Innerhalb welcher Frist kann ein Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung vom Versicherer angenommen werden?
OLG Karlsruhe v. 24.10.2024, 12 U 108/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 27.12.2004 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrags gestellt und eine "Zusatzerklärung zum LV-Antrag" vom 27.12.2004 unterzeichnet, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
"Ab dem 1.1.2005 wird das Steuerprivileg der Lebensversicherungen entfallen. Nur für die Verträge, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen sind, gilt noch die bisherige steuerrechtliche Rechtslage.
Ihr Antrag bedarf zu dessen Annahme möglicherweise noch einer Risikoprüfung durch Gerling-Leben. Wir können nicht sicherstellen, dass wir im Jahr 2004 noch zu einer abschließenden Beurteilung kommen. [...]"
Die Beklagte übersandte dem Kläger am 2.2.2005 die Unterlagen "zu der abgeschlossenen" Police, wobei der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post und des Zugangs streitig blieb. Dem Schreiben waren der Versicherungsschein sowie im Einzelnen aufgelistete weitere Vertrags- und Verbraucherinformationen beigefügt. Am 7.1.2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der in der vom 8.12.2004 bis 31.12.2007 gültigen Fassung (a.F.).
Das LG hat durch Teilurteil den Anträgen des Klägers auf der ersten Stufe stattgegeben und die Beklagte zur Auskunft verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG am 21.12.2021 (11 O 77/20) im Wesentlichen zurückgewiesen, allerdings den Umfang des Auskunftsanspruchs beschränkt. Der BGH hat mit Urteil vom 21.2.2024 (IV ZR 32/22) die Anschlussrevision zurückgewiesen, auf die Revision der Beklagten das Senatsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Das OLG hat die Klage infolgedessen insgesamt abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger kann auf der Grundlage von § 242 BGB die begehrte Auskunft nicht verlangen, da mangels wirksamer Erklärung des Widerspruchs kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB besteht, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen kann.
Nach der BGH-Entscheidung war nur noch klärungsbedürftig, ob die Widerspruchsbelehrung inhaltlichen Bedenken bezüglich der Angabe zum Beginn der Widerspruchsfrist begegnete. Und dies war nicht der Fall, da die Beklagte die Annahme des Antrags des Klägers vom 27.12.2004 rechtzeitig erklärt hatte, weshalb der Beginn der Widerspruchsfrist in der Belehrung zutreffend angegeben war. Die Beklagte hatte den Antrag des Klägers durch Übersendung des auf den 2.2.2005 datierten Policenbegleitschreibens und Versicherungsscheins nebst Anlagen rechtzeitig angenommen, § 147 Abs. 2 BGB.
Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Frist zur Annahme setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie der Zeit der Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Sie beginnt daher schon mit der Abgabe der Erklärung und nicht erst mit deren Zugang bei dem Empfänger.
Die Überlegungsfrist bestimmt sich vor allem nach der Art des Angebots. Nach seinem Inhalt ist zu beurteilen, ob der Antragende die Behandlung des Angebots als eilbedürftig erwarten darf. Zu den regelmäßigen Umständen i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB gehören auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste. Als solche kommen etwa die Organisationsstruktur großer Unternehmen, die Erfordernisse der internen Willensbildung bei Gesellschaften oder juristischen Personen oder auch absehbare Urlaubszeiten in Betracht, sofern von einem verzögernden Einfluss auf die Bearbeitungsdauer auszugehen ist.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hielt der Senat eine Annahmefrist der Beklagten von sechs Wochen für (gerade noch) angemessen. Die Frist begann demnach mit Unterzeichnung und Weiterleitung des Versicherungsantrags am Montag, den 27.12.2004, und endete sechs Wochen später mit Ablauf des Montags, den 7.2.2005. Insoweit hat der Senat nicht verkannt, dass der BGH in anderen Fällen kürzere Annahmefristen angenommen hat. Denn hier bestanden besondere Umstände, die ausnahmsweise eine längere Annahmefrist rechtfertigten. So war von Relevanz, dass die Antragstellung auf den Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr fiel, bei dem es sich um eine für den Kläger ohne Weiteres absehbare Urlaubszeit handelte, in der üblicherweise - gerade auch in einem größeren Unternehmen - ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigen abwesend ist. Ferner war hier die Besonderheit zu berücksichtigen, dass zum Jahreswechsel 2004/2005 das Steuerprivileg für Lebensversicherungen wegfiel, weshalb zum Jahresende mit einer Vielzahl von Anträgen zu rechnen war.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Kläger hatte am 27.12.2004 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrags gestellt und eine "Zusatzerklärung zum LV-Antrag" vom 27.12.2004 unterzeichnet, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
"Ab dem 1.1.2005 wird das Steuerprivileg der Lebensversicherungen entfallen. Nur für die Verträge, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen sind, gilt noch die bisherige steuerrechtliche Rechtslage.
Ihr Antrag bedarf zu dessen Annahme möglicherweise noch einer Risikoprüfung durch Gerling-Leben. Wir können nicht sicherstellen, dass wir im Jahr 2004 noch zu einer abschließenden Beurteilung kommen. [...]"
Die Beklagte übersandte dem Kläger am 2.2.2005 die Unterlagen "zu der abgeschlossenen" Police, wobei der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post und des Zugangs streitig blieb. Dem Schreiben waren der Versicherungsschein sowie im Einzelnen aufgelistete weitere Vertrags- und Verbraucherinformationen beigefügt. Am 7.1.2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der in der vom 8.12.2004 bis 31.12.2007 gültigen Fassung (a.F.).
Das LG hat durch Teilurteil den Anträgen des Klägers auf der ersten Stufe stattgegeben und die Beklagte zur Auskunft verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG am 21.12.2021 (11 O 77/20) im Wesentlichen zurückgewiesen, allerdings den Umfang des Auskunftsanspruchs beschränkt. Der BGH hat mit Urteil vom 21.2.2024 (IV ZR 32/22) die Anschlussrevision zurückgewiesen, auf die Revision der Beklagten das Senatsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Das OLG hat die Klage infolgedessen insgesamt abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger kann auf der Grundlage von § 242 BGB die begehrte Auskunft nicht verlangen, da mangels wirksamer Erklärung des Widerspruchs kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB besteht, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen kann.
Nach der BGH-Entscheidung war nur noch klärungsbedürftig, ob die Widerspruchsbelehrung inhaltlichen Bedenken bezüglich der Angabe zum Beginn der Widerspruchsfrist begegnete. Und dies war nicht der Fall, da die Beklagte die Annahme des Antrags des Klägers vom 27.12.2004 rechtzeitig erklärt hatte, weshalb der Beginn der Widerspruchsfrist in der Belehrung zutreffend angegeben war. Die Beklagte hatte den Antrag des Klägers durch Übersendung des auf den 2.2.2005 datierten Policenbegleitschreibens und Versicherungsscheins nebst Anlagen rechtzeitig angenommen, § 147 Abs. 2 BGB.
Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Frist zur Annahme setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie der Zeit der Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Sie beginnt daher schon mit der Abgabe der Erklärung und nicht erst mit deren Zugang bei dem Empfänger.
Die Überlegungsfrist bestimmt sich vor allem nach der Art des Angebots. Nach seinem Inhalt ist zu beurteilen, ob der Antragende die Behandlung des Angebots als eilbedürftig erwarten darf. Zu den regelmäßigen Umständen i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB gehören auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste. Als solche kommen etwa die Organisationsstruktur großer Unternehmen, die Erfordernisse der internen Willensbildung bei Gesellschaften oder juristischen Personen oder auch absehbare Urlaubszeiten in Betracht, sofern von einem verzögernden Einfluss auf die Bearbeitungsdauer auszugehen ist.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hielt der Senat eine Annahmefrist der Beklagten von sechs Wochen für (gerade noch) angemessen. Die Frist begann demnach mit Unterzeichnung und Weiterleitung des Versicherungsantrags am Montag, den 27.12.2004, und endete sechs Wochen später mit Ablauf des Montags, den 7.2.2005. Insoweit hat der Senat nicht verkannt, dass der BGH in anderen Fällen kürzere Annahmefristen angenommen hat. Denn hier bestanden besondere Umstände, die ausnahmsweise eine längere Annahmefrist rechtfertigten. So war von Relevanz, dass die Antragstellung auf den Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr fiel, bei dem es sich um eine für den Kläger ohne Weiteres absehbare Urlaubszeit handelte, in der üblicherweise - gerade auch in einem größeren Unternehmen - ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigen abwesend ist. Ferner war hier die Besonderheit zu berücksichtigen, dass zum Jahreswechsel 2004/2005 das Steuerprivileg für Lebensversicherungen wegfiel, weshalb zum Jahresende mit einer Vielzahl von Anträgen zu rechnen war.
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