19.06.2024

Keine Anpassung der gewerblichen Miethöhe wegen "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" im Zuge des Ukraine-Krieges

Eine Anpassung der Miethöhe eines gewerblichen Mietvertrags wegen "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" um Zuge des Ukraine-Krieges ist trotz der jüngeren Rechtsprechung in einigen Fällen, in denen es etwa zu pandemiebedingten Schließungen von Einzelhandelsgeschäften kam, nicht geboten. Die systematische und gesetzlich klar verankerte Risikoverteilung darf nicht unterwandert werden.

LG Köln v. 16.4.2024 - 14 O 89/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte am 16.7.2021 der Beklagten eine Gewerbefläche inklusive darauf befindlicher Gebäude vermietet. Die Gesellschafter der Klägerin waren bei Abschluss des Mietvertrages zugleich die Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten. Der Mietvertrag war Teil einer Unternehmenstransaktion, in deren Rahmen W. und D. (d.h. die Gesellschafter der Klägerin) ihre Anteile an der Beklagten an eine Holding GmbH verkauften. Die Klägerin hatte sich zwecks Erwerbs der zu vermietenden Gewerbeflächen gegründet. Die Flächen hatte die Beklagte schon vor Abschluss des Mietvertrages und der Unternehmenstransaktion viele Jahre als Betriebsgrundstück genutzt. Die monatlich geschuldete Miete betrug während der ersten fünf Jahre der Festlaufzeit 60.833,30 € (netto).

Am 29.11.2022 schrieb die Beklagte der Klägerin und wies auf erhebliche Umsatzrückgänge hin. Sie bat um eine Anpassung der festgelegten Mietvertragskonditionen. Diese Bitte begründete sie mit den außergewöhnlichen Umständen durch den Ukrainekrieg, insbesondere dem Anstieg der Rohstoffpreise und Energiekosten, und der damit verbundenen drastischen Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Bäckereibranche. Die Beklagte zahlte dementsprechend in den Monaten Dezember 2022 bis einschließlich März 2023 die Miete nur in hälftiger Höhe.

Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagten stehe kein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages zu. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ukrainekrieg und dem Umsatzrückgang der Beklagten sei nicht zu erkennen. Sie forderte von der Beklagten die Zahlung der Mietrückstände. Die Beklagte behauptete, der Businessplan vom 30.6.2021 sei gemeinsam mit den Gesellschaftern der Klägerin abgestimmt worden. Durch die Einbettung des Mietvertrages in die Unternehmenstransaktion basiere die Festsetzung der Miethöhe zumindest auch auf den Annahmen des Businessplans.

Das LG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Mietrückstände i.H.d. hälftigen Kaltmiete für die Monate Dezember 2022 bis März 2023 i.H.v. insgesamt 144.799,20 € gem. § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem am 16.7.2021 geschlossenen Mietvertrag.

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB, den sie vorliegend als rechtsvernichtende Einwendung geltend gemacht hatte. Danach kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Das Gericht ließ offen, ob der Business Plan vorliegend Geschäftsgrundlage geworden war. Es hat daran aber erhebliche Zweifel, weil nach dem Vortrag der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz, der auch bereits in der Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden war, die Vereinbarung der Miethöhe maßgeblich auf einem dem Gericht nicht vorgelegten "Mietgutachten" beruhte, dass eine Jahresmiete von ca. 732.000 € ausgewiesen habe. Wenn für die Höhe der Mietzahlungen Geschäftsgrundlage gewesen sein sollte, dass sich das Geschäft der Beklagten nach der Coronavirus-Pandemie erholt und zudem verbessert, so hätte es nahegelegen, eine daran geknüpfte dynamische Miethöhe zu vereinbaren. Stattdessen wurde eine starre monatliche Miete über eine lange Zeit vereinbart.

Es konnte auch offenbleiben, ob der Ukraine Krieg und seine wirtschaftlichen eine Störung der sog. "großen Geschäftsgrundlage" darstellt. Dies mag denkbar sein, da die damit einhergehende Inflation und Preissteigerung vor allem für Rohstoffe und Energie in der jüngeren Geschichte offenkundig beispiellos sind. Allerdings ist hierfür eine Erschütterung des Sozialexistenz erforderlich, die aber dann nicht gegeben ist, wenn in einem anderen Land Krieg herrscht oder sich eine Katastrophe ereignet und es deshalb zu einer Leistungserschwerung oder -unmöglichkeit in Deutschland kommt. Der Krieg mag in der Ukraine die Sozialexistenz treffen und für grenzenloses humanitäres Leid sorgen. Hier in Deutschland aber treffen die Parteien glücklicherweise allein wirtschaftliche Folgen aus dem Krieg in einem anderen Land. Wirtschaftlichen Folgen aber von Kriegen, Krisen und Katastrophen, die das Vermögen einer Partei treffen, sind nicht im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen.

Zwar hat die jüngere Rechtsprechung in einigen Fällen, in denen es etwa zu pandemiebedingten Schließungen von Einzelhandelsgeschäften kam, die Möglichkeit einer Mietvertragsanpassung nach § 313 BGB bejaht. In diesen Fällen beruhte die enttäuschte Gewinnerwartung allerdings unmittelbar auf hoheitlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, welche ihre jeweiligen Betriebe konkret erfassten. Die Mieträume waren etwa infolge staatlicher Betriebsschließungen für einen gewissen Zeitraum überhaupt nicht nutzbar. Dahingegen bestand und besteht vorliegend für die Beklagte jederzeit die Möglichkeit zur vollen und einschränkungslosen Nutzung der angemieteten Immobilie. Die systematische und gesetzlich klar verankerte Risikoverteilung darf nicht unterwandert werden.

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