06.12.2023

EuGH-Vorlage zur Auslegung des Begriffs "planmäßige Abflugzeit"

Steht bei einer einheitlichen Buchung mehrerer Flüge (hier: eines Hin- und eines Rückflugs) die Annullierung eines Teilflugs (hier: des Rückflugs) der Annullierung des gesamten Fluges gleich mit der Folge, dass für die Berechnung der Fristen für die Ausnahmen von der Pflicht zur Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechte-Verordnung bereits auf die "planmäßige Abflugzeit" des ersten Teilflugs (Hinflugs) abzustellen ist? Das Gericht erachtet die Vorlagefrage für erheblich.

AG Düsseldorf v. 7.9.2023 - 21 C 192/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verfügte über eine bestätigte Buchung für die Flüge der Beklagten am 4.6.2022 von Düsseldorf nach Anchialos (Griechenland) mit Abflug um 7:35 Uhr Ortszeit und den Rückflug am 18.6.2022 mit Abflug um 12:15 Uhr Ortszeit. Am Abend des 3.6.2022 erhielt die Klägerin die Mitteilung per E-Mail, dass der Rückflug annulliert worden sei. Über die Servicehotline der Beklagten erfuhr die Klägerin, dass eine Teilerstattung vorgenommen worden sei und der Vorgang damit erledigt sei. Eine Ersatzbeförderung wurde nicht angeboten und an der Beschaffung auch nicht mitgewirkt.

Eine Direktverbindung anderer Fluglinien für den geplanten Rückflug war nicht gegeben. Die Klägerin organisierte ihre Rückreise über einen noch am Abend des 3.6.2022 gebuchten Flug von Anchialos nach München (Condor) und einen weiteren von München nach Düsseldorf (Lufthansa) selbst. Nachdem die Beklagte die Kosten der Ersatzbeförderung für den annullierten Flug anerkannt und insoweit durch Teil-Anerkenntnisurteil verurteilt worden war, musste in der Hauptsache nur noch über  die von der Klägerin begehrte Ausgleichszahlung 400 € entschieden werden.

Die Klägerin war der Ansicht, der Rückflug könne nicht als Einzelleistung betrachtet werden. Nur einen Hinflug oder nur einen Rückflug habe sie gerade nicht buchen wollen. Beide Flüge seien Teil einer einheitlichen Buchung und folglich auch Gegenstand eines einheitlichen Vertrages. Der Antritt der Reise ohne die Möglichkeit eines rechtzeitigen Rückfluges sei nicht zumutbar gewesen. Die Beklagte berief sich darauf, dass die Klägerin rechtzeitig i.S.d. Fluggastrechte-Verordnung über die Annullierung informiert worden sei.

Das AG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Gründe:
Stellt man für die planmäßige Abflugzeit nach Art. 5 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechte-Verordnung auf den für den 18.6.2022 geplanten Rückflug ab, schuldet die Beklagte keine Ausgleichszahlung, weil die Klägerin am 3.6.2022 rechtzeitig im Rahmen der Frist von Art. 5 Abs. 1 lit. c) i) der Fluggastrechte-Verordnung über die Annullierung informiert hätte. Für eine Annullierung eines einheitlichen Fluges mit planmäßigem Abflug am 4.6.2021 wäre die Annullierung am 3.6.2022 hingegen nicht rechtzeitig gewesen und eine Ausgleichszahlung zu leisten.

Soweit ersichtlich ist die Rechtsfrage bislang noch nicht entschieden worden. Zwar hat der EuGH in der Sache Schenkel/Emirates (10.7.2008 - C-173/07; ebenso: EuGH 13.10.2011 − C-83/10 - Sousa Rodríguez/Air France; EuGH 22.6.2016 - C-255/15, - Mennens/Emirates) entschieden, dass der Begriff "Flug" i.S.d. Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass er nicht auf den Fall einer als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückreise (also einer "Rundreise" i.S.d. Art. 1 MÜ) anwendbar ist. Vorliegend geht es aber nicht um die Auslegung des Begriffs "Flug" in Art. 3 Abs. 1 a) der Fluggastrechte-Verordnung, sondern um die Auslegung des Begriffs "planmäßige Abflugzeit" in Art 5 Abs. 1 c) der Fluggastrechte-Verordnung.

Durch die Annullierung eines Rückfluges wird unter Umständen die gesamte Flugplanung des Fluggastes in Frage gestellt, da es dem Fluggast nicht möglich bzw. zumutbar ist, einen Flug anzutreten, wenn Durchführung der Gesamtplanung kurz vor Antritt der Reise geändert werden muss. Die Beeinträchtigungen des Fluggastes entsprechen denjenigen eines kurzfristig annullierten oder erheblich verspäteten Fluges.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2021
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 65

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