Eigentümerversammlung während der Pandemie durfte unter den Vorgaben der 2G-Regelung stattfinden
BGH v. 20.9.2024 - V ZR 123/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 5.7.2021 fassten die Eigentümer unter TOP 8a folgenden Beschluss:
"Abhaltung von Hybridversammlungen: Die Wohnungseigentümer sind damit einverstanden, dass Eigentümerversammlungen im Rahmen einer Hybridversammlung abgehalten werden können, für den Fall, dass Präsenzversammlungen nicht möglich sind."
Mit Schreiben vom 10.2.2022 lud die Verwalterin die Wohnungseigentümer für den 4.3.2022 zu einer Eigentümerversammlung ein. Die Einladung enthielt einen Hinweis auf die wegen der COVID-19-Pandemie (nachfolgend: Corona-Pandemie) geltenden "2G"-Regelungen. Die Klägerin zeigte der Verwalterin an, dass es ihr nach diesen Regelungen unmöglich sei, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen, und beantragte deren Absage. Die Eigentümerversammlung fand am 4.3.2022 statt. Es wurden mehrere Beschlüsse gefasst. Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage.
Das AG gab der Klage statt und stellte fest, dass die Beschlüsse nichtig sind. Das LG wies die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass die Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei geht das LG davon aus, dass die Verwalterin für die Eigentümerversammlung am 4.3.2022 die Einhaltung der während der Corona-Pandemie geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen beachten musste und deshalb zutreffend in der Ladung vom 10.2.2022 auf die "2G"-Regelung hingewiesen hat.
Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen Vorgaben von "2G" durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene). Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der "2G"-Regelung hinweisen. Die Abhaltung einer Eigentümerversammlung war auch dann ermessensgerecht, wenn einzelne Wohnungseigentümer mitteilten, die Vorgaben der "2G"-Regelung nicht zu erfüllen und deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein. Zwar ergibt sich aus der Mitgliedschaft in der GdWE das Recht jedes Wohnungseigentümers auf Teilnahme an der Versammlung. Das Recht auf Teilnahme in Präsenz gilt aber nicht unbeschränkt, sondern nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, zu denen die während der Corona-Pandemie geltenden Beschränkungen des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impf- bzw. Teststatus zählen.
Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten, zumal ein Verstoß gegen die Corona-Schutzvorschriften bußgeldbewehrt war, und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der "2G"-Regelung hinweisen. Die "2G"-Regelung stand der Einberufung der Eigentümerversammlung nicht entgegen. Die Wohnungseigentümer konnten sich vertreten lassen. Ohnehin konnte der Verwalter im Zeitpunkt der Ladung nicht wissen, ob die Wohnungseigentümer die "2G"-Vorgaben erfüllen oder nicht.
Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des LG, es liege ein Ladungsmangel vor, weil die Verwalterin für die Versammlung keine Online-Teilnahme angeboten hat. Es begründet keinen Ladungsmangel, dass die Verwalterin nicht in der Ladung vom 10.2.2022 auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hingewiesen hat. Der Verwalter muss, wenn ein Grundlagenbeschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gefasst worden ist, nicht bereits in der Ladung zur Eigentümerversammlung auf die Möglichkeit der Online-Teilnahme hinweisen und die dafür notwendigen technischen Details mitteilen.
Entgegen der Ansicht des LG sind die gefassten Beschlüsse auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Verwalterin der Klägerin nicht unaufgefordert eine Online-Teilnahme angeboten hat, nachdem diese mitgeteilt hat, sie könne nach den geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht an der Versammlung teilnehmen. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gestattet ist, muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann.
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Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). In der Eigentümerversammlung vom 5.7.2021 fassten die Eigentümer unter TOP 8a folgenden Beschluss:
"Abhaltung von Hybridversammlungen: Die Wohnungseigentümer sind damit einverstanden, dass Eigentümerversammlungen im Rahmen einer Hybridversammlung abgehalten werden können, für den Fall, dass Präsenzversammlungen nicht möglich sind."
Mit Schreiben vom 10.2.2022 lud die Verwalterin die Wohnungseigentümer für den 4.3.2022 zu einer Eigentümerversammlung ein. Die Einladung enthielt einen Hinweis auf die wegen der COVID-19-Pandemie (nachfolgend: Corona-Pandemie) geltenden "2G"-Regelungen. Die Klägerin zeigte der Verwalterin an, dass es ihr nach diesen Regelungen unmöglich sei, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen, und beantragte deren Absage. Die Eigentümerversammlung fand am 4.3.2022 statt. Es wurden mehrere Beschlüsse gefasst. Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage.
Das AG gab der Klage statt und stellte fest, dass die Beschlüsse nichtig sind. Das LG wies die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, dass die Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei geht das LG davon aus, dass die Verwalterin für die Eigentümerversammlung am 4.3.2022 die Einhaltung der während der Corona-Pandemie geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen beachten musste und deshalb zutreffend in der Ladung vom 10.2.2022 auf die "2G"-Regelung hingewiesen hat.
Unter den während der Corona-Pandemie zeitweise geltenden landesrechtlichen Vorgaben von "2G" durfte eine Eigentümerversammlung stattfinden (Zutritt nur für Geimpfte und Genesene). Der Verwalter musste die für die Versammlung geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben beachten und durfte dementsprechend in der Ladung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der "2G"-Regelung hinweisen. Die Abhaltung einer Eigentümerversammlung war auch dann ermessensgerecht, wenn einzelne Wohnungseigentümer mitteilten, die Vorgaben der "2G"-Regelung nicht zu erfüllen und deshalb an der Teilnahme gehindert zu sein. Zwar ergibt sich aus der Mitgliedschaft in der GdWE das Recht jedes Wohnungseigentümers auf Teilnahme an der Versammlung. Das Recht auf Teilnahme in Präsenz gilt aber nicht unbeschränkt, sondern nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, zu denen die während der Corona-Pandemie geltenden Beschränkungen des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impf- bzw. Teststatus zählen.
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Entgegen der Ansicht des LG sind die gefassten Beschlüsse auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Verwalterin der Klägerin nicht unaufgefordert eine Online-Teilnahme angeboten hat, nachdem diese mitgeteilt hat, sie könne nach den geltenden infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht an der Versammlung teilnehmen. Ein Wohnungseigentümer, dem die Online-Teilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG gestattet ist, muss aktiv von seinem Recht auf Online-Teilnahme Gebrauch machen. Der Verwalter kann dieses Verlangen abwarten und muss die Online-Teilnahme auch dann nicht von sich aus (vorsorglich) anbieten, wenn ein Wohnungseigentümer ihm mitteilt, dass er an der Versammlung nicht physisch teilnehmen kann.
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