Gewerblicher Fahrzeughändler haftet für Mängel an sog. "Bastelfahrzeug"
OLG Stuttgart v. 17.8.2023 - 2 U 41/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte am 17.2.2018 nach vorangegangener Probefahrt vom Beklagten, einem gewerblichen Fahrzeughändler, für 4.900 € ein gebrauchtes Auto, Erstzulassung 8/1999, mit einer Laufleistung von 157.690 km gekauft. Der Kaufvertrag enthielt folgenden Passus:
"Das Fahrzeug wird als Bastelfahrzeug gebraucht und [in] altersgemäßem Zustand verkauft. Der Käufer hat das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren. Er hat den vorgefundenen Zustand akzeptiert."
Aufgrund von Mängelrügen der Klägerin befand sich das Fahrzeug daraufhin drei Mal in der Werkstatt des Beklagten. Dieser tauschte u.a. Zündspulen aus und reinigte den Luftmassenmesser. Mit Anwaltsschreiben vom 24.8.2018 trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 19.9.2018 wies der Beklagte die Rücktrittserklärung als unbegründet zurück.
Im Rahmen einer Begutachtung wurde eine Zündkerze des dritten Zylinders ersetzt. Für das Gutachten entstanden insgesamt Kosten i.H.v. 1.873 €. Daraufhin hat die Klägerin den Kaufvertrag vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Das LG hat der Klage i.H.v. 4.450 € stattgegeben, nachdem ein gerichtlicher Gutachter Zündaussetzer und Leistungseinbrüche beim Beschleunigen bestätigt und als Ursache Beschädigungen an den Zündkerzen ausgemacht hatte, die auf Montagefehlern und nicht auf Verschleiß beruhten. Den Klageantrag auf Ausgleich der Gutachterkosten i.H.v. 1.873 € sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492 € hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klägerin einen Ausgleich der Gutachterkosten sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Gutachterkosten zu. Der Beklagte hatte seine Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt. Die Gutachterkosten waren die adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung. Die Beauftragung des Gutachters war aus Sicht der Klägerin auch erforderlich.
Der Kläger war zur Nacherfüllung gem. §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, 439 BGB verpflichtet. Die Gewährleistung war gerade nicht ausgeschlossen. Der Einwand mit dem vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss war nicht begründet. Es handelte sich um einen Verbrauchsgüterkauf und bei einem solchen sind gewährleistungsbeschränkende Vereinbarungen vor Mitteilung eines Mangels unzulässig (§ 476 Abs. 1 BGB). Als Gewährleistungsausschluss unwirksam war damit der Passus im Kaufvertrag, wonach die Klägerin das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren und den vorgefundenen Zustand akzeptiert habe, denn derartige Klauseln sind keine Beschaffenheits- oder Zustandsbeschreibungen, sondern beschränken die Gewährleistung. Gleiches galt im Ergebnis für die Bezeichnung des Fahrzeugs als "Bastelfahrzeug".
Zwar verbleibt auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs gem. § 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 BGB erhalten. Es ist somit ohne weiteres möglich, einen Gegenstand "zum Basteln" zu verkaufen und auf diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen. Entscheidend ist aber nicht der Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien. Die bloße Bezeichnung eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Käufer verkauften Gebrauchtwagens als "Bastlerfahrzeug" führt deshalb nicht zu einem Ausschluss der Mängelhaftung des Verkäufers, wenn der Käufer aufgrund der sonstigen Angaben des Verkäufers und des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszwecks von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen darf.
Die Gutachterkosten waren somit als adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung zu ersetzen. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, 3 BGB gegenüber dem Beklagten auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Der Beklagte hatte seine Verpflichtung zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt, denn auch nach den von ihm vorgenommenen Maßnahmen war das Fahrzeug weiterhin mangelhaft. Ein einfach gelagerter Fall, bei dem die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts aus der ex-ante-Sicht weder erforderlich noch zweckmäßig wäre, lag nicht vor. Hiergegen sprach bereits der Umstand, dass zwischen den Parteien streitig war, ob überhaupt ein Mangel vorlag.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin hatte am 17.2.2018 nach vorangegangener Probefahrt vom Beklagten, einem gewerblichen Fahrzeughändler, für 4.900 € ein gebrauchtes Auto, Erstzulassung 8/1999, mit einer Laufleistung von 157.690 km gekauft. Der Kaufvertrag enthielt folgenden Passus:
"Das Fahrzeug wird als Bastelfahrzeug gebraucht und [in] altersgemäßem Zustand verkauft. Der Käufer hat das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren. Er hat den vorgefundenen Zustand akzeptiert."
Aufgrund von Mängelrügen der Klägerin befand sich das Fahrzeug daraufhin drei Mal in der Werkstatt des Beklagten. Dieser tauschte u.a. Zündspulen aus und reinigte den Luftmassenmesser. Mit Anwaltsschreiben vom 24.8.2018 trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 19.9.2018 wies der Beklagte die Rücktrittserklärung als unbegründet zurück.
Im Rahmen einer Begutachtung wurde eine Zündkerze des dritten Zylinders ersetzt. Für das Gutachten entstanden insgesamt Kosten i.H.v. 1.873 €. Daraufhin hat die Klägerin den Kaufvertrag vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Das LG hat der Klage i.H.v. 4.450 € stattgegeben, nachdem ein gerichtlicher Gutachter Zündaussetzer und Leistungseinbrüche beim Beschleunigen bestätigt und als Ursache Beschädigungen an den Zündkerzen ausgemacht hatte, die auf Montagefehlern und nicht auf Verschleiß beruhten. Den Klageantrag auf Ausgleich der Gutachterkosten i.H.v. 1.873 € sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492 € hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klägerin einen Ausgleich der Gutachterkosten sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Gutachterkosten zu. Der Beklagte hatte seine Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt. Die Gutachterkosten waren die adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung. Die Beauftragung des Gutachters war aus Sicht der Klägerin auch erforderlich.
Der Kläger war zur Nacherfüllung gem. §§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, 439 BGB verpflichtet. Die Gewährleistung war gerade nicht ausgeschlossen. Der Einwand mit dem vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss war nicht begründet. Es handelte sich um einen Verbrauchsgüterkauf und bei einem solchen sind gewährleistungsbeschränkende Vereinbarungen vor Mitteilung eines Mangels unzulässig (§ 476 Abs. 1 BGB). Als Gewährleistungsausschluss unwirksam war damit der Passus im Kaufvertrag, wonach die Klägerin das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren und den vorgefundenen Zustand akzeptiert habe, denn derartige Klauseln sind keine Beschaffenheits- oder Zustandsbeschreibungen, sondern beschränken die Gewährleistung. Gleiches galt im Ergebnis für die Bezeichnung des Fahrzeugs als "Bastelfahrzeug".
Zwar verbleibt auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs gem. § 434 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 BGB erhalten. Es ist somit ohne weiteres möglich, einen Gegenstand "zum Basteln" zu verkaufen und auf diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen. Entscheidend ist aber nicht der Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien. Die bloße Bezeichnung eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Käufer verkauften Gebrauchtwagens als "Bastlerfahrzeug" führt deshalb nicht zu einem Ausschluss der Mängelhaftung des Verkäufers, wenn der Käufer aufgrund der sonstigen Angaben des Verkäufers und des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszwecks von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen darf.
Die Gutachterkosten waren somit als adäquat-kausale Folge dieser Pflichtverletzung zu ersetzen. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, 3 BGB gegenüber dem Beklagten auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Der Beklagte hatte seine Verpflichtung zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt, denn auch nach den von ihm vorgenommenen Maßnahmen war das Fahrzeug weiterhin mangelhaft. Ein einfach gelagerter Fall, bei dem die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts aus der ex-ante-Sicht weder erforderlich noch zweckmäßig wäre, lag nicht vor. Hiergegen sprach bereits der Umstand, dass zwischen den Parteien streitig war, ob überhaupt ein Mangel vorlag.
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