27.01.2025

Humanmedizinische Aufklärungspflichten gelten nicht für Tierärzte

Ins Einzelne gehende Erläuterungen bzw. Aufklärungen über alle denkbaren Komplikationen schuldet ein Tierarzt nicht. Insofern ist auch § 630e BGB - der für die Humanmedizin eine Aufklärung vorschreibt - bei der Behandlung von Tieren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

AG Brandenburg v. 6.1.2025 - 30 C 209/23
Der Sachverhalt:
Der rechtsschutzversicherte Kläger nahm die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus einem tierärztlichen Behandlungsvertrag hinsichtlich einer Katze in Anspruch. Am 7.4.2022 war diese in der Tierarztpraxis der Beklagten einer Kastrations-Operation unterzogen worden. Zwar händigte die Tierarzthelferin ein "Merkblatt zur Kastration bei der Katze" aus. Darin wird u.a. angeführt: "Bitte achten Sie in der Heilungsphase der Bauchwunde darauf, dass sie nicht zu häufig an der Bauchwunde leckt bzw. an den Fäden zieht. Falls Ihre Katze es nicht lassen kann, erhalten Sie bei uns gerne einen Halskragen." Ein solcher Halskragen wurde aber nicht mitgegeben.

Die Katze hat die Naht zwei Tage später aufgeleckt und sich daran gebissen. Sie musste daraufhin einer Not-Operation unterzogen werden. Dadurch sind Kosten von rund 1.900 € entstanden. Der Kläger war der Ansicht, durch die fehlerhafte Beratung der Mitarbeiterin der Tierarztpraxis der Beklagten seien die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz seiner Katze versäumt worden. Ein Abschlussgespräch mit der Tierärztin habe nicht stattgefunden. Die Beklagte hielt dagegen, die Behandlung der Katze in ihrer Tierarztpraxis sei lege artis erfolgt.

Das AG hat die Klage auf Schadensersatz abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Schadenersatzes gem. (§§ 249, 251 Abs. 2 S. 2, §§ 254, 280 Abs. 1, § 611 BGB (unter Beachtung von § 286 ZPO) nicht zu.

Zwar geht die herrschende Rechtsprechung davon aus, dass die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern - insbesondere auch bei Befund-Erhebungsfehlern - auf die Veterinärmedizin zu übertragen sind. Jedoch handelte es sich im hiesigen Fall nicht um einen Behandlungsfehler, sondern um die Frage, ob die therapeutische Aufklärung durch die verklagte Tierärztin bzw. deren Mitarbeiterin fehlte oder ggf. zumindest unzureichend war.

Zwar schuldet ein Tierarzt seinem Auftraggeber neben der eigentlichen Behandlung grundsätzlich auch eine Beratung über deren Vor- und Nachteile und über etwaige Risiken für das Tier. Dabei geht es aber nur um wirtschaftliche Interessen des Auftraggebers, begrenzt durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes. Die Verletzung solcher Beratungspflichten für sich allein, die nicht schadensursächlich geworden ist, begründet aus dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den Organismus des Tieres oder des Unterlassens von Heilmaßnahmen somit in der Regel noch keine Schadensersatzansprüche.

Ins Einzelne gehende Erläuterungen bzw. Aufklärungen über alle denkbaren Komplikationen schuldet ein Tierarzt nicht. Insofern ist auch § 630e BGB - der für die Humanmedizin eine Aufklärung vorschreibt - bei der Behandlung von Tieren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Allgemein sind die Anforderungen an die Aufklärung im Bereich der Veterinärmedizin somit geringer als in der Humanmedizin.

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