21.08.2023

Fristwahrende Begründung der wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage: Gericht muss Einhaltung von Amts wegen prüfen

Grundsätzlich kann nur ein vor Fristablauf eingegangener, mit einer Unterschrift versehener Schriftsatz die Frist zur Begründung der wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage wahren. Die Wahrung der Begründungsfrist der Anfechtungsklage unterliegt nicht der Parteidisposition, sondern ist von Amts wegen zu prüfen. Ob die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage gewahrt ist, kann das Gericht im Freibeweisverfahren klären.

BGH v. 23.6.2023 - V ZR 28/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Am 15.6.2019 fand eine Eigentümerversammlung statt. Gegen dort gefasste Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12.7.2019 eingegangenen Anfechtungsklage. Das unterzeichnete Original des sechzehn Seiten umfassenden Begründungs-Schriftsatzes ist am 16.8.2019 beim AG eingegangen. In der Akte befindet sich zudem die erste Seite des Klagebegründungsschriftsatzes, die am 15.8.2019 per Telefax bei dem Gericht eingegangen ist.

Das AG gab der Klage statt. Auch die hiergegen gerichtete Berufung blieb erfolglos: Das Berufungsgericht meint, die Begründung der Anfechtungsklage sei innerhalb der zweimonatigen Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF beim AG eingegangen. Es könne dahinstehen, ob die Einhaltung der Frist im Wege des Freibeweises geklärt werden könne, da es einer Beweiserhebung nicht bedürfe, weil zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die sechzehn Seiten umfassende Klagebegründungsschrift am 15.8.2019 an das Telefax-Gerät des AG übermittelt und auf diesem gespeichert worden sei.

Der BGH hat der Revision stattgegeben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Gründe:
Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Einhaltung der Frist zur Begründung der nach § 48 Abs. 5 WEG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF zutreffend gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Anfechtungsklage nicht bejaht werden.

Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach grundsätzlich nur ein vor Fristablauf eingegangener, mit einer Unterschrift versehener Schriftsatz die Frist zur Begründung der wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage wahren kann.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Begründungsfrist sei eingehalten, beruht jedoch auf einem Rechtsfehler. Richtig ist zwar, dass es für die Einhaltung der Begründungsfrist nicht darauf ankommt, ob bis zum Fristablauf eine ausgedruckte Version des per Telefax übermittelten Schriftsatzes vorliegt. Wird ein Schriftsatz per Telefax übersandt, kommt es für die Rechtzeitigkeit seines Eingangs allein darauf an, ob er bei Ablauf des letzten Tages der Frist - hier also am 15.8.2019 bis 24:00 Uhr - von dem Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen ist.

Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber eigene Feststellungen über den Zeitpunkt des Eingangs der Klagebegründung unterlassen. Die Wahrung der Begründungsfrist einer wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage unterliegt nicht der Parteidisposition, sondern ist von Amts wegen zu prüfen.

Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen prüfen müssen, ob der vollständige Klagebegründungsschriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. Dies hat es nicht getan und daher auch keine darauf bezogenen Feststellungen getroffen. Da das Eingreifen der Ausschlussfrist von Amts wegen zu berücksichtigen ist, ist dieser Verfahrensfehler im Revisionsverfahren auch ohne entsprechende Rüge zu prüfen.

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird zu klären haben, ob die Klagebegründungsschrift fristgemäß eingegangen ist.

Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Ob die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF bzw. § 45 Satz 1 WEG) gewahrt ist, kann das Gericht im Freibeweisverfahren klären.

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