18.09.2023

Kann eine Spielerin ihre in einem Online-Casino erlittenen Verluste zurückverlangen?

Kann eine Spielerin ihre in den Jahren 2015 bis 2020 in einem Online-Casino erlittenen Verluste von dessen Betreiber zurückverlangen? Diese Frage bejahte das LG Koblenz und sprach der Frau einen Rückzahlungsanspruch iHv über 632.000 € zu. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstoße im streitgegenständlichen Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und sei deshalb nichtig.

LG Koblenz v. 24.7.2023 - 1 O 224/22
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist ein führender Online-Glücksspiel-Anbieter aus Malta, welcher mehrere Online-Casino-Seiten betreibt und über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta verfügt. Über eine entsprechende Glücksspiellizenz in Deutschland oder für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in welchem die Klägerin wohnt, verfügte der Beklagte hingegen jedenfalls im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze nicht. Die Internetseiten des Beklagten nebst den FAQ und den Geschäftsbedingungen sind vollständig auf Deutsch abgefasst.

In der Zeit vom 27.12.2015 bis zum 2.12.2020 verlor die Klägerin auf den Online-Casino-Seiten des Beklagten unter Berücksichtigung von Gewinnen (Einzahlungen abzüglich Auszahlungen) Spielbeträge von insgesamt 632.250 €. Die Klägerin ist der der Auffassung, dass aufgrund des damaligen gesetzlichen Verbots von Online-Glückspielen sie einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten Einsätze habe. Weiterhin habe sie erst im Jahr 2022 erfahren, dass Online-Glückspiele im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erlaubt gewesen seien, sodass mögliche Rückzahlungsansprüche nicht verjährt seien.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der Spieleinsätze iHv 632.250 €. Das LG gab der Klage vollumfänglich statt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten und verlorenen Spieleinsätze in Höhe von 632.250 €, weil der Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstößt im streitgegenständlichen Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nichtig.

Zwar ist der Glückspielstaatsvertrag im Jahr 2021 neu geregelt und es besteht nunmehr die Möglichkeit, eine Erlaubnis für öffentliche Glückspiele im Internet zu erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes ist vorliegend aber der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sodass es auf die Frage einer etwaigen späteren Legalisierung des Angebots des Beklagten nicht ankommt.

Vorliegend kann sich der Beklagte auch nicht auf § 762 BGB berufen, weil diese Vorschrift nur greift, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird. Auch kann sich der Beklagte nicht auf § 817 S. 2 BGB berufen, wonach die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn auch dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Der Beklagte ist insoweit beweispflichtig geblieben, dass die Klägerin in subjektiver Hinsicht vorsätzlich verbotswidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hat. Ein lediglich objektiver Verstoß gegen das Verbotsgesetz genügt nicht. Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin positiv wusste, dass Online-Glücksspiele in Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) in dem streitgegenständlichen Zeitraum verboten waren. Die Klägerin hat sich problemlos auf der deutschsprachigen Webseite der Beklagten registrieren und auch die entsprechenden Zahlungen vornehmen können. Im Übrigen drängt sich nicht ohne Weiteres auf, dass die gleichen Glücksspiele, die in Spielhallen und Casinos erlaubt sind, einem Totalverbot unterliegen, wenn sie im Internet angeboten und zudem in den Medien beworben werden. Hinzu kommt, dass der Beklagte über eine Lizenz in einem EU-Staat verfügt und seine Leistungen in Deutschland frei zugänglich angeboten hat. Bei dieser Sachlage musste es sich für die Klägerin nicht aufdrängen, dass das aus dem europäischen Ausland stammende Online-Angebot verboten sein könnte.

Schließlich sind die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt, weil der Beklagte beweisfällig geblieben ist, dass die Klägerin tatsächlich vor dem Jahr 2022 Kenntnis von der den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Rückzahlung von Online-Glückspieleinsätzen
OLG Braunschweig vom 23.02.2023 - 9 U 3/22
MDR 2023, 618

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Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2011:

§ 4 Allgemeine Bestimmungen

(1) [...]

(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.

 


Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2021:

§ 4 Allgemeine Bestimmungen zur Erlaubniserteilung

(1) [...]

(4) Eine Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet darf nur für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien, für die Veranstaltung, Vermittlung und den Eigenvertrieb von Sportwetten und Pferdewetten sowie für die Veranstaltung und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker erteilt werden. Im Übrigen sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.
 

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