05.11.2024

Gewaltexzess von Ordner kann nicht automatisch dem Konzertveranstalter zugerechnet werden

Die Begehung einer vorsätzlichen Körperverletzung durch eine von einem örtlichen Verein für eine Konzertveranstaltung beauftragte Sicherheitskraft steht nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit, wenn diese ohne ersichtlichen Grund oder Provokation erfolgt und auch ein außenstehender Beobachter die Tätigkeit nicht als Teil der übertragenen Aufgabe auffasst.

OLG Frankfurt a.M. v. 16.10.2024 - 9 U 85/22
Der Sachverhalt:
Beim Beklagten zu 2) handelt es sich um einen Sportverein, der jährlich am Abend des 1. Weihnachtstages in einem Gemeindezentrum den sog. "Weihnachtsrock" veranstaltet. Dabei tritt eine Rockband auf und es wird Eintritt verlangt. Im Jahr 2011 hatte der Beklagte zu 2) von der Gemeinde die Auflage erhalten, durch Sicherung des Zugangs und Überwachung der Ordnung im Saal die Sicherheit beim Konzert zu gewährleisten. Hierfür heuerte der Beklagte zu 2) über das Vereinsmitglied A. dessen Schwager B. an, der Erfahrung im Sicherheitsbereich hatte. Dieser rekrutierte den C. und den D. als weitere Sicherheitskräfte für die Veranstaltung. Eine Bezahlung erhielten die Sicherheitskräfte nicht, aber Freigetränke und eine Einladung zu einem späteren Helferfest.

Am 26.12.2011 gegen 2:55 Uhr war der zu diesem Zeitpunkt 24-jährige Kläger auf dem neben dem Gemeindezentrum befindlichen Parkplatz in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt, deren Einzelheiten im Wesentlichen streitig blieben. Die Schlägerei war indes beendet, als die zur Hilfe gerufenen Personen eintrafen. Ebenfalls im Ausgangspunkt unstreitig war, dass der D. und der Beklagte zu 1) den Kläger mit einem Axtstiel in der Hand wahrgenommen hatten. Der Beklagte zu 1) fixierte den Kläger daraufhin am Kofferraum eines parkenden Pkw, während der D. diesem den Axtstiel abnahm. Streitig blieb, ob und in welchem Umfang der Beklagte zu 1) hierbei Gewalt angewandt hatte. Am Ende des Geschehens lag der Kläger am Boden. Er erlitt einen Schädelbasisbruch mit Schädelhirntrauma 3. Grades und Hirnblutungen.

Das AG hat den Beklagten zu 1) später wegen der hier streitgegenständlichen Tat wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Kläger hat im anschließenden Zivilprozess behauptet, der Beklagte zu 1) sei vom Beklagten zu 2) als Sicherheitskraft für die Veranstaltung engagiert gewesen und gegenüber den Besuchern der Veranstaltung als Türsteher aufgetreten. Er hat u.a. beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 91.132 € sowie eines angemessenen Schmerzensgeldes zu verurteilen.

Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 35.933 € sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 78.400 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Klage gegen den Beklagten zu 2) insgesamt abgewiesen.

Die Gründe:
Zunächst bestanden - womit sich das LG nicht auseinandergesetzt hatte - keine vertraglichen Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 2). Zwar war als Hilfsperson des B., der seinerseits Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 2) war, damit auch der Beklagten zu 1) Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 2). Allerdings war die Körperverletzung des Beklagten zu 1) zulasten des Klägers dem Beklagten zu 2) nicht gem. § 278 BGB zuzurechnen, da sie nicht in Erfüllung der Verbindlichkeit des Beklagten zu 2) erfolgt war. Im Streitfall war der innere Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beklagten zu 1) als Sicherheitskraft in Bezug auf den Kläger in dem Moment beendet, in dem dieser entwaffnet war und lediglich dastand, während sich der Beklagte zu 1) in eine weitere Auseinandersetzung begab.

Hieraus folgt eine kurze, aber doch deutliche Zäsur im Geschehen. Denn es bedurfte eines neuen Tatentschlusses, nochmals auf den ein Stück entfernt stehenden, nicht aggressiven Kläger zuzutreten und diesem ohne ersichtlichen Grund oder Provokation einen Stoß vor die Brust zu versetzen. Der Stoß war damit insbesondere nicht mehr Teil der allgemeinen Gemengelage im Zusammenhang mit der Auflösung der vermeintlichen Schlägerei, sondern erfolgte - auch aus Sicht eines außenstehenden Betrachters - losgelöst von der dem Beklagten zu 1) übertragenen Aufgabe, die Sicherheit der Veranstaltung zu gewährleisten.

Entgegen der Auffassung des LG bestand auch kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwar wäre der Beklagte zu 1) bei unterstelltem Einsatz als Sicherheitskraft Verrichtungsgehilfe des Beklagten zu 2) gewesen. Die Verletzung des Klägers erfolgte aber nicht in Ausführung der Verrichtung. Jedenfalls konnte der Beklagte zu 2) - anders als das LG meinte - den Entlastungsbeweis gem. § 831 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB führen. Danach scheidet eine Haftung auch in den Fällen aus, in denen es der Geschäftsherr an der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl und Überwachung hat fehlen lassen, wenn feststeht, dass der Schaden auch bei sorgfältigem Verhalten eingetreten wäre.

Hierunter fallen insbesondere die Fälle, in denen der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung seiner Gehilfen zwar nachlässig gewesen ist, die Unfähigkeit oder Unzuverlässigkeit des Gehilfen jedoch auch bei Aufbietung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte erkannt werden können. Der Geschäftsherr hat daher den Nachweis zu führen, dass auch ein sorgfältiger Geschäftsherr nach den Informationen, die er eingeholt hätte, den Bestellten ausgewählt hätte. Und der Beklagte zu 2) hat unbestritten vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Veranstaltung über Erfahrung als Türsteher verfügte und nicht vorbestraft war. Darauf abzustellen, dass es sich um eine besonders gefahrträchtige und verantwortungsvolle Tätigkeit gehandelt habe und der Beklagte zu 1) daher nicht nur auf Sachkunde, sondern auch auf persönliche und moralische Eigenschaften hätte geprüft werden müssen, erschien überzogen.

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