Konkludente Hinzuziehung zu einem Betreuungsverfahren
BGH v. 17.3.2021 - XII ZB 169/19
Der Sachverhalt:
Die 87-jährige Betroffene errichtete im Februar 2017 für einen ihrer beiden Söhne, den Beteiligten zu 2), eine notarielle Vorsorgevollmacht. Diese widerrief sie im November 2017 und erteilte stattdessen ihrem anderen Sohn, dem Beteiligten zu 1), und ihrem getrenntlebenden Ehemann eine notarielle Vorsorgevollmacht mit Einzelvertretungsbefugnis. Im Zuge eines von der Betroffenen gegen den Beteiligten zu 2) geführten Rechtsstreits regte das hiermit befasste LG beim AG an, die Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung zu prüfen.
Im darauf eingeleiteten Betreuungsverfahren nahm der Beteiligte zu 2) schriftlich Stellung und befürwortete die Einrichtung einer Betreuung, wobei er die Wirksamkeit der im November 2017 errichteten Vollmacht und des Vollmachtwiderrufs bestritten, die ihm zuvor erteilte Vollmacht hingegen als wirksam bezeichnet hat. Zugleich beantragte er seine Beteiligung am Betreuungsverfahren und die Gewährung von Akteneinsicht.
Das AG teilte ihm mit, hierüber erst nach Rückkehr der Akten vom beauftragten Sachverständigen zu entscheiden. Nach Vorlage des Gutachtens und Anhörung der Betroffenen lehnte es sodann die Einrichtung einer Betreuung ab, ohne über eine Beteiligung ausdrücklich zu befinden. Das LG verwarf die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2). Dessen Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Zutreffend hat das LG eine Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) verneint. Der Beteiligte zu 2) war mangels erfolgter Beteiligung im ersten Rechtszug nach §§ 7 Abs. 3, 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht als Abkömmling der Betroffenen gem. § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdeberechtigt.
Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen u.a. dessen Abkömmlingen unter der Voraussetzung zu, dass sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Fehlt es an einer erstinstanzlichen Beteiligung des Angehörigen, ist ein Beschwerderecht unabhängig davon zu verneinen, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Die Hinzuziehung eines Beteiligten kann allerdings auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Andererseits genügt die bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung nicht für eine Beteiligung i.S.d. § 7 Abs. 3 FamFG. Denn eine Beteiligung setzt notwendigerweise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann. Hierbei kommt es darauf an, ob das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt.
Eine solche Hinzuziehung liegt nicht darin, dass das Amtsgericht seine Endentscheidung auch dem Beteiligten zu 2) mittels einer Abschlussverfügung bekanntgegeben hat, in der dieser als sonstiger Beteiligter bezeichnet ist. Denn zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung ist ein Einfluss auf das Verfahren derselben Instanz nicht mehr möglich. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, dass der Beteiligte zu 2) in mehreren Schreiben an das AG die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt und zum Verfahren inhaltlich Stellung genommen hat, worauf das AG diese Schreiben ohne erläuternde Bemerkung dem beauftragten Sachverständigen zugesandt hat.
Wie der Senat bereits entschieden hat, führt allein der Wunsch, sich auch inhaltlich am Verfahren zu beteiligen, nicht zu einer Beteiligung i.S.d. § 7 FamFG. Selbst eine (inhaltliche) Anregung, für einen Dritten eine Betreuung einzurichten, begründet für sich gesehen keine Beteiligtenstellung des Anregenden. Es genügt nicht, wenn dessen Tätigkeit wie im vorliegenden Fall lediglich auf seine Eigeninitiative, nicht aber auf einen nach außen hervorgetretenen Hinzuziehungswillen des Gerichts zurückgeht. Fehlt es hieran, lässt allein der Umstand, dass das Gericht neben dem weiteren Akteninhalt die Schreiben des Anregenden dem Sachverständigen zuleitet, für sich betrachtet ebenfalls nicht auf einen Willen des Gerichts schließen, ihm eine Einflussnahme auf das Verfahren zu ermöglichen. Gegen eine konkludente Beteiligung am Verfahren spricht vielmehr, dass das AG sich eine Entscheidung darüber zunächst ausdrücklich vorbehalten hat.
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Die 87-jährige Betroffene errichtete im Februar 2017 für einen ihrer beiden Söhne, den Beteiligten zu 2), eine notarielle Vorsorgevollmacht. Diese widerrief sie im November 2017 und erteilte stattdessen ihrem anderen Sohn, dem Beteiligten zu 1), und ihrem getrenntlebenden Ehemann eine notarielle Vorsorgevollmacht mit Einzelvertretungsbefugnis. Im Zuge eines von der Betroffenen gegen den Beteiligten zu 2) geführten Rechtsstreits regte das hiermit befasste LG beim AG an, die Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung zu prüfen.
Im darauf eingeleiteten Betreuungsverfahren nahm der Beteiligte zu 2) schriftlich Stellung und befürwortete die Einrichtung einer Betreuung, wobei er die Wirksamkeit der im November 2017 errichteten Vollmacht und des Vollmachtwiderrufs bestritten, die ihm zuvor erteilte Vollmacht hingegen als wirksam bezeichnet hat. Zugleich beantragte er seine Beteiligung am Betreuungsverfahren und die Gewährung von Akteneinsicht.
Das AG teilte ihm mit, hierüber erst nach Rückkehr der Akten vom beauftragten Sachverständigen zu entscheiden. Nach Vorlage des Gutachtens und Anhörung der Betroffenen lehnte es sodann die Einrichtung einer Betreuung ab, ohne über eine Beteiligung ausdrücklich zu befinden. Das LG verwarf die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2). Dessen Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Zutreffend hat das LG eine Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2) verneint. Der Beteiligte zu 2) war mangels erfolgter Beteiligung im ersten Rechtszug nach §§ 7 Abs. 3, 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht als Abkömmling der Betroffenen gem. § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdeberechtigt.
Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen u.a. dessen Abkömmlingen unter der Voraussetzung zu, dass sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Fehlt es an einer erstinstanzlichen Beteiligung des Angehörigen, ist ein Beschwerderecht unabhängig davon zu verneinen, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist. Die Hinzuziehung eines Beteiligten kann allerdings auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Andererseits genügt die bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung nicht für eine Beteiligung i.S.d. § 7 Abs. 3 FamFG. Denn eine Beteiligung setzt notwendigerweise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person auf das Verfahren in derselben Instanz Einfluss nehmen kann. Hierbei kommt es darauf an, ob das Gericht dem Beteiligten eine solche Einflussnahme ermöglichen will und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringt.
Eine solche Hinzuziehung liegt nicht darin, dass das Amtsgericht seine Endentscheidung auch dem Beteiligten zu 2) mittels einer Abschlussverfügung bekanntgegeben hat, in der dieser als sonstiger Beteiligter bezeichnet ist. Denn zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung ist ein Einfluss auf das Verfahren derselben Instanz nicht mehr möglich. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, dass der Beteiligte zu 2) in mehreren Schreiben an das AG die Einrichtung einer Betreuung für die Betroffene angeregt und zum Verfahren inhaltlich Stellung genommen hat, worauf das AG diese Schreiben ohne erläuternde Bemerkung dem beauftragten Sachverständigen zugesandt hat.
Wie der Senat bereits entschieden hat, führt allein der Wunsch, sich auch inhaltlich am Verfahren zu beteiligen, nicht zu einer Beteiligung i.S.d. § 7 FamFG. Selbst eine (inhaltliche) Anregung, für einen Dritten eine Betreuung einzurichten, begründet für sich gesehen keine Beteiligtenstellung des Anregenden. Es genügt nicht, wenn dessen Tätigkeit wie im vorliegenden Fall lediglich auf seine Eigeninitiative, nicht aber auf einen nach außen hervorgetretenen Hinzuziehungswillen des Gerichts zurückgeht. Fehlt es hieran, lässt allein der Umstand, dass das Gericht neben dem weiteren Akteninhalt die Schreiben des Anregenden dem Sachverständigen zuleitet, für sich betrachtet ebenfalls nicht auf einen Willen des Gerichts schließen, ihm eine Einflussnahme auf das Verfahren zu ermöglichen. Gegen eine konkludente Beteiligung am Verfahren spricht vielmehr, dass das AG sich eine Entscheidung darüber zunächst ausdrücklich vorbehalten hat.