Herausgabe einer in einer iranischen Heiratsurkunde vereinbarten sog. Brautgabe
OLG Celle v. 25.9.2020 - 10 WF 107/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten haben beide ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit und sind nicht als politische Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Sie haben am 29.8.2014 im Iran vor einem Notariat für Eheschließungen geheiratet, leben aber mittlerweile getrennt. Ein Scheidungsverfahren, das der Senat beigezogen hat, ist seit Juni 2019 beim AG anhängig.
Der Antragsgegner hatte sich anlässlich der Eheschließung in der Heiratsurkunde u.a. verpflichtet, der Antragstellerin 124 iranische Goldmünzen Yek Bahar Azadi zu schenken. Die Antragstellerin hat am 3.7.2017 einen von der Organisation für die Registrierung von Urkunden und Immobilien ausgestellten "Vollstreckungstitel" über die Herausgabe der Morgengabe, 124 Bahar-e-Azadi Goldmünzen, erwirkt, der als Beweis auf die Heiratsurkunde Bezug nahm. Ein gerichtliches Verfahren war insoweit von der Antragstellerin nicht eingeleitet worden.
Der Antragsgegner hat am 20.7.2019 beim Familiengericht in Bezug auf den vorgenannten Vollstreckungstitel die Anordnung einer Ratenzahlung beantragt. Das Familiengericht hat daraufhin den Antragsgegner am 10.11.2019 verurteilt, an die Antragstellerin 20 Goldmünzen herauszugeben und danach bis zum vollständigen Ausgleich der Morgengabe monatlich zwei weitere Goldmünzen zu zahlen. Für das vorliegende, Mitte August 2019 eingeleitete Verfahren hat das AG der Antragstellerin durch Beschluss vom 8.4.2020 die nachgesuchte VKH mit der Begründung versagt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Brautgabe sei im Iran durch einen Vollstreckungstitel bereits tituliert worden.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügte, die Titulierung der Brautgabe im Iran sei gänzlich anders strukturiert. Das OLG hat die ratenfreie VKH für die erste Instanz bewilligt.
Die Gründe:
Es kann nach der im VKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bereits über einen in Deutschland vollstreckbaren Titel über die mit dem Antragsgegner vereinbarte Brautgabe verfügt. Das Rechtsschutzbedürfnis für ihren beabsichtigten Antrag ist daher zu bejahen.
Weder die in einer iranischen Heiratsurkunde beurkundete Vereinbarung der Eheleute über eine sog. Brautgabe, noch der von einer iranischen Behörde ausgestellte "Vollstreckungstitel" auf Herausgabe ohne vorherige inhaltliche Sachprüfung erfüllt die Voraussetzungen einer anerkennungsfähigen Entscheidung i.S.v. § 108 Abs. 1 FamFG. Eine solche Entscheidung liegt nur dann vor, wenn ein Rechtsprechungsorgan - dies kann neben einem Gericht auch eine Behörde oder ein Notariat sein - mit konstitutiver oder feststellender Wirkung entschieden hat. Betroffen sind nur Sachentscheidungen, nicht auch Entscheidungen, die rein verfahrensrechtliche Fragen zum Gegenstand haben.
Maßgeblich ist, ob die entscheidende Stelle eine inhaltliche Sachprüfung vorgenommen hat. Eine anerkennungsfähige Entscheidung liegt daher grundsätzlich nicht vor, wenn eine ausländische Behörde lediglich ein materiell-rechtlich begründetes familienrechtliches Rechtsverhältnis beurkundet oder registriert hat. Gerichtliche Vergleiche und vollstreckbare Urkunden unterliegen nach überwiegend vertretener Auffassung nicht § 108 FamFG, da sie regelmäßig keine anerkennungsfähigen Wirkungen zeigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein ausländisches Gericht die Vereinbarung der Parteien inhaltlich geprüft und durch eine Entscheidung in seinen Willen aufgenommen hat
Bei der Heiratsurkunde vom 29.8.2014 dürfte es sich nicht um eine Entscheidung im vorgenannten Sinn handeln, da in der Heiratsurkunde lediglich die Vereinbarung der Beteiligten über die Brautgabe beurkundet worden ist. Auch der "Vollstreckungstitel" der Organisation für die Registrierung von Urkunden und Immobilien vom 3.7.2017 dürfte mangels inhaltlicher Sachprüfung der ausstellenden Behörde nicht die Qualität einer Entscheidung haben. Dieser dürfte vielmehr rein verfahrensrechtlicher Natur sein, da er als Beweis auf die Heiratsurkunde Bezug nimmt und offensichtlich lediglich zu deren vollstreckungsrechtlicher Durchsetzung ausgestellt wurde. Dies dürfte nach deutschem Recht der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 724 ZPO) als formelle Vollstreckungsvoraussetzung entsprechen.
Die nach deutschem Recht zu beurteilende internationale Zuständigkeit ist wiederum nicht im deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen geregelt. Dieses enthält für Familiensachen in Art. 8 Abs. 3 allein materiell-rechtliches Kollisionsrecht. Die internationale Zuständigkeit hängt daher zunächst von der rechtlichen Einordnung der Brautgabe ab. Es wären etwa Art. 3 ff EUUnthVO anzuwenden, sofern es sich um eine unterhaltsrechtliche Streitigkeit handeln würde, Art. 4 ff EuGüVO im Fall einer güterrechtlichen Angelegenheit.
Der BGH hat die Brautgabe in seinen jüngsten insoweit ergangenen Entscheidungen als einen den allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegenden familienrechtlichen Vertrag sui generis qualifiziert, der Übereinstimmungen mit dem Rechtsinstitut der unbenannten Zuwendung aufweise. Insbesondere von einer unterhaltsrechtlichen Anknüpfung könne zumeist schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil weder das Bestehen einer besonderen Bedürfnislage auf Seiten der Ehefrau noch deren Bedürftigkeit eine Rolle spielten. Die Einordnung von Brautgaben unter die seit Januar 2019 geltende EuGüVO hat der BGH bislang offen gelassen. Eine unterhaltsrechtliche Qualifikation dürfte demnach auch für die hier in Rede stehende Brautgabe ausscheiden.
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Die Beteiligten haben beide ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit und sind nicht als politische Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Sie haben am 29.8.2014 im Iran vor einem Notariat für Eheschließungen geheiratet, leben aber mittlerweile getrennt. Ein Scheidungsverfahren, das der Senat beigezogen hat, ist seit Juni 2019 beim AG anhängig.
Der Antragsgegner hatte sich anlässlich der Eheschließung in der Heiratsurkunde u.a. verpflichtet, der Antragstellerin 124 iranische Goldmünzen Yek Bahar Azadi zu schenken. Die Antragstellerin hat am 3.7.2017 einen von der Organisation für die Registrierung von Urkunden und Immobilien ausgestellten "Vollstreckungstitel" über die Herausgabe der Morgengabe, 124 Bahar-e-Azadi Goldmünzen, erwirkt, der als Beweis auf die Heiratsurkunde Bezug nahm. Ein gerichtliches Verfahren war insoweit von der Antragstellerin nicht eingeleitet worden.
Der Antragsgegner hat am 20.7.2019 beim Familiengericht in Bezug auf den vorgenannten Vollstreckungstitel die Anordnung einer Ratenzahlung beantragt. Das Familiengericht hat daraufhin den Antragsgegner am 10.11.2019 verurteilt, an die Antragstellerin 20 Goldmünzen herauszugeben und danach bis zum vollständigen Ausgleich der Morgengabe monatlich zwei weitere Goldmünzen zu zahlen. Für das vorliegende, Mitte August 2019 eingeleitete Verfahren hat das AG der Antragstellerin durch Beschluss vom 8.4.2020 die nachgesuchte VKH mit der Begründung versagt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Brautgabe sei im Iran durch einen Vollstreckungstitel bereits tituliert worden.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügte, die Titulierung der Brautgabe im Iran sei gänzlich anders strukturiert. Das OLG hat die ratenfreie VKH für die erste Instanz bewilligt.
Die Gründe:
Es kann nach der im VKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bereits über einen in Deutschland vollstreckbaren Titel über die mit dem Antragsgegner vereinbarte Brautgabe verfügt. Das Rechtsschutzbedürfnis für ihren beabsichtigten Antrag ist daher zu bejahen.
Weder die in einer iranischen Heiratsurkunde beurkundete Vereinbarung der Eheleute über eine sog. Brautgabe, noch der von einer iranischen Behörde ausgestellte "Vollstreckungstitel" auf Herausgabe ohne vorherige inhaltliche Sachprüfung erfüllt die Voraussetzungen einer anerkennungsfähigen Entscheidung i.S.v. § 108 Abs. 1 FamFG. Eine solche Entscheidung liegt nur dann vor, wenn ein Rechtsprechungsorgan - dies kann neben einem Gericht auch eine Behörde oder ein Notariat sein - mit konstitutiver oder feststellender Wirkung entschieden hat. Betroffen sind nur Sachentscheidungen, nicht auch Entscheidungen, die rein verfahrensrechtliche Fragen zum Gegenstand haben.
Maßgeblich ist, ob die entscheidende Stelle eine inhaltliche Sachprüfung vorgenommen hat. Eine anerkennungsfähige Entscheidung liegt daher grundsätzlich nicht vor, wenn eine ausländische Behörde lediglich ein materiell-rechtlich begründetes familienrechtliches Rechtsverhältnis beurkundet oder registriert hat. Gerichtliche Vergleiche und vollstreckbare Urkunden unterliegen nach überwiegend vertretener Auffassung nicht § 108 FamFG, da sie regelmäßig keine anerkennungsfähigen Wirkungen zeigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein ausländisches Gericht die Vereinbarung der Parteien inhaltlich geprüft und durch eine Entscheidung in seinen Willen aufgenommen hat
Bei der Heiratsurkunde vom 29.8.2014 dürfte es sich nicht um eine Entscheidung im vorgenannten Sinn handeln, da in der Heiratsurkunde lediglich die Vereinbarung der Beteiligten über die Brautgabe beurkundet worden ist. Auch der "Vollstreckungstitel" der Organisation für die Registrierung von Urkunden und Immobilien vom 3.7.2017 dürfte mangels inhaltlicher Sachprüfung der ausstellenden Behörde nicht die Qualität einer Entscheidung haben. Dieser dürfte vielmehr rein verfahrensrechtlicher Natur sein, da er als Beweis auf die Heiratsurkunde Bezug nimmt und offensichtlich lediglich zu deren vollstreckungsrechtlicher Durchsetzung ausgestellt wurde. Dies dürfte nach deutschem Recht der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 724 ZPO) als formelle Vollstreckungsvoraussetzung entsprechen.
Die nach deutschem Recht zu beurteilende internationale Zuständigkeit ist wiederum nicht im deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen geregelt. Dieses enthält für Familiensachen in Art. 8 Abs. 3 allein materiell-rechtliches Kollisionsrecht. Die internationale Zuständigkeit hängt daher zunächst von der rechtlichen Einordnung der Brautgabe ab. Es wären etwa Art. 3 ff EUUnthVO anzuwenden, sofern es sich um eine unterhaltsrechtliche Streitigkeit handeln würde, Art. 4 ff EuGüVO im Fall einer güterrechtlichen Angelegenheit.
Der BGH hat die Brautgabe in seinen jüngsten insoweit ergangenen Entscheidungen als einen den allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegenden familienrechtlichen Vertrag sui generis qualifiziert, der Übereinstimmungen mit dem Rechtsinstitut der unbenannten Zuwendung aufweise. Insbesondere von einer unterhaltsrechtlichen Anknüpfung könne zumeist schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil weder das Bestehen einer besonderen Bedürfnislage auf Seiten der Ehefrau noch deren Bedürftigkeit eine Rolle spielten. Die Einordnung von Brautgaben unter die seit Januar 2019 geltende EuGüVO hat der BGH bislang offen gelassen. Eine unterhaltsrechtliche Qualifikation dürfte demnach auch für die hier in Rede stehende Brautgabe ausscheiden.