26.08.2024

Gefährdungshaftung bei Kollision von abgestellten Fahrzeugen auf einem Autozugtransport

Der Begriff "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" i.S.v. § 7 StVG ist weit zu fassen. Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt hat. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird.

OLG Schleswig-Holstein v. 31.7.2024 - 7 U 48/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin (eine GmbH) verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Pkws während der Fahrt auf einem Autozug nach Sylt (Sylt-Shuttle).

Am 24.8.2022 wurde der Pkw der Klägerin (Mercedes-Benz) in Niebüll auf den Autozug nach Westerland (Sylt) verladen. Entsprechend einer Lautsprecherdurchsage der DB als Betreiberin der Zugverbindung war im klägerischen Fahrzeug die Handbremse angezogen und ein Gang eingelegt. Hinter diesem Pkw stand ein Mercedes Sprinter mit französischen Kennzeichen. Dieser Sprinter wurde von DB-Mitarbeitern vor der Fahrt angegurtet. Während des ersten Abschnitts der Fahrt des Zuges nach Sylt kam es zweimal dazu, dass nach einem Anfahren und Abstoppen des Zuges der Sprinter von hinten gegen das klägerische Fahrzeug stieß, die Gurte waren gerissen. Am Klägerfahrzeug entstand ein Schaden i.H.v. ca. 20.000 €.

Die Beklagte war der Ansicht, die straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung für das Kraftfahrzeug greife nicht, weil dieses lediglich wie eine Ware auf dem Zug transportiert worden sei.

Das LG gab der Klage gem. §§ 7,17 StVG in vollem Umfang statt. Das Merkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" sei entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Versicherung. Die Klage sei zwingend deshalb abzuweisen, weil sich der Schaden nicht beim Betrieb gemäß § 7 Abs. 1 StVG ereignet habe. Der Bahntransport gehöre nicht mehr zum Betrieb des Sprinters. Der Sprinter sei bloßes Ladegut gewesen. Er habe angegurtet auf dem Zug gestanden. Es sei unerheblich, dass sich der Fahrer weiter im Wagen befunden habe. Nicht das Kraftfahrzeug habe den Fahrer befördert, sondern der Zug. Die Klägerin hätte deshalb ihre Ansprüche gegenüber dem Halter des Zuges geltend machen müssen.

Das OLG hat in einer Hinweis-Verfügung der Beklagten geraten, die Rücknahme ihrer Berufung in Erwägung zu ziehen. Die Beklagte hat daraufhin ihre Berufung zurückgenommen. Die Entscheidung des LG zur Haftung der Beklagten aus §§ 7 I STVG, 115 VVG ist damit rechtskräftig geworden.

Die Gründe:
Bei der Neufassung des § 7 Abs. 1 StVG zum 1.8.2002 hat sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung des "Betriebsbegriffs" - abweichend von der engen maschinentechnischen Auffassung des Reichsgerichts- von der verkehrstechnischen Auffassung leiten lassen. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es erforderlich, den Begriff "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" weit zu fassen. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung eigentlich nicht "im Betrieb" sind.

Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt (vgl. BGH v. 11.2.2020 - VI ZR 286/19 - "Der umgewehte Auflieger"). Denn § 7 Abs. 1 StVG beschränkt die Einstandspflicht nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass der in Rede stehende Schaden allein durch ein Fahrzeug verursacht werden können müsste. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Keine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG bei Brand eines abgestellten Fahrzeugs aus ungeklärter Ursache
OLG Bremen vom 5.7.2023 - 1 U 12/23
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BGH vom 7.2.2023 - VI ZR 87/22
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