21.04.2021

Ladenschließung: Nur die halbe Miete im "Lockdown"

Die Schließungsanordnungen für den Zeitraum des ersten sog. "Lockdowns" wegen der Corona-Pandemie dienten dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mieträumlichkeiten an. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann allerdings eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten.

LG Dortmund v. 23.2.2021 - 12 O 359/20
Der Sachverhalt:
Im Juli 2005 hatte die Beklagte eine Gewerbefläche der Klägerin zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäftes für Textilien aller Art sowie für Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs angemietet. Zuletzt war eine Miete in Höhe von rund 7.785 € monatlich vereinbart. Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Stadt - in Fortschreibung der Erlasse vom 15. und 17.3.2020 des Landes NRW zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen - mit einer am 17.3.2020 erlassenen Allgemeinverfügung die Schließung grundsätzlich sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels in der Zeit vom 18.3.2020 bis einschließlich 19.4.2020 angeordnet. In der Folge musste auch die Filiale der Beklagten geschlossen werden.

Daraufhin entrichtete die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht. Sie war der Auffassung, in der staatlichen Schließungsanordnung sei ein Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen sei. Die Klägerin war hingegen der Ansicht, dass die Beklagte auch für den Zeitraum der zwangsweisen Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts zur vollständigen Entrichtung der Miete (7.785 €) für den Monat April 2020 verpflichtet sei, da die vermieteten Räumlichkeiten auch in dieser Zeit für den vertraglich vereinbarten Zweck nutzbar gewesen seien. Das Verwendungsrisiko trage die Beklagte.

Das LG gab der Klage zum Teil statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Miete für den Monat April 2020 aus dem zwischen ihnen bestehenden Gewerberaummietvertrag gem. § 535 Abs. 2 BGB, allerdings nur in reduzierter Höhe von 3.562 €.

Die Beklagte ist nicht gem. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB wegen eines Mietmangels von der Miete befreit. Zwar können auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, nach BGH-Rechtsprechung einen Sachmangel darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Beschränkung mit der konkreten Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein.

Infolgedessen ist vorliegend kein Mietmangel gegeben. Die streitgegenständlichen Schließungsanordnungen dienten dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mieträumlichkeiten an. Hintergrund war vielmehr, dass die Beklagte in diesen ein Einzelhandelsgeschäft betreibt und dass durch den hiermit verbundenen Publikumsverkehr Infektionen begünstigt werden. Die pandemiebedingte Betriebsuntersagung führt auch nicht zu einer Nichtigkeit des Mietvertrages gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot. Die Schließungsanordnung knüpft nämlich nicht beim Mietobjekt und dessen Gegebenheiten an, sondern bei der Art des dort geführten Betriebs.

Die Beklagte hat jedoch teilweise erfolgreich einen Anspruch auf Vertragsanpassung für die Zeit vom 1.4.2020 bis 19.4.2020 gem. § 313 Abs. 1 BGB einredeweise gegen die Klageforderung geltend gemacht. Danach kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Der Anwendung von § 313 Abs. 1 BGB steht nicht die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführte Regelung des Art. 240 § 2 EGBGB entgegen. Diese schließt eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus, wenn diese allein darauf gestützt wird, dass der Mieter im Zeitraum 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese eine Sperrwirkung in Bezug auf § 313 BGB beinhaltet. Unmittelbar wird in Art. 240 § 2 EGBGB lediglich das Kündigungsrecht des Vermieters beschränkt. Regelungen zur Höhe der Miete enthält die Vorschrift dagegen nicht. Auch der Zweck der Vorschrift, den Bestand des Mietverhältnisses zu sichern und damit den Mieter zu schützen, lässt nicht die Annahme zu, dass die Anwendung von § 313 BGB ausgeschlossen ist.
Justiz NRW
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