06.05.2024

Kaskoversicherung: Obliegenheitsverletzung wegen Falschbeantwortung einer Antragsfrage

Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung wegen der Falschbeantwortung einer Antragsfrage (hier: zur Abgabe einer Vermögensauskunft) liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer diese falsch beantwortet, weil er den erfragten Umstand für unerheblich hält. Die Berufung auf Treu und Glauben trotz einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer kommt nur dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen sind.

OLG Dresden v. 18.4.2024 - 4 U 67/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht aus einer Kaskoversicherung wegen des behaupteten Diebstahls eines Quads. Das Fahrzeug des Klägers ist bei der Beklagten mit einer Selbstbeteiligung von 300 € kaskoversichert. Versicherungsnehmer ist der Kläger. Das Quad wurde Anfang 2018 für einen Kaufpreis von rd. 9.000 € brutto angeschafft. Es wurde über eine Bank finanziert, wobei Darlehensnehmer Herr A. W. war, weil der Kläger bei Banken keinen Kredit erhalten hätte. Im Versicherungsschein sowie im Nachtrag Nr. 2 ist der Fahrzeugwert mit 6.000 € angegeben.

Am Nachmittag des 5.12.2019 erstattete A. W. Anzeige bei der Polizei wegen der Entwendung des Quads. Er teilte hierbei mit, dass es zwei Fahrzeugschlüssel gebe, die beide der Kläger habe. Ebenfalls am 5.12.2019 zeigte der Kläger der Beklagten den Diebstahl des Quads an. Am 25.3.2020 befragte der von der Beklagten beauftragte E.B. den Kläger telefonisch, fertigte über die Fragen und Antworten ein Protokoll, übersandte dieses dem Kläger, der es unterzeichnete und zurücksandte. Auf Anlage B6 und die dort auf Seite 1 enthaltene Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG wird insoweit Bezug genommen. Auf die Frage Nummer 8, ob der Kläger allgemeine finanzielle Schwierigkeiten, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft - explizit aufgeführt ist auch die Nichtabgabe der Vermögensauskunft - abgegeben habe, antwortete der Kläger "Nein. So etwas habe ich nicht".

Im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Leipzig ist zum Aktenzeichen DR ll 3756/18 eine Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den Kläger vermerkt. Mit Schreiben vom 08.5.2020 versagte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschutz. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe eine Versicherungsleistung i.H.v. 10.000 € zu.

Das LG wies die Klage ab. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung nicht erbracht und die Beklagte sei gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. E.2 AKB überdies leistungsfrei, weil der Kläger arglistig gegen seine aus E.1.1.3 AKB folgende Aufklärungsobliegenheit verstoßen habe, indem er die Nachfrage der Beklagten zur Nichtabgabe einer Vermögensauskunft objektiv und subjektiv falsch beantwortet habe. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das OLG teilte mit dem vorliegenden Beschluss mit, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers biete in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aufgrund des behaupteten Diebstahlereignisses zu. Die Beklagte ist gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei. Dies ergibt sich schon aus der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers im Zusammenhang mit der Nichtabgabe der Vermögensauskunft.

Ausweislich der Anlage B6 wurde der Kläger hinreichend gem. § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten belehrt, hier anlassbezogen in Textform im Rahmen der Befragung durch den beauftragten Ermittler, wobei es wegen der Arglist des Klägers auf die Belehrung eigentlich nicht ankommt. Gem. E.1.1.3 AKB, die auf den Vertrag Anwendung finden, war vereinbart: "Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten." Der Kläger hat bei Frage Nr. 8 des Fragebogens Anlage B6 verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO verweigerte und die Weigerung gem. § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde.

Es ging dem Kläger mit seinen widersprüchlichen Angaben an unterschiedlichen Stellen hinsichtlich der Frage, warum die Finanzierung durch eine andere Person erfolgte (Frage 11: "Ich wollte einfach keine Finanzierung."; Schriftsatz: "Der Kläger hätte bei Banken o.ä. keinen Kredit erhalten.") und der Frage/Antwort Nr. 8 im Fragebogen darum, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen hinsichtlich seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger als rechtlicher Laie seine finanzielle Situation von den Fragen nicht umfasst ansieht. Eine solche Bewertung kommt dem Versicherungsnehmer nicht zu. Eine zulässige und eindeutig verständliche Frage hat er auch dann zu beantworten, wenn er den erfragten Umstand für sich als unerheblich ansieht. Der Senat ist davon überzeugt, dass es dem Kläger nicht nur bewusst war, dass die Täuschung Einfluss auf das Regulierungsverhalten der Beklagten haben konnte, sondern dass es ihm gerade darauf ankam.

Nur unter ganz besonderen Umständen ist dem Versicherer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB die Inanspruchnahme der völligen Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich zu versagen, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellt. Eine solche Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen. Die Vertragspartner sind bei der Schadensermittlung nach dem Versicherungsfall im besonderen Maße auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Um dieses Vertrauensklima zu schützen, soll der Versicherungsnehmer von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der hier besonders naheliegenden Versuchung ferngehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen. Derartige Umstände sind hier weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

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Rechtsprechung
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Aufsatz
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