09.02.2021

Keine Haftung des vermietenden Eigentümers als Zustandsstörer bei auf fahrlässige oder vorsätzliche Handlungen des Mieters zurückzuführende Schäden

Der vermietende Eigentümer (hier: Teileigentümer) haftet nicht als Zustandsstörer, wenn der Schaden zwar von einem in seinem Eigentum stehenden Bauteil bzw. Gerät ausgeht, aber allein auf eine fahrlässige oder vorsätzliche Handlung des Mieters zurückzuführen ist; nur wenn feststeht, dass die Beschaffenheit des Bauteils bzw. Geräts nicht ordnungsgemäß war und für den Schadenseintritt zumindest mitursächlich gewesen sein kann, kann der Schaden in wertender Betrachtung (auch) dem Eigentümer zuzurechnen sein.

BGH v. 18.12.2020 - V ZR 193/19
Der Sachverhalt:
Die Versicherungsnehmerin des klagenden Gebäudeversicherers bewirtschaftete in einem aus zwei Einheiten bestehenden Gebäude einen Gastronomiebetrieb. In der anderen Einheit befand sich eine Zahnarztpraxis. Das Gebäude stand zunächst im gemeinschaftlichen Eigentum des Vaters der Versicherungsnehmerin und des Beklagten. Im Jahr 2002 wurde es in Wohnungseigentum aufgeteilt. Der Vater der Versicherungsnehmerin erhielt die Einheit mit dem Gastronomiebetrieb, während der Beklagte seine Einheit zum Betrieb einer Zahnarztpraxis (weiterhin) an die Nebenintervenientin vermietete.

In der Nacht vom 20. zum 21.12.2009 brach in der Zahnarztpraxis bei Außentemperaturen von -20°C eine Kaltwasserleitung, die noch von den früheren Bruchteilseigentümern in einem nachträglich eingebauten Podest lose verlegt worden war und - von dem Leitungssystem durch eine Absperreinrichtung getrennt - zu einem Zahnarztstuhl führte. Es entstanden Wasserschäden in der gastronomisch genutzten Einheit, die von dem klagenden Gebäudeversicherer reguliert wurden.

Mit der Klage macht der Gebäudeversicherer aus übergegangenem Recht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch i.H.v. rd. 73.000 € wegen der an dem Sondereigentum des Vaters der Versicherungsnehmerin entstandenen Schäden geltend.

AG und LG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch lässt sich mit der von dem LG gegebenen Begründung in der Sache nicht bejahen.

Es ist davon auszugehen, dass die Einwirkung durch Wasser nicht von dem Gemeinschaftseigentum, sondern von den im Sondereigentum stehenden Räumen des Beklagten ausging. Entscheidend ist deshalb, ob der Beklagte als Störer für die entstandenen Schäden verantwortlich ist. Entgegen der Auffassung des LG lässt sich dies auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LG von der ständigen Rechtsprechung aus, wonach die Störereigenschaft nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück folgt, von dem die Einwirkung ausgeht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine Sicherungspflicht, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt.

Nicht in den Blick genommen hat das LG jedoch die eingeschränkte Verantwortlichkeit des Eigentümers für Handlungen seines Mieters. Sollte der Schaden vorliegend allein auf ein fehlendes Beheizen der Räumlichkeiten zurückzuführen sein, haftete der Beklagte nicht als mittelbarer Handlungsstörer. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann der Eigentümer für Störungshandlungen seines Mieters nur dann als mittelbarer Handlungsstörer verantwortlich gemacht werden, wenn er dem Mieter den Gebrauch seiner Sache mit der Erlaubnis zu störenden Handlungen überlassen hat oder es unterlässt, ihn von einem fremdes Eigentum beeinträchtigenden Gebrauch abzuhalten. Davon, dass ein Mieter die Räume auch bei strengem Frost nicht beheizt, muss der Vermieter ohne besondere Anhaltspunkte nicht ausgehen; solche Anhaltspunkte stellt das LG nicht fest.

Ebenso wenig wäre der Beklagte als Zustandsstörer verantwortlich. Der vermietende Eigentümer haftet nicht als Zustandsstörer, wenn der Schaden zwar von einem in seinem Eigentum stehenden Bauteil bzw. Gerät ausgeht, aber allein auf eine fahrlässige oder vorsätzliche Handlung des Mieters zurückzuführen ist; nur wenn feststeht, dass die Beschaffenheit des Bauteils bzw. Geräts nicht ordnungsgemäß war und für den Schadenseintritt zumindest mitursächlich gewesen sein kann, kann der Schaden in wertender Betrachtung (auch) dem Eigentümer zuzurechnen sein. Denn nur dann kann ein primärer Abwehranspruch (auch) gegen den Eigentümer bestanden haben, der nicht durchgesetzt werden konnte und dessen Kompensation der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch dient. Sind die Verursachungsanteile von Eigentümer und Mieter nicht, auch nicht unter Zuhilfenahme von § 287 ZPO, voneinander abgrenzbar, kann § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend angewendet werden.
BGH online
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