gegenüber dem Kläger schriftlich die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.4.2020. Der Kläger bestätigte den Eingang und verwies auf das Ende des Mietverhältnisses zum 30.9.2020. Auf Grund der herrschenden Corona-Pandemie verordnete das Land NRW die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten sowie Sportstätten und verhängte Kontaktverbote i.S.v. §§ 32, 28 IfSG iVm § 3 Nr. 4 CoronaSchVO in dem Zeitraum von Mitte März bis Mitte Juni 2020.

Den Mietzins für April entrichteten die Beklagten zunächst i.H.v. lediglich 60 €. Im Mai und Juni 2020 zahlten die Beklagten keine Miete an den Kläger. Am 4.5.2020 übergaben die Beklagten dem Kläger die Räume. Seit dem 1.7.2020 ist das Ladenlokal nunmehr neu vermietet.

Der Kläger verlangte von den Beklagten für Mai und Juni insgesamt 1.200 € Miete. Die Beklagten waren der Ansicht, für die Monate Mai und Juni stände ihnen nach Art.  240 § 1 Abs. 2 EGBGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu und der Anspruch auf Mietzinszahlung sei nicht durchsetzbar. Wegen des Leistungsverweigerungsrechts habe dem Kläger auch vor Erledigungserklärung kein Anspruch auf Entrichtung des Mietzinses für April, zugestanden. Im Übrigen sei die Geschäftsgrundlage weggefallen.

Das AG gab der Klage i.H.v. insgesamt 600 € statt und wies die Klage im Übrigen ab.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagten gem. § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete nebst Betriebskostenvorschuss für die Monate Mai und Juni 2020 i.H.v. insgesamt 600 € (jeweils 300 €). Der Anspruch ist dem Grunde nach entstanden, jedoch ist dieser in seiner Höhe anzupassen.

Zwar war das Mietverhältnis eigentlich mit Ablauf des 31.1.2020 beendet. Zwischen den Parteien war jedoch durch Vollzug, d.h. durch tatsächliche Nutzung konkludent ein unbefristetes Mietverhältnis ab dem 1.2.2020 inhaltlich zu den Konditionen des ursprünglichen Vertragsverhältnisses entstanden. Dieses Mietverhältnis ist auch nicht durch Kündigung vorzeitig beendet worden. Gemäß § 580a BGB ist bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs zulässig. Nach dieser Regelung kann nur zum 31.3., 30.6., 30.9 oder 31.12 eines Jahres gekündigt werden. Der genannte Termin, unter Angabe einer unzulässig kurzen Kündigungsfrist, hat zur Folge, dass die Kündigungswirkung zum nächstzulässigen Kündigungstermin, hier also dem 30.9.2020, erfolgt wäre.

Der Zahlungsanspruch ist ferner nicht gem. § 536 Abs.1 S.1 BGB erloschen oder nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert. Ein Mietmangel liegt mit Blick auf die Corona-Beschränkungen nämlich nicht vor. Die behördlichen Anordnungen stehen in keinem Zusammenhang mit der Beschaffenheit der angemieteten Gewerberäume. Unabhängig von den vertraglichen Regelungen kann grundsätzlich auch nicht von einer allgemein gültigen Einstandspflicht eines Vermieters gegenüber ihren Mietern im Falle einer plötzlich aufkommenden Pandemie ausgegangen werden.

Der Anspruch ist auch nicht wegen zeitweiser Unmöglichkeit der Nutzung der Mietsache nach §§ 275 I, 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen. Die Leistungspflicht der Beklagten ist aus den gleichen vorausgehenden Gründen nicht ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Nutzung der Mietsache ist lediglich begrenzt, begründet jedoch keine Situation, in der die Tauglichkeit der Mieträume insgesamt aufgehoben und schlechthin von niemandem genutzt werden kann. Denn die angeordneten Beschränkungen haben rein wirtschaftliche Auswirkungen für die Beklagten.

Dem Anspruch steht allerdings die Einrede auf Anpassung des Mietvertrages hinsichtlich der Miethöhe nach § 313 Abs. 1 BGB entgegen. Der Wille der Beklagten, den Vertrag hinsichtlich der Miethöhe anzupassen, findet darin Ausdruck, dass die Beklagten Bezug auf die Corona-Pandemie und den damit einhergehenden angeordneten Kontaktverboten genommen hatten. Hinzu kam, dass es sich bei den angeordneten Corona-Maßnahmen um offenkundige Tatsachen handelt, welche das Gericht aus diesem Grunde nicht vollends außer Acht lassen kann. Würde das Gericht das Vorbringen des Beklagten unberücksichtigt lassen, so könnte die Waffengleichheit zwischen den Parteien nicht gewahrt werden. Die Risikozuweisung hier allein den Beklagten aufzuerlegen, selbst wenn die behördlichen Maßnahmen unvorhergesehen erfolgten und die Mieträume nunmehr nicht vertragsgemäß zu nutzen waren, führt zu untragbaren Ergebnissen.
Justiz NRW
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