"Ein für alle Male abgefunden" kann als Erbverzicht auszulegen sein
OLG Hamm 22.7.2014, 15 W 92/14Ein im Jahr 1991 im Alter von 62 Jahren verstorbener Familienvater war von seiner 1935 geborenen Ehefrau und seinen beiden Kindern, einer 1960 geborenen Tochter und einem 1972 geborenen Sohn, beerbt worden. Der väterliche Nachlass hatte einen Wert von 220.000 DM. Mit den Kindern schloss die Ehefrau im selben Jahr einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag. Danach erwarb der Sohn gegen Zahlung von insgesamt 100.000 DM den Erbteil seiner Schwester. In dem Vertrag hieß es u.a., die Schwester erkläre mit der Zahlung "vom elterlichen Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen ein für alle Male abgefunden" zu sein.
Im Jahr 2013 verstarb die Mutter, ohne ein Testament zu hinterlassen. Der Sohn beantragte daraufhin einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Dem trat seine Schwester allerdings mit der Begründung entgegen, sie sei gesetzliche Miterbin geworden, auf ihr Erbrecht nach ihrer Mutter habe sie im Jahr 1991 nicht verzichtet.
Das AG wies den Erbscheinsantrag zurück. Auf die Beschwerde des Sohnes hob das OLG den Beschluss auf und gab dem Antrag statt.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Erbscheins lagen vor. Der Sohn war alleiniger gesetzlicher Erbe nach der Erblasserin geworden.
Die Schwester hatte in dem 1991 abgeschlossenen Erbauseinandersetzungsvertrag auf ihr gesetzliches Erbe nach dem Tode ihrer Mutter verzichtet. Der Verzicht ergab sich aus der Vertragsbestimmung, nach der die Schwester nach Zahlung eines bestimmten Betrages "ein für alle Male abgefunden sei". Der Vertrag musste nicht ausdrücklich den Begriff "Erbverzicht" enthalten. Es ist in solchen Fällen vielmehr ausreichend, wenn sich der Verzichtswille aus dem Inhalt des Vertrages ergibt.
Hiervon war im vorliegenden Fall nach dem Vertragswortlaut auszugehen. Die in Frage stehende Vertragsbestimmung bezog sich auf das "elterliche Vermögen" und ließ so erkennen, dass nicht nur der väterliche Nachlass geregelt werden sollte. Die weiteren Formulierungen "unter Lebenden und von Todes wegen" sowie "ein für alle Male abgefunden", sprachen dafür, dass das Erbrecht nach Vater und Mutter endgültig geregelt werden sollte und dass die Schwester nach dem Tode der Mutter nichts mehr zu erwarten haben sollte. Dieses Verständnis musste selbst einem juristischen Laien klar vor Augen stehen.
Auch der weitere Vertragsinhalt ergab keine Anhaltspunkte für ein anderes Auslegungsergebnis. Der Vertrag enthielt vielmehr Regelungen zum Erbrecht des Sohnes nach dem Tode der Mutter, was dafür sprach, dass er auch das Erbrecht der Tochter insoweit regeln sollte. Abgesehen davon war den Vertragsbeteiligten klar, dass die an die Tochter zu leistenden Zahlungen aus dem elterlichen Vermögen bestritten werden würden - der noch in der Ausbildung befindliche Sohn aber nicht über die erforderlichen Geldmittel verfügte - und die Tochter im Ergebnis so stellte, als hätte sie ihren Erbanteil von ¼ nach dem Tode des Vaters nahezu verdoppelt.
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