08.01.2025

Haftung für Verkehrsunfall bei Schwarzfahrt mit nicht angemeldetem Fahrzeug

Auch bei einer "erzwungenen" Probefahrt kann es sich um eine Schwarzfahrt handeln, bei der gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 StVG die Haftung des Halters (gesamtschuldnerisch neben der des unbefugten Benutzers) fortbesteht, wenn der Halter die unbefugte Fahrzeugbenutzung schuldhaft ermöglicht hat. Jemand, der sich selbst als "Motormaniac" bezeichnet, sollte in der Lage sein, die Bedeutung der an einem Auto montierten Kurzzeitkennzeichen, die inzwischen abgelaufen sind, zu erkennen.

LG Lübeck v. 18.12.2024, 10 O 191/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger beabsichtigte, sein Fahrzeug Audi S5 Coupé zu verkaufen. Das Fahrzeug war zuvor aus Dubai importiert worden und in Deutschland nicht angemeldet. Der Kläger hatte es jedoch mit Kurzzeitkennzeichen versehen, die bis zum 7.8.2023 galten. Er bot das Fahrzeug bei zwei Online-Portalen an. Am 21.8.2023 meldete sich der Beklagte telefonisch beim Kläger und äußerte sein Interesse an dem Fahrzeug. Die Parteien vereinbarten ein Treffen am Wohnort des Klägers, wo das Fahrzeug auf einem Parkplatz stand, noch am selben Tag. Der Beklagte inspizierte das Fahrzeug, setzte sich dann auf den Fahrersitz und fuhr vom Parkplatz in den öffentlichen Straßenverkehr.

Auf einer Bundesstraße kollidierte der Beklagte mit einem Opel Astra. Durch den Unfall entstand an beiden Fahrzeugen ein wirtschaftlicher Totalschaden. Zudem verletzte sich der Fahrer des Opel Astra. Der Kläger ersetzte dem Halter des Fahrzeugs den Schaden (Gesamtkosten: 3.763,20 Euro). Die Krankenkasse des Verletzten Fahrers nahm den Kläger zudem wegen Kosten für den Rettungswagen in Höhe von 1.245,87 Euro in Anspruch. Außerdem zahlte der Kläger an den Verletzten 300 € Schmerzensgeld. Für den Audi des Klägers wurde ein Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 10.678 € ermittelt. Das Auto hat er inzwischen für 4.000 € weiterverkauft.

Der Kläger behauptete, er habe den Beklagten während des Telefonats darauf hingewiesen, dass der Audi nicht angemeldet sei und daher nicht zur Probe gefahren werden könne. Er habe dem Beklagten bei der anschließenden Fahrzeugbesichtigung auch keine Probefahrt gestattet. Der Beklagte widersprach dem. Ohne die Möglichkeit einer Probefahrt habe der Beklagte das Auto nicht kaufen wollen.

Das AG hat den Beklagten per Versäumnisurteil dazu verpflichtet, an den Kläger 16.850 € sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.063 € zu zahlen. Auf Einspruch des Beklagten hat das LG das Versäumnisurteil weitestgehend aufrechterhalten, den Betrag aber auf 14.172 € reduziert.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten zunächst einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich i.H.v. 4.063 € wegen der Regulierung der Schäden am Opel und des vom Fahrer des Opel erlittenen immateriellen Schadens sowie auf Freihaltung von den von der Krankenkasse verauslagten Kosten für den Rettungswagen gem. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kfz verpflichtet, dem Verletzten seinen Schaden zu ersetzen, wenn bei dem Betrieb seines Kfz eine Sache beschädigt oder der Körper eines Menschen verletzt wird. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG ist in den Fällen des § 7 Abs. 1 StVG auch der Führer des Kfz zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Halter und Fahrer haften somit als Gesamtschuldner. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte die Alleinschuld an dem Verkehrsunfall trägt.

Auch im Innenverhältnis zwischen dem Kläger als Halter des Fahrzeugs und dem Beklagten als dessen Fahrer haftet der Beklagte allein. Anders als bei gewerblichen Fahrzeugverkäufern ist bei Probefahrten mit Fahrzeugen, die von Privatleuten zum Verkauf angeboten werden, nicht von einer stillschweigenden Haftungsbeschränkung auf Fälle grober Fahrlässigkeit auszugehen. Überdies hatte der Beklagte den Verkehrsunfall (mind.) grob fahrlässig verursacht. Schließlich handelte es sich um eine "erzwungene" Probefahrt, mithin um eine Schwarzfahrt, bei der gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 StVG zwar die Haftung des Halters (gesamtschuldnerisch neben der des unbefugten Benutzers) fortbesteht, wenn der Halter die unbefugte Fahrzeugbenutzung schuldhaft ermöglicht hat. Betrachtet man jedoch den weiteren Umstand, dass der Beklagte die Fahrt gegen die ausdrückliche Anweisung des Klägers unternommen hatte, konnte an dessen alleiniger Haftung im Ergebnis kein Zweifel bestehen.

Der Kläger hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Zahlung von 12.787 € wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs Audi S5 gem. § 823 Abs. 1 BGB. Den Kläger traf kein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BGB. Er hatte es nicht unterlassen, den Beklagten auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Beklagte weder kannte noch kennen musste. Insbesondere hatte der Kläger dem Beklagten sein Fahrzeug nicht für eine Probefahrt überlassen, da dieses für den öffentlichen Straßenverkehr nicht zugelassen und nicht versichert war. Der Beklagte hatte sich selbst als "Motormaniac" bezeichnet. Als ein solcher Liebhaber und Sammler von Automobilen musste er selbst die Bedeutung der am Audi S5 montierten Kurzzeitkennzeichen, die inzwischen abgelaufen waren, erkannt haben.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Nachweis eines versicherten Unfalls in der Kfz-Kaskoversicherung
OLG Karlsruhe vom 15.10.2024 - 12 U 12/24

Aufsatz:
Aktuelle Entwicklungen im zivilprozessualen Beweisrecht
Holger Jäckel, MDR 2024, 688

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