Kein Rauchverbot als Auflage für das umgangsberechtigte Elternteil
OLG Bamberg v. 7.8.2024 - 7 UF 80/24 e
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind getrenntlebende Eltern der Kinder E und G. Die Kinder leben im Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter. 2018 schlossen die Eltern eine Umgangsvereinbarung, die später einvernehmlich abgeändert wurde. Ab 11.1.2024 wollte E keinen Umgang mehr mit ihrem Vater, nachdem es an diesem Tag zu einem Streit mit ihm gekommen war.
Der Antragsteller beantragte in erster Instanz eine Ausweitung seines Umgangsrechtes. Die Antragsgegnerin wünschte eine Reduzierung des Umgangs. Das AG - Familiengericht - bestellte für die Kinder einen Verfahrensbeistand und hörte die Kinder, die Eltern, den für die Kinder bestellten Verfahrensbeistand sowie das zuständige Jugendamt an.
Das AG änderte die Umgangsvereinbarung per Beschluss ab. U.a. wurde dem Antragsteller aufgegeben, während der Umgangszeiten im Beisein der Kinder nicht in den Wohnräumen zu rauchen und diese vor Umgangsbeginn ausreichend zu lüften. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob das OLG den Beschluss des AG auf und änderte ihn bzgl. verschiedener Punkte - auch hinsichtlich des Gebots nicht zu rauchen und ausreichend zu lüften - ab. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Vorliegend gibt es keine Grundlage für das Gebot, während der Umgangszeiten im Beisein der Kinder nicht in den Wohnräumen zu rauchen und die Wohnräume vor Umgangsbeginn ausreichend zu lüften.
Diese in die Rechte des Vaters eingreifende Anordnung mag sinnvoll und dem Kindeswohl dienlich sein. Denn dass auch das Passiv-Rauchen der Gesundheit schadet, ist lange anerkannt. Im Gesetz findet sich für das vom AG ausgesprochene Gebot jedoch keine Stütze. Dass das Rauchen in Gegenwart der Kinder "die Erziehung erschwert" (§ 1684 Abs. 2 BGB), ist nicht ersichtlich. Ob Kinder später selbst Raucher werden, mag zwar vom Verhalten der Eltern (mit-)bestimmt werden. Vorliegend aber ging die Initiative zur gerichtlichen Anordnung nicht von der Kindesmutter aus, sondern vom Jugendamt. Die Antragsgegnerin selbst gab hierzu während des Verfahrens keine Stellungnahme ab. Die Entscheidung, ob der Vater in geschlossenen Räumen in Gegenwart ihrer Kinder rauchen darf, dürfte Teil der ihr allein zustehenden Gesundheitssorge sein.
Die Befugnis des Familiengerichts, die Ausübung des Umgangsrechts näher zu regeln (§ 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB), umfasst in erster Linie die Bestimmung von Art, Zeit und Ort des Umgangs. Mit dieser Bestimmung ist stets ein Eingriff in das sog. Umgangsbestimmungsrecht der Eltern (hier: der allein sorgeberechtigten Mutter) verbunden. Eine Befugnis, in sonstige Rechte der Eltern (hier: des Vaters) einzugreifen, ergibt sich aus der Vorschrift allerdings nicht. Die Möglichkeit, im Rahmen der Umgangsregelung bestimmte Anordnungen zu treffen (§ 1684 Abs. 3 Satz 2 BGB), bezieht sich allein auf die in § 1684 Abs. 2 BGB geregelten Pflichten.
Möglich wäre ein derartiges Gebot demnach nur dann, wenn mit dem Verhalten des Vaters während des Umgangs eine konkrete Kindeswohlgefährdung verbunden wäre (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB). Der Ansicht, dass das Rauchen in Gegenwart von Kindern stets zu einer konkreten und erheblichen Gefährdung für das körperliche Wohl der Kinder führt, vermag sich der Senat allerdings nicht anzuschließen. Dass bei E und G bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen (wie z.B. Asthma) bestehen, die durch das Rauchen ihres Vaters in ihrem Beisein verstärkt werden, wurde in der ersten Instanz von keinem Beteiligten behauptet.
Die Familiengerichte müssen demnach darauf warten, dass der Gesetzgeber den Nichtraucherschutz für Kinder umfassender als bislang regelt. Denkbar wäre etwa, das Rauchen in geschlossenen Räumen in Gegenwart von Kindern gänzlich zu untersagen. Notwendig wäre insoweit aber der - noch - nicht erkennbare Wille, den Rechten der Kinder in bestimmten Fällen Vorrang einzuräumen gegenüber den Rechten ihrer Eltern. Allerdings wird der Antragsteller damit leben müssen, wenn die 10 und 8 Jahre alten Kinder ihm gegenüber in Zukunft äußern sollten, sie würden ihn nicht mehr in seiner Wohnung besuchen wollen, wenn er dort in ihrem Beisein raucht. Gleiches gälte für die Mitteilung, sie würden künftig nicht mehr bei ihm übernachten, weil es in seiner Wohnung nach (kaltem) Rauch "stinkt". Denn das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit geht den Rechten des Vaters sicher vor.
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Bayern.Recht
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind getrenntlebende Eltern der Kinder E und G. Die Kinder leben im Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter. 2018 schlossen die Eltern eine Umgangsvereinbarung, die später einvernehmlich abgeändert wurde. Ab 11.1.2024 wollte E keinen Umgang mehr mit ihrem Vater, nachdem es an diesem Tag zu einem Streit mit ihm gekommen war.
Der Antragsteller beantragte in erster Instanz eine Ausweitung seines Umgangsrechtes. Die Antragsgegnerin wünschte eine Reduzierung des Umgangs. Das AG - Familiengericht - bestellte für die Kinder einen Verfahrensbeistand und hörte die Kinder, die Eltern, den für die Kinder bestellten Verfahrensbeistand sowie das zuständige Jugendamt an.
Das AG änderte die Umgangsvereinbarung per Beschluss ab. U.a. wurde dem Antragsteller aufgegeben, während der Umgangszeiten im Beisein der Kinder nicht in den Wohnräumen zu rauchen und diese vor Umgangsbeginn ausreichend zu lüften. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob das OLG den Beschluss des AG auf und änderte ihn bzgl. verschiedener Punkte - auch hinsichtlich des Gebots nicht zu rauchen und ausreichend zu lüften - ab. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Vorliegend gibt es keine Grundlage für das Gebot, während der Umgangszeiten im Beisein der Kinder nicht in den Wohnräumen zu rauchen und die Wohnräume vor Umgangsbeginn ausreichend zu lüften.
Diese in die Rechte des Vaters eingreifende Anordnung mag sinnvoll und dem Kindeswohl dienlich sein. Denn dass auch das Passiv-Rauchen der Gesundheit schadet, ist lange anerkannt. Im Gesetz findet sich für das vom AG ausgesprochene Gebot jedoch keine Stütze. Dass das Rauchen in Gegenwart der Kinder "die Erziehung erschwert" (§ 1684 Abs. 2 BGB), ist nicht ersichtlich. Ob Kinder später selbst Raucher werden, mag zwar vom Verhalten der Eltern (mit-)bestimmt werden. Vorliegend aber ging die Initiative zur gerichtlichen Anordnung nicht von der Kindesmutter aus, sondern vom Jugendamt. Die Antragsgegnerin selbst gab hierzu während des Verfahrens keine Stellungnahme ab. Die Entscheidung, ob der Vater in geschlossenen Räumen in Gegenwart ihrer Kinder rauchen darf, dürfte Teil der ihr allein zustehenden Gesundheitssorge sein.
Die Befugnis des Familiengerichts, die Ausübung des Umgangsrechts näher zu regeln (§ 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB), umfasst in erster Linie die Bestimmung von Art, Zeit und Ort des Umgangs. Mit dieser Bestimmung ist stets ein Eingriff in das sog. Umgangsbestimmungsrecht der Eltern (hier: der allein sorgeberechtigten Mutter) verbunden. Eine Befugnis, in sonstige Rechte der Eltern (hier: des Vaters) einzugreifen, ergibt sich aus der Vorschrift allerdings nicht. Die Möglichkeit, im Rahmen der Umgangsregelung bestimmte Anordnungen zu treffen (§ 1684 Abs. 3 Satz 2 BGB), bezieht sich allein auf die in § 1684 Abs. 2 BGB geregelten Pflichten.
Möglich wäre ein derartiges Gebot demnach nur dann, wenn mit dem Verhalten des Vaters während des Umgangs eine konkrete Kindeswohlgefährdung verbunden wäre (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB). Der Ansicht, dass das Rauchen in Gegenwart von Kindern stets zu einer konkreten und erheblichen Gefährdung für das körperliche Wohl der Kinder führt, vermag sich der Senat allerdings nicht anzuschließen. Dass bei E und G bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen (wie z.B. Asthma) bestehen, die durch das Rauchen ihres Vaters in ihrem Beisein verstärkt werden, wurde in der ersten Instanz von keinem Beteiligten behauptet.
Die Familiengerichte müssen demnach darauf warten, dass der Gesetzgeber den Nichtraucherschutz für Kinder umfassender als bislang regelt. Denkbar wäre etwa, das Rauchen in geschlossenen Räumen in Gegenwart von Kindern gänzlich zu untersagen. Notwendig wäre insoweit aber der - noch - nicht erkennbare Wille, den Rechten der Kinder in bestimmten Fällen Vorrang einzuräumen gegenüber den Rechten ihrer Eltern. Allerdings wird der Antragsteller damit leben müssen, wenn die 10 und 8 Jahre alten Kinder ihm gegenüber in Zukunft äußern sollten, sie würden ihn nicht mehr in seiner Wohnung besuchen wollen, wenn er dort in ihrem Beisein raucht. Gleiches gälte für die Mitteilung, sie würden künftig nicht mehr bei ihm übernachten, weil es in seiner Wohnung nach (kaltem) Rauch "stinkt". Denn das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit geht den Rechten des Vaters sicher vor.
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