13.12.2024

Fehlende Sorgfalt bei Sicherung einer Unfallstelle - Polizist trägt Mitschuld am eigenen Tod

Halten sich Polizisten nach Sicherung einer Unfallstelle noch knapp eine halbe Stunde nach einem vorausgegangenen Unfallereignis am Rand der linken Fahrbahn einer Autobahn auf dem ca. 70 cm breiten Zwischenstreifen zwischen dem Fahrbahnrand und der auf dem Mittelstreifen befindlichen Betonschutzwand auf, ohne den herannahenden Verkehr ausreichend zu beobachten und sich hinter die Betonschutzwände zu begeben, und werden sie deshalb tragisches Opfer eines weiteren Verkehrsunfalls, trifft sie eine Mitschuld.

OLG Frankfurt a.M. v. 5.12.2024 - 15 U 104/22
Der Sachverhalt:
Auf der Autobahn A4 war es bei Kirchheim zu einem Verkehrsunfall gekommen. Ein involviertes Fahrzeug blieb dabei auf dem linken von drei Fahrstreifen liegen, Trümmerteile befanden sich auf den beiden anderen Spuren. Drei sich auf dem Heimweg befindliche Bundespolizisten passierten die Unfallstelle und entschlossen sich, anzuhalten, um die Unfallstelle abzusichern.

Etwa 30 Minuten später und nachdem die beiden rechten Fahrspuren vom Verkehr wieder befahren werden konnten - kollidierte der mit einem PKW die dritte Fahrspur der A4 fahrende Beklagte frontal mit einem der drei sich auf dem Zwischenstreifen befindlichen Polizisten. Der Polizeibeamte wurde durch diesen Verkehrsunfall getötet. Nachfolgend kollidierte der Beklagte mit den beiden weiteren Beamten, die - teilweise - erheblich verletzt wurden. Der Beklagte wurde später wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Die klagende Bundesrepublik Deutschland begehrte daraufhin Ersatz der von ihr an die Hinterbliebenen erbrachten Leistungen i.H.v. knapp 350.000 €. Ausgehend von der vollständigen Haftung des beklagten Fahrers hat das LG der Klage i.H.v. rund 210.000 € stattgegeben. Die Klageabweisung bezog sich auf Leistungsteile, die das LG als nicht auf die klagende Bundesrepublik übergegangen angesehen hatte. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagtenseite war vor dem OLG teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Zwar haften die Beklagten (Fahrer, Versicherer und Halter) grundsätzlich für die unfallbedingten Schäden. Die Haftung beschränkt sich im vorliegenden Fall allerdings auf 2/3. Die geschädigten Beamten hatten sich nämlich als Fußgänger im Bereich der Fahrbahn der A4 verkehrswidrig verhalten und dadurch eine nicht unerhebliche Schadensursache gesetzt.

Das nur in Ausnahmefällen zulässige Betreten einer Autobahn darf nur mit höchstmöglicher Sorgfalt und so kurz wie möglich erfolgen. Hier hatten sich die Beamten fahrlässig selbst gefährdet, als sie sich noch knapp eine halbe Stunde nach dem Unfallereignis auf dem linken Seitentreifen befanden, ohne den herannahenden Verkehr zumindest sorgfältig zu beobachten und ohne angemessen auf diesen Verkehr zu reagieren. Aus den Zeugenaussagen war zu entnehmen, dass die linke Fahrspur unmittelbar vor dem Unfall über mehrere 100 Meter komplett frei gewesen und vom Wetter her gut einsehbar gewesen war.

Ein Zeuge hatte auch angegeben, dass zwei dunkle Fahrzeuge am Ende der Fahrspur zu erkennen gewesen waren, die ziemlich schnell und hintereinander an den anderen Fahrzeugen vorgefahren sind. Damit war davon auszugehen, dass bei aufmerksamer Beobachtung des herannahenden Verkehrs eine rechtzeitige Reaktion aller drei Beamten - etwa durch das Überklettern der die beiden Fahrbahnen trennenden und ca. 92 cm hohen Betonschutzwände - möglich gewesen war und der Unfall hätte vermieden werden können. Infolgedessen konnte bei der Bewertung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge von einer Haftung von 1/3 auf Seiten der handelnden Beamten und zu 2/3 von den Beklagten ausgegangen werden.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Häufung typischer Umstände
OLG Hamm vom 16.10.2023 - 20 U 156/23
VersR 2024, 935

Rechtsprechung:
Nachweis eines versicherten Unfalls in der Kfz-Kaskoversicherung
OLG Karlsruhe vom 15.10.2024 - 12 U 12/24

Aufsatz:
Aktuelle Entwicklungen im zivilprozessualen Beweisrecht
Holger Jäckel, MDR 2024, 688

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OLG Frankfurt a.M. - Pressemitteilung v. 12.12.2024
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