Ein Notar darf sich bei Erstellung eines Nachlassverzeichnisses nicht allein auf die Angaben des Erben verlassen
OLG Celle v. 29.10.2020 - 6 U 34/20 u.a.
Der Sachverhalt:
Wurde ein Nachkomme, Elternteil oder Ehegatte eines Verstorbenen durch dessen Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ("enterbt"), so kann er von dem Erben einen sog. Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes verlangen, den er erhalten hätte, wenn er nicht enterbt worden wäre. Um diesen Anspruch geltend zu machen, muss ihm der tatsächliche Erbe Auskunft über den Nachlass erteilen. Nach § 2314 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Das OLG Celle hat zuletzt in zwei Entscheidungen konkretisiert, welche Ermittlungen der Notar dabei durchführen muss:
Im ersten Fall (OLG Celle v. 29.10.2020 - 6 U 34/20) hatte der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Sein pflichtteilsberechtigter Sohn verlangte von ihr - seiner Stiefmutter - ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein ihm von einem Notar im Auftrag der Erbin übergebenes Verzeichnis hielt er für nicht ausreichend, weil der Notar sich teilweise nur auf die Angaben der Erbin verlassen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt habe.
Das OLG hat ihm - wie zuvor bereits das LG - Recht gegeben und die Erbin zur Vorlage eines neuen notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt.
Die Gründe:
Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Deshalb muss der Notar den Bestand des Nachlasses eigenständig ermitteln. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein Pflichtteilsberechtigter allgemein für erforderlich halten würde.
Diesen Anforderungen ist der Notar bislang nicht gerecht geworden. Zu Bankguthaben, Wertpapierdepots und möglichen Steuerrückerstattungen hätte er selbst bei den in Betracht kommenden Banken und dem zuständigen Finanzamt nachfragen müssen. Unterlagen des Erblassers hätte er nach Anhaltspunkten für weitere Vermögensgegenstände durchsehen und auch den Inhalt eines Bankschließfachs selbst sichten müssen. Schenkungen, die der Erblasser vor seinem Tod vorgenommen hatte, hat der Notar nicht genügend aufgeklärt. Auch sonst sind verschiedene Angaben in dem Nachlassverzeichnis unvollständig. Schließlich besteht auch noch das Recht des Klägers, bei der Aufstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden.
+++
In dem zweiten Fall (OLG Celle v. 25.3.2021 - 6 U 74/20) hatte die verstorbene Mutter ihren Sohn zum alleinigen Erben eingesetzt. Die pflichtteilsberechtigte Tochter verlangte von diesem ein notarielles Nachlassverzeichnis. In dieses Verzeichnis nahm der Notar lediglich auf Angaben des Sohnes hin auf, dass nur zwei Bankkonten mit näher bezeichneten Guthaben vorhanden seien und der Sohn von seiner Mutter vor deren Tod eine Schenkung i.H.v. 50.000 € erhalten habe. Tatsächlich existierten aber zumindest vier weitere Konten bei derselben Bank, von denen die Tochter erst später Kenntnis erlangte. Sie verlangte deshalb die Vorlage eines neuen Nachlassverzeichnisses.
Das LG hatte die Klage zunächst abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben beide Geschwister den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das OLG die Rechtslage mit ihnen erörtert und der Sohn seine Schwester ermächtigt hatte, selbst Auskünfte bei der Bank einzuholen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das OLG beiden Geschwistern gleichermaßen auf.
Dies ist damit begründet, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis zwar unzureichend war, weil der Notar sich nur auf die Angaben des Sohnes verlassen und keine eigenen Nachforschungen angestellt hatte. Zumindest hätte er von sich aus bei der ihm bekannten Bank nach weiteren Konten nachfragen müssen. Andererseits waren diese Konten der Schwester zwischenzeitlich bekannt. Zudem hatte sie mit ihrer Klage Ermittlungen des Notars dazu erreichen wollen, ob sich aus Kontobewegungen Hinweise auf Schenkungen ergeben. Dieses Anliegen greift zu weit. Der Notar ist zwar möglicherweise verpflichtet gewesen, Kontoauszüge im Hinblick auf angegebene Verwendungszwecke oder Auffälligkeiten zu überprüfen. Er hätte solche Auffälligkeiten aber nicht inhaltlich daraufhin bewerten müssen, ob sie Hinweise auf Schenkungen enthalten.
Der Gebührenanspruch des Notars entsteht dabei erst mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses.
OLG Celle PM vom 17.5.2021
Wurde ein Nachkomme, Elternteil oder Ehegatte eines Verstorbenen durch dessen Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ("enterbt"), so kann er von dem Erben einen sog. Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes verlangen, den er erhalten hätte, wenn er nicht enterbt worden wäre. Um diesen Anspruch geltend zu machen, muss ihm der tatsächliche Erbe Auskunft über den Nachlass erteilen. Nach § 2314 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Das OLG Celle hat zuletzt in zwei Entscheidungen konkretisiert, welche Ermittlungen der Notar dabei durchführen muss:
Im ersten Fall (OLG Celle v. 29.10.2020 - 6 U 34/20) hatte der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt. Sein pflichtteilsberechtigter Sohn verlangte von ihr - seiner Stiefmutter - ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein ihm von einem Notar im Auftrag der Erbin übergebenes Verzeichnis hielt er für nicht ausreichend, weil der Notar sich teilweise nur auf die Angaben der Erbin verlassen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt habe.
Das OLG hat ihm - wie zuvor bereits das LG - Recht gegeben und die Erbin zur Vorlage eines neuen notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt.
Die Gründe:
Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Deshalb muss der Notar den Bestand des Nachlasses eigenständig ermitteln. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein Pflichtteilsberechtigter allgemein für erforderlich halten würde.
Diesen Anforderungen ist der Notar bislang nicht gerecht geworden. Zu Bankguthaben, Wertpapierdepots und möglichen Steuerrückerstattungen hätte er selbst bei den in Betracht kommenden Banken und dem zuständigen Finanzamt nachfragen müssen. Unterlagen des Erblassers hätte er nach Anhaltspunkten für weitere Vermögensgegenstände durchsehen und auch den Inhalt eines Bankschließfachs selbst sichten müssen. Schenkungen, die der Erblasser vor seinem Tod vorgenommen hatte, hat der Notar nicht genügend aufgeklärt. Auch sonst sind verschiedene Angaben in dem Nachlassverzeichnis unvollständig. Schließlich besteht auch noch das Recht des Klägers, bei der Aufstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden.
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In dem zweiten Fall (OLG Celle v. 25.3.2021 - 6 U 74/20) hatte die verstorbene Mutter ihren Sohn zum alleinigen Erben eingesetzt. Die pflichtteilsberechtigte Tochter verlangte von diesem ein notarielles Nachlassverzeichnis. In dieses Verzeichnis nahm der Notar lediglich auf Angaben des Sohnes hin auf, dass nur zwei Bankkonten mit näher bezeichneten Guthaben vorhanden seien und der Sohn von seiner Mutter vor deren Tod eine Schenkung i.H.v. 50.000 € erhalten habe. Tatsächlich existierten aber zumindest vier weitere Konten bei derselben Bank, von denen die Tochter erst später Kenntnis erlangte. Sie verlangte deshalb die Vorlage eines neuen Nachlassverzeichnisses.
Das LG hatte die Klage zunächst abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben beide Geschwister den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem das OLG die Rechtslage mit ihnen erörtert und der Sohn seine Schwester ermächtigt hatte, selbst Auskünfte bei der Bank einzuholen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das OLG beiden Geschwistern gleichermaßen auf.
Dies ist damit begründet, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis zwar unzureichend war, weil der Notar sich nur auf die Angaben des Sohnes verlassen und keine eigenen Nachforschungen angestellt hatte. Zumindest hätte er von sich aus bei der ihm bekannten Bank nach weiteren Konten nachfragen müssen. Andererseits waren diese Konten der Schwester zwischenzeitlich bekannt. Zudem hatte sie mit ihrer Klage Ermittlungen des Notars dazu erreichen wollen, ob sich aus Kontobewegungen Hinweise auf Schenkungen ergeben. Dieses Anliegen greift zu weit. Der Notar ist zwar möglicherweise verpflichtet gewesen, Kontoauszüge im Hinblick auf angegebene Verwendungszwecke oder Auffälligkeiten zu überprüfen. Er hätte solche Auffälligkeiten aber nicht inhaltlich daraufhin bewerten müssen, ob sie Hinweise auf Schenkungen enthalten.
Der Gebührenanspruch des Notars entsteht dabei erst mit der ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses.