28.01.2021

Geldentschädigung für verzerrte Darstellung einer Person auf Wikipedia

Die verzerrte Darstellung einer Person in Beiträgen bei Wikipedia, die eine innere Logik und Nachvollziehbarkeit nicht erkennen lässt, kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen und eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden nach sich ziehen. Abwertendes Material darf bei Wikipedia nur dann Verwendung finden, wenn es wegen "eindeutiger Relevanz für den Artikel" unumgänglich erscheint.

LG Koblenz v. 14.1.2021, 9 O 80/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Komponist, politischer Autor und Verfasser völkerrechtlicher Arbeiten. Der Beklagte verfasst seit Jahren regelmäßig Beiträge für die Online-Enzyklopädie Wikipedia und ist maßgeblicher Editor des Wikipedia-Artikels des Klägers. Hierbei fiel der Beklagte in den letzten 15 Jahren durch tendenziöse Bearbeitungen von Einträgen zum Nahost-Konflikt auf, weshalb er auch schon vor dem LG Hamburg verklagt wurde. Dieses hat festgestellt, dass der Beklagte mindestens in zwei Fällen zu Unrecht nachteilige Veränderungen an den Beiträgen zu bestimmten Person vorgenommen hatte, die geeignet waren, diese in ein negatives Licht zu rücken und den Maßstab der Objektivität verlassen hätten. Auch Politiker der Partei "Die Linke" und bekannte jüdische Persönlichkeiten waren hiervon betroffen.

Der Beklagte behauptete in dem Artikel, den er zu dem Kläger mitverfasst hat, dass der Kläger als "isländischer Hauptvertreter des Antizionismus bzw. als isländischer Hauptverfechter antiisraelischer und antiamerikanischer Theorien" gelte. Tatsächlich gilt der Kläger in keiner öffentlichen Meinung als ein "Hauptvertreter/Hauptverfechter". In Island gilt er in erster Linie als Komponist und Friedensaktivist. Weiterhin schrieb der Beklagte, dass der Kläger das Komponieren konzertanter Musik endgültig aufgegeben und sich Übungsstücken für Kinder gewidmet habe. Er behauptete weiter, dass der Kläger Komponist von Übungsstücken für den Musikunterricht sei.

Tatsächlich gab der Kläger das Komponieren konzertanter Musik nie auf. Er komponierte auch nie Übungsstücke für Kinder. Seine Sammlungen leichter Stücke für Klavier, Streicher, Bläser und Gitarre sind zwar dafür bestimmt, Musikschüler in ihren ersten Unterrichtsjahren künstlerisch anzuregen, es handelt sich jedoch nicht um "Übungsstücke". Die entsprechenden Stücke werden in der Fachpresse positiv rezensiert und werden oft auf Schülerkonzerten aufgeführt. Auch behauptete der Beklagte, dass ein bestimmtes Werk des Klägers für das Musiktheater nie aufgeführt worden sei, welches tatsächlich jedoch aufgeführt wurde.

Weiterhin schrieb der Beklagte, dass der Kläger behaupte, dass es sich bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt von 2016 um einen "Fake" handele, es sei gar kein Lastwagen in die Menschen gefahren. Auch dies stellte sich als falsch heraus. Allerdings erlitt der Kläger dadurch schwerwiegende Nachteile in seinem geschäftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und persönlichen Ansehen. So kam es wegen dieses Artikels zu Absagen von Anwälten, Bibliotheken und Unternehmen.

Das LG Koblenz hat dem Kläger eine Geldentschädigung i.H.v. 8.000 € zugesprochen. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Beklagte hat den Kläger in dessen Persönlichkeitsrecht in schwerer Weise schuldhaft verletzt. Infolgedessen hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Geldersatz für immaterielle Schäden.

Zwar ist ein Artikel in Wikipedia hinzunehmen, wenn die betroffene Person, so wie der Kläger als Autor, selbst aktiv den Diskurs in der Öffentlichkeit sucht. In diesem Fall ist auch grundsätzlich hinzunehmen, dass Tatsachen erwähnt werden, die den Betroffenen in ein negatives Licht stellen. Nicht hinzunehmen sind jedoch unzutreffende Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall (Darstellung der Kläger habe die Komposition konzertanter Musik aufgegeben, ein bestimmtes Werk sei nie uraufgeführt worden und er habe den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt als "Fake" bezeichnet).

Weiterhin nicht hinzunehmen sind bewusst einseitige und negativ verzerrende Darstellungen, die eine innere Logik und Nachvollziehbarkeit nicht erkennen lassen. Der Betroffene kann insofern verlangen, dass Darstellung und Gewichtung sich nach sachlichen Kriterien richten. Nach den eigenen internen Vorgaben von Wikipedia dürfen Veränderungen von Artikeln und biografischen Informationen zudem nicht in "böser Absicht" erfolgen. Bei abwertendem Material darf dieses nur dann Verwendung finden, wenn dies wegen "eindeutiger Relevanz für den Artikel" unumgänglich erscheint.

Bei einer Gesamtbetrachtung der Beiträge des Beklagten konnte diese als bewusst einseitig und negativ verzerrend angesehen werden. Eine innere Logik und Nachvollziehbarkeit vermochte das Gericht ebenso wenig wie sachliche Kriterien hierfür zu erkennen. Sämtliche Behauptungen haben vielmehr gemein, dass sie den Kläger in ein negatives Licht rückten und dies nach Ansicht des Gerichts auch beabsichtigten. In ihrer Gesamtheit stellten die Einträge somit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar.
LG Koblenz Pressemitteilung vom 28.1.2020
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