01.12.2023

"Dämliches Stück Hirn-Vakuum": Unzulässige Schmähkritik an Politikerin

Ein Facebook-Beitrag, in dem eine deutsche Politikerin als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" bezeichnet wird, stellt eine Schmähkritik dar, die nicht hingenommen werden muss. Bei dem Beitrag steht nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung und das grundlose Verächtlichmachen der Person im Vordergrund.

OLG Stuttgart v. 29.11.2023 - 4 U 58/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war u.a. als Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei und als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts tätig. Auf Twitter kritisierte sie Dieter Nuhr als Reaktion auf einen Beitrag in dessen Fernsehsendung "Nuhr im Ersten" und verwendete dabei u.a. die Worte "ignorant, dumm und uninformiert".

Hierzu nahm der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg auf Facebook Stellung. Unter dem Beitrag kommentierte der Beklagte: "Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen."

Die Klägerin ließ den Beklagten wegen dieses - mittlerweile gelöschten - Beitrags zunächst abmahnen und erhob sodann Klage auf Unterlassung und Schmerzensgeld. Der Beklagte macht geltend, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben.

Das LG wies die Klage vollumfänglich ab. Der Beitrag sei jedenfalls noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG dem Unterlassungsantrag statt. Hinsichtlich des Schmerzensgeldantrags blieb hatte die Berufung indes keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um eine Schmähkritik, für die der Beklagte haftet, weil er seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat, die die nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen lassen. Zudem ist der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass dieser den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, da er sich zunächst mehrfach von den Äußerungen distanziert, gleichzeitig den Beitrag aber damit verteidigt hat, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres (vom Beklagten näher beschriebenen) eigenen Verhaltens "fertig zu machen".

Zwar ist grundsätzlich bei der Annahme einer Schmähung Zurückhaltung geboten. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, weil bei seinem Beitrag nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und seine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat. Vielmehr geht es nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher.

Mit der Aussage auf dem Facebook-Nutzerkonto des Beklagten wird die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe "dämlich" und "Hirn-Vakuum" als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll ("abtauchen"). Es handelt sich um eine Äußerung, die durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs "Stück" (dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwertende und diffamierende Komponente enthält. Ein Mensch (oder dessen Teile) sind nicht als Stück zu bezeichnen, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG). Die Aussage steht zwar im Kontext der Beiträge der Klägerin und des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Brandenburg und knüpft damit äußerlich an eine - öffentlich geführte - Auseinandersetzung an; sie ist aber völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem die Klägerin nur persönlich beschimpft und angegangen wird. Auch wenn die Klägerin zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwendet hat - "ignorant, dumm und uninformiert" -, kann der unsägliche Kommentar des Beklagten nicht mehr als adäquate Reaktion auf das Vorverhalten der Klägerin angesehen werden.

Bei der Aussage "Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen" handelt es sich ebenfalls um ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Darin ist eine Herabsetzung von Immigranten zu sehen und der Klägerin angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Auch insoweit fehlt jeglicher Bezug zu der Diskussion um das Verhalten des Kabarettisten Dieter Nuhr, weshalb auch diese Aussage allein dazu dient, die Klägerin verächtlich zu machen.

Der geltend gemachte Geldentschädigungsanspruch besteht indes nicht. Trotz der eheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt es an dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorausgesetzten unabwendbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung, zumal die Klägerin selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst hat. Zudem wurde der streitgegenständliche Beitrag zeitnah gelöscht. Vor diesem Hintergrund ist der zugesprochene Unterlassungstitel ausreichend.

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OLG Stuttgart PM vom 29.11.2023
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