21.11.2023

Kein Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft eines Verstorbenen bei unzureichender Menge an menschlicher Zellkern-DNA

Kann die Abstammung eines Kindes nicht über ein DNA-Abstammungsgutachten festgestellt werden, weil hierfür nicht ausreichendes genetisches Material des verstorbenen und eingeäscherten potentiellen Vaters zur Verfügung steht und andere Verwandte für ein Gutachten (§ 178 Abs. 1 FamFG) nicht zur Verfügung stehen, umfasst die Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG es nicht, nicht näher konkretisierten Behauptungen des Kindes nachzugehen, Kleidungsstücke mit möglichen genetischen Spuren des Verstorbenen befänden sich noch in der Wohnung der Witwe.

OLG Celle v. 30.1.2023 - 21 UF 124/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 2) ist die Witwe des 2016 verstorbenen V., der ein Halbbruder von D. war. Im Jahr 2017 hatte D. der Antragstellerin erzählt, dass er wahrscheinlich nicht ihr Vater sei, weil ihre Mutter vor ihrer Geburt einen Seitensprung mit seinem Halbbruder V. gehabt habe. Die Antragstellerin und D. führten daraufhin einen DNA-Test durch, der ergab, dass D. nicht der Vater der Antragstellerin sein dürfte, was das AG später amtlich festgestellt hat.

Im Februar 2019 hat die Antragstellerin beim AG beantragt, festzustellen, dass V. ihr Vater ist. Hierzu hat sie mitgeteilt, dass sich im Institut für Pathologie des Klinikums noch Gewebeproben von V. befänden. Das AG hat daraufhin beschlossen, durch die Untersuchung der Gewebeproben Beweis darüber zu erheben, ob V. der Vater der Antragstellerin ist. Der Sachverständige hat festgestellt, dass am vorhandenen Probenmaterial nur eine unzureichende Menge an menschlicher Zellkern-DNA nachgewiesen worden sei. Zur Feststellung der Abstammung sei das Probenmaterial daher ungeeignet. Das AG hat daraufhin am 26.3.2020 den Antrag auf Feststellung einer Abstammung der Antragstellerin von V. zurückgewiesen.

Das Standesamt hat im November 2020 mitgeteilt, dass weder aus der Sammelakte des Eheregisters noch aus dem Familienbuch Abkömmlinge oder Geschwister von V. hervorgingen. Im August 2022 hat ein Sachverständiger festgestellt, dass eine Fleece-Jacke als Beweismittel für die Abstammung ungeeignet sei, weil aus den Spuren kein konkretes DNA-Profil abgeleitet werden könne. Auch die noch lebenden Verwandten seien ungeeignet, um zur Klärung der Abstammung der Antragstellerin beizutragen. Weitere Versuche, bei der Hausarztpraxis und anderswo genetisches Material von V. zu erlangen, seien erfolglos gewesen.

Im September 2022 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sich auf dem Grundstück der Witwe noch Kleidungsstücke, Schuhe oder Handschuhe befinden müssten, die V. getragen habe. Das hat die Witwe verneint. Das OLG hat daraufhin die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG vom 26.3.2020 zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das AG hat den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung, dass V. ihr Vater gewesen sei, im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Die Sachverständigen konnten aufgrund des vorliegenden Probenmaterials keine verlässlichen Feststellungen zur Abstammung der Antragstellerin von V. treffen. Ähnliches galt für die Einbeziehung der lebenden Verwandten von V. Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen war eine weitere sachverständige Begutachtung des Probenmaterials nicht veranlasst. Weitere genetische Untersuchungen sind nicht möglich, weil kein weiteres Probenmaterial vorhanden ist.

Nicht weiter aufzuklären war die zuletzt von der Antragstellerin vorgetragene Vermutung, es müssten sich noch Kleidungsstücke des verstorbenen V. bei der Beteiligten zu 2) in der Garage befinden. Kann die Abstammung eines Kindes nicht über ein DNA-Abstammungsgutachten festgestellt werden, weil hierfür nicht ausreichendes genetisches Material des verstorbenen und eingeäscherten potentiellen Vaters zur Verfügung steht und andere Verwandte für ein Gutachten (§ 178 Abs. 1 FamFG) nicht zur Verfügung stehen, umfasst die Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG es nicht, nicht näher konkretisierten Behauptungen des Kindes nachzugehen, Kleidungsstücke mit möglichen genetischen Spuren des Verstorbenen befänden sich noch in der Wohnung der Witwe. Einer Beweisaufnahme zur Feststellung der Vaterschaft durch eine genetisch-genealogische Analyse, die unter Verwendung einer genetischen Probe des Kindes durch einen Dienstleister im Ausland durchgeführt werden müsste, steht zudem nach den §§ 1, 12, 13, 17 GenDG ein Beweiserhebungsverbot entgegen.

Die Feststellung der Vaterschaft aufgrund der Vermutung nach § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die Beiwohnung in der gesetzlichen Empfängniszeit zur Überzeugung des Gerichts (§ 37 FamFG) nach einer erfolgten Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen erwiesen ist. Der Senat ist allerdings auf Grundlage der Aussage des Zeugen D. nicht zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Mutter der Antragstellerin und V. eine sexuelle Handlung stattgefunden hat. Die Aussage des Zeugen war nicht ergiebig.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
Döll in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | FamFG
§ 89 Ordnungsmittel
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Niedersächsisches Landesjustizportal
Zurück