Frau-Mann Transsexueller gilt als rechtlicher Vater eines ehelichen Kindes
OLG Schleswig-Holstein v. 4.7.2024 - 2 Wx 11/24
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 2) hatte am 24.7.2015 eine Lebenspartnerschaft mit Frau K. S. begründet. Der Name der Beteiligten zu 2) "T." war zum Lebenspartnerschaftsnamen bestimmt worden, so dass Frau K.S. fortan K.T. hieß. Am 13.7.2017 war das Geschlecht der Frau K. T. gerichtlich von weiblich in männlich und der Vorname von K. in O. geändert worden. Die Beteiligte zu 2) und der Antragsteller (O.T.) hatten am 20.04.2023 bei bestehender Lebenspartnerschaft die Ehe geschlossen. Am 9.10.2023 brachte die Beteiligte zu 2) ein Kind zur Welt. Die Schwangerschaft war durch eine Samenspende ermöglicht worden. Der Samenspender gab keine rechtlichen Erklärungen bezogen auf die Vaterschaft des Kindes ab.
Später hat der Antragsteller beantragt, das Standesamt anzuweisen, bei ihn gem. § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des oben genannten Kindes einzutragen. Das Standesamt hat sich daraufhin im Rahmen einer Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG an das AG gewandt. Das AG hat das Standesamt angewiesen, bei der Eintragung des Kindes den Antragsteller als Vater einzutragen. Denn nach § 1592 Nr. 1 BGB sei Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet sei. Bei der Geburt sei die Kindesmutter mit dem Antragsteller, einem Mann, verheiratet gewesen. Demnach sei gem. § 1592 Nr. 1 BGB der Antragsteller als Ehemann der Mutter der Vater des Kindes und gem. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG im Geburtenregister einzutragen.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Standesamtes zurückgewiesen
Die Gründe:
Das AG hat das Standesamt zu Recht angewiesen, bei der Beurkundung der Geburt des betroffenen Kindes den Antragsteller als Vater des betroffenen Kindes einzutragen.
Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes war die Beteiligte zu 2) mit dem Antragsteller verheiratet. Die Entscheidung zur Änderung des Geschlechtes und des Vornamens nach dem TSG war bereits wirksam, so dass der Antragsteller als Mann anzusehen war. Gem. § 1592 Nr. 1 BGB ist der Antragsteller damit Vater des betroffenen Kindes. Etwas anderes ergab sich auch nicht aus § 11 TSG. Dieser war vorliegend schon nach seinem Wortlaut nicht einschlägig.
Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass ein mit der Mutter des Kindes verheirateter Frau-Mann Transsexueller beantragt, als Vater eines Kindes gem. § 1592 Nr.1 BGB eingetragen zu werden, hatte der Gesetzgeber zum Entstehungszeitpunkt des § 11 TSG nicht vor Augen. Als gesetzliche Voraussetzung für die Änderung des Geschlechts galt damals gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG (außer Kraft seit dem 22.7.2009), dass eine transsexuelle Person nicht verheiratet sein durfte. Demnach konnte der damalige Gesetzgeber im Jahr 1980 nicht voraussehen, dass die hiesige Konstellation, nämlich der gewünschte Vaterschaftseintrag nach § 1592 Nr. 1 BGB eines mit einer Frau verheirateten Frau-Mann Transsexuellen, eintreten könnte. Somit konnte der Gesetzgeber mit der Formulierung "seine" Kinder nur die leiblichen Kinder des Transsexuellen vor Augen haben, da die Vaterschaftseintragung gem. § 1592 Nr. 1 BGB aufgrund der verbotenen Eheschließung nicht in Betracht kam.
Der Regelungsbedarf ist auch durch den Gesetzgeber erkannt worden, wie sich an der über den vorliegenden Fall weit hinausreichenden Neufassung des § 11 TSG ergibt, wonach ab dem 1.11.2024 im § 11 SBGG (Selbstbestimmungsgesetz) das Eltern-Kind-Verhältnis wie folgt geregelt sein wird:
"Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ist für das nach den §§ 1591 und 1592 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern unerheblich. Für das nach § 1592 Nummer 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern ist ihr Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgeblich, es sei denn, sie hat im Rahmen der Beurkundung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt erklärt, dass ihr Geschlechtseintrag vor Abgabe der Erklärung gemäß § 2 maßgeblich sein soll."
Dies verdeutlicht noch einmal mehr, dass der Gesetzgeber des § 11 TSG die Möglichkeit der Vaterschaftseintragung lediglich aufgrund von § 1592 BGB nicht "mitgedacht" hatte.
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Landesregierung Schleswig-Holstein
Die Beteiligte zu 2) hatte am 24.7.2015 eine Lebenspartnerschaft mit Frau K. S. begründet. Der Name der Beteiligten zu 2) "T." war zum Lebenspartnerschaftsnamen bestimmt worden, so dass Frau K.S. fortan K.T. hieß. Am 13.7.2017 war das Geschlecht der Frau K. T. gerichtlich von weiblich in männlich und der Vorname von K. in O. geändert worden. Die Beteiligte zu 2) und der Antragsteller (O.T.) hatten am 20.04.2023 bei bestehender Lebenspartnerschaft die Ehe geschlossen. Am 9.10.2023 brachte die Beteiligte zu 2) ein Kind zur Welt. Die Schwangerschaft war durch eine Samenspende ermöglicht worden. Der Samenspender gab keine rechtlichen Erklärungen bezogen auf die Vaterschaft des Kindes ab.
Später hat der Antragsteller beantragt, das Standesamt anzuweisen, bei ihn gem. § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des oben genannten Kindes einzutragen. Das Standesamt hat sich daraufhin im Rahmen einer Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PStG an das AG gewandt. Das AG hat das Standesamt angewiesen, bei der Eintragung des Kindes den Antragsteller als Vater einzutragen. Denn nach § 1592 Nr. 1 BGB sei Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet sei. Bei der Geburt sei die Kindesmutter mit dem Antragsteller, einem Mann, verheiratet gewesen. Demnach sei gem. § 1592 Nr. 1 BGB der Antragsteller als Ehemann der Mutter der Vater des Kindes und gem. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG im Geburtenregister einzutragen.
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Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes war die Beteiligte zu 2) mit dem Antragsteller verheiratet. Die Entscheidung zur Änderung des Geschlechtes und des Vornamens nach dem TSG war bereits wirksam, so dass der Antragsteller als Mann anzusehen war. Gem. § 1592 Nr. 1 BGB ist der Antragsteller damit Vater des betroffenen Kindes. Etwas anderes ergab sich auch nicht aus § 11 TSG. Dieser war vorliegend schon nach seinem Wortlaut nicht einschlägig.
Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass ein mit der Mutter des Kindes verheirateter Frau-Mann Transsexueller beantragt, als Vater eines Kindes gem. § 1592 Nr.1 BGB eingetragen zu werden, hatte der Gesetzgeber zum Entstehungszeitpunkt des § 11 TSG nicht vor Augen. Als gesetzliche Voraussetzung für die Änderung des Geschlechts galt damals gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG (außer Kraft seit dem 22.7.2009), dass eine transsexuelle Person nicht verheiratet sein durfte. Demnach konnte der damalige Gesetzgeber im Jahr 1980 nicht voraussehen, dass die hiesige Konstellation, nämlich der gewünschte Vaterschaftseintrag nach § 1592 Nr. 1 BGB eines mit einer Frau verheirateten Frau-Mann Transsexuellen, eintreten könnte. Somit konnte der Gesetzgeber mit der Formulierung "seine" Kinder nur die leiblichen Kinder des Transsexuellen vor Augen haben, da die Vaterschaftseintragung gem. § 1592 Nr. 1 BGB aufgrund der verbotenen Eheschließung nicht in Betracht kam.
Der Regelungsbedarf ist auch durch den Gesetzgeber erkannt worden, wie sich an der über den vorliegenden Fall weit hinausreichenden Neufassung des § 11 TSG ergibt, wonach ab dem 1.11.2024 im § 11 SBGG (Selbstbestimmungsgesetz) das Eltern-Kind-Verhältnis wie folgt geregelt sein wird:
"Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ist für das nach den §§ 1591 und 1592 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern unerheblich. Für das nach § 1592 Nummer 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern ist ihr Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgeblich, es sei denn, sie hat im Rahmen der Beurkundung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt erklärt, dass ihr Geschlechtseintrag vor Abgabe der Erklärung gemäß § 2 maßgeblich sein soll."
Dies verdeutlicht noch einmal mehr, dass der Gesetzgeber des § 11 TSG die Möglichkeit der Vaterschaftseintragung lediglich aufgrund von § 1592 BGB nicht "mitgedacht" hatte.
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