30.08.2023

Ermittlung zulässiger Miete i.S.v. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB

Zulässige Miete i.S.v. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB ist die sich nach den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) ergebende Miete. Die zulässige Miete kann sich auch aus einer Anwendung der Vorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, mithin nach der in dem vorangegangenen Mietverhältnis geschuldeten Vormiete zu bemessen sein.

BGH v. 19.7.2023 - VIII ZR 229/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Juli 2017 Mieter einer 38,39 m² großen Wohnung der Beklagten in Berlin, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015, in Kraft getreten am 1.6.2015, in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt i.S.v. § 556d Abs. 1, 2 BGB liegt. Die Nettokaltmiete betrug zunächst 460 € (11,98 €/m²), wobei die Parteien eine Indexmiete vereinbart hatten. Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 255,29 € (6,65 €/m²).

In dem vorherigen Mietverhältnis war gemäß Mietvertrag vom 16.6.2015 eine Nettokaltmiete von 422 € (10,99 €/m²) vereinbart worden. Zuvor hatte die Beklagte die streitgegenständliche Wohnung seit März 2014 zu einer Nettokaltmiete von 380 € vermietet (Vor-Vormiete), was nach angegebener Wohnfläche von "ca. 38 m²" einem Quadratmeterpreis von 10 € entsprach.

Am 24.4.2021 rügte der Kläger gem. § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und forderte von der Beklagten die Herabsetzung der Miete ab Mai 2021. Er war der Ansicht, die nach den Regelungen in §§ 556d ff. BGB zulässige Miete bis 31.10.2021 betrage 280,82 €. Seit dem 1.11.2021 betrage sie - infolge einer Indexmieterhöhung - 296,27 €.

Der Kläger hat gerichtlich die Feststellung begehrt, dass er nicht verpflichtet sei, mehr als 296,27 € Nettokaltmiete zu bezahlen. Zudem stehe ihm ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete zu. Die Beklagte hat widerklagend u.a. die Feststellung begehrt, dass der Kläger ab November 2021 eine Nettokaltmiete i.H.v. monatlich 405,01 € zu zahlen habe.

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil abgeändert, die Klage abgewiesen und festgestellt, dass der Kläger ab November 2021 zur Zahlung einer monatlichen Nettokaltmiete von 400,90 € verpflichtet ist. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Zu Recht hat das LG angenommen, dass eine Vereinbarung über eine nach den Vorschriften der §§ 556d ff. BGB unzulässig hohe Miete gem. § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB in der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich zehn Prozent (§ 556d Abs. 1 BGB) oder - sollte diese höher sein - in Höhe der Vormiete (§ 556e Abs. 1 BGB) wirksam und nur der die zulässige Miete überschreitende Teil der Vereinbarung unwirksam ist. Denn eine nach § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB zulässige Miete kann sich auch aus der Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, mithin nach der in dem vorangegangenen Mietverhältnis geschuldeten Vormiete zu bemessen sein.

Geschuldete Vormiete i.S.d. § 556e Abs. 1 BGB ist bei einem Vormietverhältnis, das ebenfalls bereits den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) unterlag, die Miete, die nach diesen Vorschriften zulässig gewesen ist. War die ursprünglich vereinbarte Vormiete demnach unzulässig überhöht, ist als geschuldete Vormiete die gem. § 556g Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen. Die Regelung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn eine ursprünglich vertraglich vereinbarte Vormiete nach den auf das Vormietverhältnis bereits anwendbaren Vorschriften der §§ 556d ff. BGB überhöht war und sich die für das Vormietverhältnis zulässige Miete ihrerseits aus § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt (Vor-Vormiete).

Infolgedessen betrug die nach den Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe zulässige Miete zu Vertragsbeginn entsprechend der gem. § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB i.V.m. § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldeten Vormiete auf Grund der in dieser Höhe wirksam vereinbarten Vor-Vormiete 380 € monatlich. Nach den rechtsfehlerfreien und im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhöhte sich die Miete November 2021 aufgrund der vereinbarten Indexmiete auf 400,90 €. Der dementsprechende vom Berufungsgericht getroffene Feststellungsausspruch, dass die ab November 2021 geschuldete Miete 400,90 € monatlich betrage, erfolgte demnach rechtsfehlerfrei.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Markus Artz
Rechtsprechungsübersicht zum Wohnraummietrecht 2022
MDR 2023, 819

Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht für Praktiker. Jetzt topaktuell mit Beiträgen u.a.: Übersicht zu den neuen §§ 5 u. 6a HeizkostenV - Teil I, Wohnungseigentum - praktische Fragen zur Eintragung von Beschlüssen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!

Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Online-Aktualisierungen im Erman BGB; Updates im Zöller ZPO. Zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Zurück