Eidesstattliche Versicherung nicht beigefügt: Keine Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen
BGH v. 20.9.2022 - VI ZB 27/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte legte gegen ein Urteil des LG vom 22.10.2021 fristgerecht Berufung ein. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.1.2022 verlängert worden war, ging die Berufungsbegründung vom 27.1.2022 am 28.1.2022 beim OLG ein. Am 10.2.2022 beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ließ dazu durch ihre Prozessbevollmächtigte ausführen, dass und aufgrund welcher Vorgänge in der Rechtsanwaltskanzlei die Versendung der Berufungsbegründung vorab per Telefax am 27.1.2022 versehentlich an das LG erfolgt sei. Sie verwies zum Beweis auf die informatorische Anhörung der Prozessbevollmächtigten sowie auf eidesstattliche Versicherungen der Prozessbevollmächtigten und deren Mitarbeiter gem. Anlagen A 1 bis A 3, die dem Antrag aber nicht beigefügt waren.
Mit Schreiben vom 15.2.2022 wies das OLG die Prozessbevollmächtigte der Beklagten darauf hin, dass die in Bezug genommenen Anlagen fehlten. Mit Beschluss vom 15.3.2022 wies es den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, weil die in dem Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen fehlten. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in dem Wiedereinsetzungsantrag den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung auch nicht anwaltlich versichert; ein einfacher Schriftsatz reiche für die Glaubhaftmachung nicht aus. Die angebotene Anhörung der Prozessbevollmächtigten sei gem. § 294 Abs. 2 ZPO unstatthaft. Mit Schriftsatz vom 16.3.2022 reichte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die im Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen nach.
Die gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beurteilung des OLG, die den Wiedereinsetzungsantrag tragenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Hierzu kann sich der Antragsteller gem. § 294 ZPO aller präsenten Beweismittel und der Versicherung an Eides statt bedienen. Vorliegend hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Tatsachen, die nach ihrer Ansicht die Wiedereinsetzung begründen sollen, weder bei der Antragstellung noch im Wiedereinsetzungsverfahren, das mit dem zurückweisenden Beschluss des OLG vom 15.3.2022 abgeschlossen worden ist, glaubhaft gemacht.
Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung sowie der eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter bedienen wollte, die sie dem Antrag als Anlagen beifügen wollte. Eine Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben eines Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf seine Standespflichten, die - für die eigenen Wahrnehmungen des Rechtsanwalts - grundsätzlich genügen würde, wurde dem eindeutigen Wortlaut des Antrags zufolge nicht angeboten. Der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten es versäumt hat, dem Antrag die eidesstattlichen Versicherungen beizufügen, erlaubt es nicht, in den Antrag eine anwaltliche Versicherung hineinzulesen.
So stellt es schon keine Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen dar, wenn ein Rechtsanwalt auf die "beiliegende" anwaltliche Versicherung Bezug nimmt, eine solche aber nicht beigefügt ist. Dies gilt erst recht, wenn nicht auf eine anwaltliche Versicherung, sondern auf eidesstattliche Versicherungen Bezug genommen wird, deren Beifügung versäumt worden ist. Denn es fehlt dann schon ersichtlich an dem Willen, sich des Mittels der anwaltlichen Versicherung überhaupt zu bedienen. Hinzu kommt, dass sich allein dem Antrag Inhalt und Umfang der Versicherung nicht entnehmen lassen; die Richtigkeit welcher Tatsachen versichert werden soll, ließe sich erst der - nicht beigefügten - eidesstattlichen Versicherung entnehmen.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Rechtsprechungsübersicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Norbert Vossler, MDR 2022, 612
Auch nachzulesen im Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Die Beklagte legte gegen ein Urteil des LG vom 22.10.2021 fristgerecht Berufung ein. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.1.2022 verlängert worden war, ging die Berufungsbegründung vom 27.1.2022 am 28.1.2022 beim OLG ein. Am 10.2.2022 beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und ließ dazu durch ihre Prozessbevollmächtigte ausführen, dass und aufgrund welcher Vorgänge in der Rechtsanwaltskanzlei die Versendung der Berufungsbegründung vorab per Telefax am 27.1.2022 versehentlich an das LG erfolgt sei. Sie verwies zum Beweis auf die informatorische Anhörung der Prozessbevollmächtigten sowie auf eidesstattliche Versicherungen der Prozessbevollmächtigten und deren Mitarbeiter gem. Anlagen A 1 bis A 3, die dem Antrag aber nicht beigefügt waren.
Mit Schreiben vom 15.2.2022 wies das OLG die Prozessbevollmächtigte der Beklagten darauf hin, dass die in Bezug genommenen Anlagen fehlten. Mit Beschluss vom 15.3.2022 wies es den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, weil die in dem Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen fehlten. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in dem Wiedereinsetzungsantrag den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung auch nicht anwaltlich versichert; ein einfacher Schriftsatz reiche für die Glaubhaftmachung nicht aus. Die angebotene Anhörung der Prozessbevollmächtigten sei gem. § 294 Abs. 2 ZPO unstatthaft. Mit Schriftsatz vom 16.3.2022 reichte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die im Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen nach.
Die gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beurteilung des OLG, die den Wiedereinsetzungsantrag tragenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, ist nicht zu beanstanden.
Gem. § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Hierzu kann sich der Antragsteller gem. § 294 ZPO aller präsenten Beweismittel und der Versicherung an Eides statt bedienen. Vorliegend hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Tatsachen, die nach ihrer Ansicht die Wiedereinsetzung begründen sollen, weder bei der Antragstellung noch im Wiedereinsetzungsverfahren, das mit dem zurückweisenden Beschluss des OLG vom 15.3.2022 abgeschlossen worden ist, glaubhaft gemacht.
Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung sowie der eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter bedienen wollte, die sie dem Antrag als Anlagen beifügen wollte. Eine Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben eines Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf seine Standespflichten, die - für die eigenen Wahrnehmungen des Rechtsanwalts - grundsätzlich genügen würde, wurde dem eindeutigen Wortlaut des Antrags zufolge nicht angeboten. Der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten es versäumt hat, dem Antrag die eidesstattlichen Versicherungen beizufügen, erlaubt es nicht, in den Antrag eine anwaltliche Versicherung hineinzulesen.
So stellt es schon keine Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen dar, wenn ein Rechtsanwalt auf die "beiliegende" anwaltliche Versicherung Bezug nimmt, eine solche aber nicht beigefügt ist. Dies gilt erst recht, wenn nicht auf eine anwaltliche Versicherung, sondern auf eidesstattliche Versicherungen Bezug genommen wird, deren Beifügung versäumt worden ist. Denn es fehlt dann schon ersichtlich an dem Willen, sich des Mittels der anwaltlichen Versicherung überhaupt zu bedienen. Hinzu kommt, dass sich allein dem Antrag Inhalt und Umfang der Versicherung nicht entnehmen lassen; die Richtigkeit welcher Tatsachen versichert werden soll, ließe sich erst der - nicht beigefügten - eidesstattlichen Versicherung entnehmen.
Aufsatz:
Rechtsprechungsübersicht zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Norbert Vossler, MDR 2022, 612
Auch nachzulesen im Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!