Kann ein freigewordenes Zimmer einfach untervermietet werden?
LG Berlin v. 9.1.2024 - 67 S 184/23
Der Sachverhalt:
Die klagenden Mieter hatten mit den Rechtsvorgängern der Beklagten im Februar 2020 einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung abgeschlossen. Mit Nachtrag zum Mietvertrag wurde vereinbart, dass ein dritter Mieter in den Mietvertrag eintritt. Das Mietverhältnis begann am 1.5.2020. Der nachträgliche Mieter zog im September 2022 aus der streitgegenständlichen Wohnung aus und wohnt seitdem in einem Studentenwohnheim in Berlin.
Die Kläger begehrten daraufhin von der beklagten Vermieterin die Erteilung einer Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung des freigewordenen Zimmers in der 3-Zimmer-Wohnung. Das AG hat der Klage stattgegeben. In ihrer hiergegen gerichteten Berufung rügte die Beklagte, die von den Klägern beabsichtigte Gebrauchsüberlassung stünde nicht mit der Rechts- und Sozialordnung in Einklang, da der ausgezogene Mieter weiterhin Mieter der streitgegenständlichen Wohnung sei und zugleich einen neuen Mietvertrag über eine andere Wohnung abgeschlossen habe.
Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Den Klägern steht gem. § 553 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Genehmigung der beabsichtigten teilweisen Gebrauchsüberlassung zu.
Im Falle des Auszugs eines von mehreren Mietern haben die in der Wohnung verbleibenden Mieter ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 BGB, den bisher im Innenverhältnis auf den ausgezogenen Mitmieter entfallenden Anteil des Mietzinses durch die Aufnahme eines zahlungspflichtigen Untermieters zu kompensieren, sofern dadurch die Gefahr einer vom ausziehenden Mieter veranlassten Beendigung des gesamten Mietverhältnisses beseitigt oder verringert wird. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die getroffene Wertung entspricht der BGH-Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates, der mittlerweile unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters jedes wirtschaftliche Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung als berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 BGB ausreichen lässt.
Die Genehmigungssperre des § 553 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB hinderte den Anspruch der Kläger ebenfalls nicht: Das berechtigte Interesse der Kläger bestand zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses noch nicht, sondern ist erstmals nach dessen Abschluss mit dem Auszugswunsch und dem tatsächlichen Auszug des Mitmieters entstanden. Es stand auch nicht im Widerspruch zur Rechts- und Sozialordnung, dass der ausgezogene Mitmieter mit der streitgegenständlichen sowie der weiteren von ihm in einem Studentenwohnheim angemieteten Wohnung Mieter zweier Wohnungen war. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Kläger dem allgemeinen Wohnmarkt auf missbräuchliche Art und Weise Wohnraum entzogen hätten. Daran fehlte es allerdings. Vielmehr führte die von den Klägern beabsichtigte Untervermietung gerade dazu, dass die seit Beginn des Mietverhältnisses von drei Personen bewohnte Wohnung auch weiterhin von drei Personen bewohnt und insoweit kein "Leerstand" geschaffen wurde.
Der Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung war schließlich nicht aufschiebend bedingt durch eine Zustimmung der Kläger zur Erhöhung der Miete um einen Untermietzuschlag. Die Voraussetzungen des § 553 Abs. 2 BGB waren hier jedoch nicht erfüllt, da der Beklagten die Erlaubniserteilung auch ohne Erhebung eines Untermietzuschlags zumutbar ist. § 553 Abs. 2 BGB erfordert eine an sämtlichen Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Zumutbarkeitsprüfung. Schematische Wertungen, die für die Erhebung des Untermietzuschlags stets und schon die stärkere Belegung der Wohnung oder die Erzielung zusätzlicher (Untermiet-)Einnahmen durch den Mieter ausreichen lassen, sind wegen des Wortlauts der Norm ("zuzumuten") und des sich darauf und der Gesetzessystematik beruhenden Ausnahmecharakters des § 553 Abs. 2 BGB nicht gerechtfertigt.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung
Rainer Burbulla
Untervermietung: Zustimmungsanspruch des Mieters einer Ein-Zimmer-Wohnung
BGH vom 13.09.2023 - VIII ZR 109/22
MietRB 2023, 350
Montagsblog: Neues vom BGH
Klaus Bacher
MDR Blog 2023
Kurzbeitrag
Bernhard Klose
Die Untervermietung einer aus beruflichen Gründen genutzten Nebenwohnung
MDR 2024, R5
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht für Praktiker. Jetzt topaktuell mit Beiträgen u.a.: Übersicht zu den neuen §§ 5 u. 6a HeizkostenV - Teil I, Wohnungseigentum - praktische Fragen zur Eintragung von Beschlüssen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank
Die klagenden Mieter hatten mit den Rechtsvorgängern der Beklagten im Februar 2020 einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung abgeschlossen. Mit Nachtrag zum Mietvertrag wurde vereinbart, dass ein dritter Mieter in den Mietvertrag eintritt. Das Mietverhältnis begann am 1.5.2020. Der nachträgliche Mieter zog im September 2022 aus der streitgegenständlichen Wohnung aus und wohnt seitdem in einem Studentenwohnheim in Berlin.
Die Kläger begehrten daraufhin von der beklagten Vermieterin die Erteilung einer Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung des freigewordenen Zimmers in der 3-Zimmer-Wohnung. Das AG hat der Klage stattgegeben. In ihrer hiergegen gerichteten Berufung rügte die Beklagte, die von den Klägern beabsichtigte Gebrauchsüberlassung stünde nicht mit der Rechts- und Sozialordnung in Einklang, da der ausgezogene Mieter weiterhin Mieter der streitgegenständlichen Wohnung sei und zugleich einen neuen Mietvertrag über eine andere Wohnung abgeschlossen habe.
Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Den Klägern steht gem. § 553 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Genehmigung der beabsichtigten teilweisen Gebrauchsüberlassung zu.
Im Falle des Auszugs eines von mehreren Mietern haben die in der Wohnung verbleibenden Mieter ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 BGB, den bisher im Innenverhältnis auf den ausgezogenen Mitmieter entfallenden Anteil des Mietzinses durch die Aufnahme eines zahlungspflichtigen Untermieters zu kompensieren, sofern dadurch die Gefahr einer vom ausziehenden Mieter veranlassten Beendigung des gesamten Mietverhältnisses beseitigt oder verringert wird. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Die getroffene Wertung entspricht der BGH-Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates, der mittlerweile unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters jedes wirtschaftliche Interesse an der teilweisen Gebrauchsüberlassung als berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 BGB ausreichen lässt.
Die Genehmigungssperre des § 553 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB hinderte den Anspruch der Kläger ebenfalls nicht: Das berechtigte Interesse der Kläger bestand zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses noch nicht, sondern ist erstmals nach dessen Abschluss mit dem Auszugswunsch und dem tatsächlichen Auszug des Mitmieters entstanden. Es stand auch nicht im Widerspruch zur Rechts- und Sozialordnung, dass der ausgezogene Mitmieter mit der streitgegenständlichen sowie der weiteren von ihm in einem Studentenwohnheim angemieteten Wohnung Mieter zweier Wohnungen war. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Kläger dem allgemeinen Wohnmarkt auf missbräuchliche Art und Weise Wohnraum entzogen hätten. Daran fehlte es allerdings. Vielmehr führte die von den Klägern beabsichtigte Untervermietung gerade dazu, dass die seit Beginn des Mietverhältnisses von drei Personen bewohnte Wohnung auch weiterhin von drei Personen bewohnt und insoweit kein "Leerstand" geschaffen wurde.
Der Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung war schließlich nicht aufschiebend bedingt durch eine Zustimmung der Kläger zur Erhöhung der Miete um einen Untermietzuschlag. Die Voraussetzungen des § 553 Abs. 2 BGB waren hier jedoch nicht erfüllt, da der Beklagten die Erlaubniserteilung auch ohne Erhebung eines Untermietzuschlags zumutbar ist. § 553 Abs. 2 BGB erfordert eine an sämtlichen Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Zumutbarkeitsprüfung. Schematische Wertungen, die für die Erhebung des Untermietzuschlags stets und schon die stärkere Belegung der Wohnung oder die Erzielung zusätzlicher (Untermiet-)Einnahmen durch den Mieter ausreichen lassen, sind wegen des Wortlauts der Norm ("zuzumuten") und des sich darauf und der Gesetzessystematik beruhenden Ausnahmecharakters des § 553 Abs. 2 BGB nicht gerechtfertigt.
Rechtsprechung
Rainer Burbulla
Untervermietung: Zustimmungsanspruch des Mieters einer Ein-Zimmer-Wohnung
BGH vom 13.09.2023 - VIII ZR 109/22
MietRB 2023, 350
Montagsblog: Neues vom BGH
Klaus Bacher
MDR Blog 2023
Kurzbeitrag
Bernhard Klose
Die Untervermietung einer aus beruflichen Gründen genutzten Nebenwohnung
MDR 2024, R5
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht für Praktiker. Jetzt topaktuell mit Beiträgen u.a.: Übersicht zu den neuen §§ 5 u. 6a HeizkostenV - Teil I, Wohnungseigentum - praktische Fragen zur Eintragung von Beschlüssen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!