Immer wieder Streit um Verteilungsschlüssel für Betriebskosten
AG Bonn v. 27.10.2021 - 204 C 56/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit September 2013 Mieter einer 80 qm großen Wohnung der Beklagten, in der er seitdem allein wohnt. Die Berechnung der vom Kläger zu tragenden Betriebskosten ist in § 3 Abs. 4 f. wie folgt geregelt:
(4) Die Betriebskosten werden mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser im Verhältnis der Anzahl der Mieter der Wohnung zur Gesamtzahl der Mieter im Haus umgelegt, soweit kein abweichender Verteilungsschlüssel vereinbart ist oder zwingende gesetzliche Bestimmungen dem Umlegungsmaßstab entgegenstehen. In diesem Fall gilt für die betroffenen Betriebskostenarten der vereinbarte bzw. der gesetzliche Umlegungsmaßstab.
(5) Der Vermieter kann den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist.
Die Beklagte legte den Abrechnungen über die vom Kläger zu tragenden Betriebskosten zunächst eine Verteilung nach dem Verhältnis der in der Wohnung lebenden Personen zu den in dem Haus insgesamt lebenden Personen zugrunde. Im Dezember 2017 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger jedoch, dass sie die Betriebskosten ab dem Abrechnungszeitraum 2018 nach der Wohnfläche verteilen werde, da dies zweckmäßiger sei, Ungerechtigkeiten vermeide und erheblich weniger Aufwand verursache.
In weiterer Korrespondenz teilte die Beklagte mit, dass die Wasser- und Abwasserkosten weiterhin nach der Personenanzahl verteilt werden würden. Fünfzehn der sechszehn Mietparteien des Hauses erklärten schriftlich, mit der Änderung des Verteilungsschlüssels einverstanden zu sein. Für den Kläger führte hingegen der Mieterbund am 26.1.2018 gegenüber der Beklagten aus, dass kein sachlicher Grund für die Änderung vorliege.
Mit Schreiben vom 5.9.2019 legte die Beklagte dem Kläger eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 vor, in der die vom Kläger zu tragenden Kosten - außer diejenigen für die Müllabfuhr sowie das Kalt- und Abwasser - anhand der Wohnfläche berechnet waren und für ihn eine Nachzahlungsverpflichtung i.H.v. 19,35 € ausgewiesen war. Eine Verteilung nach der Personenzahl hätte demgegenüber ein Guthaben des Klägers ergeben.
Der Kläger war der Ansicht, dass es für eine Änderung des Verteilungsschlüssels durch die Beklagte an einem sachlichen Grund im Sinne des § 3 Abs. 5 des Mietvertrags fehle. Die Klage war vor dem AG erfolgreich.
Die Gründe:
Die Beklagte ist verpflichtet, bei den dem Kläger erteilten Nebenkostenabrechnungen für die Abrechnungsjahre 2018 und 2019 sowie den darauffolgenden Abrechnungen ab dem Jahr 2020 bei unveränderter Vertragslage für sämtliche Positionen anstelle des Verteilungsschlüssels Wohnfläche den der Personenanzahl zugrunde zu legen.
Zwar kann eine Umlage nach der Personenanzahl bei verbrauchsunabhängigen Betriebskosten wie der Grundsteuer erkennbar zu unbilligen Ergebnissen führen. Eine Klausel ist aber nur dann gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann eine Verteilung verbrauchsunabhängiger Betriebskosten nach der Personenanzahl für einzelne Mieter aber auch gerade vorteilhaft sein. Deswegen entspräche es dem Telos des § 307 BGB nicht, eine entsprechende Klausel generell für unwirksam zu halten. Vielmehr ist der Vermieter als regelmäßiger Verwender der Klausel an sie gegenüber denjenigen, die von ihr profitieren, gebunden.
Die Klausel ist auch nicht deshalb gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Betriebskosten nach ihrem Wortlaut nur nach dem Verhältnis der Anzahl der Mieter und nicht nach dem Verhältnis der in den jeweiligen Wohnungen lebenden Personen verteilt werden könnten. Zwar könnte eine nur auf die Mieter abstellende Verteilung zu einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere alleinstehender Mieter führen, da der von ihnen zu tragende Kostenanteil vor allem davon abhängig wäre, wie viele Personen für Wohnungen mit mehreren Bewohnern die Stellung als Mieter einnehmen würden. Die gebotene Auslegung der Klausel nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergibt jedoch, dass die Parteien ihrem Vertrag kein solches "formales" Verständnis des Mieterbegriffs zugrunde gelegt haben.
Der Verteilungsschlüssel wurde durch die Beklagte nicht gem. § 3 Abs. 5 des Vertrags wirksam geändert. Nach Satz 1 dieser Regelung kann die Beklagte den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt gemäß Satz 2 vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist. Dies war hier allerdings nicht der Fall.
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Justiz NRW
Der Kläger ist seit September 2013 Mieter einer 80 qm großen Wohnung der Beklagten, in der er seitdem allein wohnt. Die Berechnung der vom Kläger zu tragenden Betriebskosten ist in § 3 Abs. 4 f. wie folgt geregelt:
(4) Die Betriebskosten werden mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser im Verhältnis der Anzahl der Mieter der Wohnung zur Gesamtzahl der Mieter im Haus umgelegt, soweit kein abweichender Verteilungsschlüssel vereinbart ist oder zwingende gesetzliche Bestimmungen dem Umlegungsmaßstab entgegenstehen. In diesem Fall gilt für die betroffenen Betriebskostenarten der vereinbarte bzw. der gesetzliche Umlegungsmaßstab.
(5) Der Vermieter kann den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist.
Die Beklagte legte den Abrechnungen über die vom Kläger zu tragenden Betriebskosten zunächst eine Verteilung nach dem Verhältnis der in der Wohnung lebenden Personen zu den in dem Haus insgesamt lebenden Personen zugrunde. Im Dezember 2017 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger jedoch, dass sie die Betriebskosten ab dem Abrechnungszeitraum 2018 nach der Wohnfläche verteilen werde, da dies zweckmäßiger sei, Ungerechtigkeiten vermeide und erheblich weniger Aufwand verursache.
In weiterer Korrespondenz teilte die Beklagte mit, dass die Wasser- und Abwasserkosten weiterhin nach der Personenanzahl verteilt werden würden. Fünfzehn der sechszehn Mietparteien des Hauses erklärten schriftlich, mit der Änderung des Verteilungsschlüssels einverstanden zu sein. Für den Kläger führte hingegen der Mieterbund am 26.1.2018 gegenüber der Beklagten aus, dass kein sachlicher Grund für die Änderung vorliege.
Mit Schreiben vom 5.9.2019 legte die Beklagte dem Kläger eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 vor, in der die vom Kläger zu tragenden Kosten - außer diejenigen für die Müllabfuhr sowie das Kalt- und Abwasser - anhand der Wohnfläche berechnet waren und für ihn eine Nachzahlungsverpflichtung i.H.v. 19,35 € ausgewiesen war. Eine Verteilung nach der Personenzahl hätte demgegenüber ein Guthaben des Klägers ergeben.
Der Kläger war der Ansicht, dass es für eine Änderung des Verteilungsschlüssels durch die Beklagte an einem sachlichen Grund im Sinne des § 3 Abs. 5 des Mietvertrags fehle. Die Klage war vor dem AG erfolgreich.
Die Gründe:
Die Beklagte ist verpflichtet, bei den dem Kläger erteilten Nebenkostenabrechnungen für die Abrechnungsjahre 2018 und 2019 sowie den darauffolgenden Abrechnungen ab dem Jahr 2020 bei unveränderter Vertragslage für sämtliche Positionen anstelle des Verteilungsschlüssels Wohnfläche den der Personenanzahl zugrunde zu legen.
Zwar kann eine Umlage nach der Personenanzahl bei verbrauchsunabhängigen Betriebskosten wie der Grundsteuer erkennbar zu unbilligen Ergebnissen führen. Eine Klausel ist aber nur dann gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vorliegt. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann eine Verteilung verbrauchsunabhängiger Betriebskosten nach der Personenanzahl für einzelne Mieter aber auch gerade vorteilhaft sein. Deswegen entspräche es dem Telos des § 307 BGB nicht, eine entsprechende Klausel generell für unwirksam zu halten. Vielmehr ist der Vermieter als regelmäßiger Verwender der Klausel an sie gegenüber denjenigen, die von ihr profitieren, gebunden.
Die Klausel ist auch nicht deshalb gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Betriebskosten nach ihrem Wortlaut nur nach dem Verhältnis der Anzahl der Mieter und nicht nach dem Verhältnis der in den jeweiligen Wohnungen lebenden Personen verteilt werden könnten. Zwar könnte eine nur auf die Mieter abstellende Verteilung zu einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere alleinstehender Mieter führen, da der von ihnen zu tragende Kostenanteil vor allem davon abhängig wäre, wie viele Personen für Wohnungen mit mehreren Bewohnern die Stellung als Mieter einnehmen würden. Die gebotene Auslegung der Klausel nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ergibt jedoch, dass die Parteien ihrem Vertrag kein solches "formales" Verständnis des Mieterbegriffs zugrunde gelegt haben.
Der Verteilungsschlüssel wurde durch die Beklagte nicht gem. § 3 Abs. 5 des Vertrags wirksam geändert. Nach Satz 1 dieser Regelung kann die Beklagte den Abrechnungsmaßstab bei Vorliegen sachlicher Gründe durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter ändern. Ein sachlicher Grund liegt gemäß Satz 2 vor, wenn sich der bisherige Umlegungsmaßstab als unzweckmäßig oder unbillig erweist. Dies war hier allerdings nicht der Fall.
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