Mietpreisbremse: Zur Wirksamkeit der Bevollmächtigung eines registrierten Inkassodienstleisters für die Erhebung einer Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB aF
BGH v. 24.5.2023 - VIII ZR 373/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind seit Ende 2018 Mieter einer Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015 in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die Nettokaltmiete beläuft sich auf monatlich 1.033 €. Sie machten Ansprüche aus dem Mietverhältnis im Zusammenhang mit der sog. Mietpreisbremse geltend. Mit Schreiben vom 30.7.2019 hatte die L. GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, gegenüber der Beklagten unter Berufung auf eine Beauftragung und Bevollmächtigung sowie eine Forderungsabtretung durch die Kläger einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe geltend gemacht. Sie hatte unter Fristsetzung Auskunft (§ 556g BGB aF), die - für vier monatliche Mietzahlungen an sie abgetretene - Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, die (teilweise) "Herausgabe" der Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde, verlangt.
Im Anschluss an eine erklärte Rückabtretung des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete von der inzwischen unter C. GmbH firmierenden Rechtsdienstleisterin an die Kläger haben diese die Beklagte auf Rückzahlung von 460 € Miete für Oktober 2019 nebst Zinsen sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf die Auskunftserteilung teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das AG dem zuletzt noch geltend gemachten Auskunftsantrag stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LG zudem noch den Auskunftsantrag abgewiesen.
Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Zahlungsanspruchs i.H.v. 920 € zum Nachteil der Kläger erkannt worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerhaft angenommen, die von der L. GmbH ausgesprochene Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB aF, die Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs auf Rückzahlung der Miete ist, sei mangels wirksamer Bevollmächtigung der L. GmbH durch die Kläger unwirksam, weil bereits die Abtretung der Ansprüche der klagenden Mieter an die L. GmbH wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei und diese Nichtigkeit auch die der Zessionarin erteilte Vollmacht erfasse.
Entgegen der vom Berufungsgericht nach wie vor vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. den Bestimmungen des § 3 RDG sowie der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht gegeben. Denn die von der Zessionarin, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für die Kläger erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt. Dies hatte der Senat bereits vor der Verkündung des Berufungsurteils durch seine Urteile vom 8.4.2020 (VIII ZR 130/19), vom 6.5.2020 (VIII ZR 120/19) sowie vom 27.5.2020 (VIII ZR 31/19, VIII ZR 121/19, VIII ZR 128/19 und VIII ZR 129/19), denen Entscheidungen der auch für den Streitfall zuständigen Berufungskammer zugrunde lagen, bekräftigt.
Anders als das LG meinte, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Zessionarin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung i.S.d. RDG beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Rechtsdienstleisterin darüber hinausgehend laute, für ihn die "Mietpreisbremse" bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellte das Berufungsgericht darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Zessionarin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei.
Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, war nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von dem Inkassodienstleister zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihm geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen. Neue Gesichtspunkte, die Veranlassung geben könnten, von den die Senatsrechtsprechung tragenden Grundsätzen abzuweichen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
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Die Kläger sind seit Ende 2018 Mieter einer Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015 in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die Nettokaltmiete beläuft sich auf monatlich 1.033 €. Sie machten Ansprüche aus dem Mietverhältnis im Zusammenhang mit der sog. Mietpreisbremse geltend. Mit Schreiben vom 30.7.2019 hatte die L. GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, gegenüber der Beklagten unter Berufung auf eine Beauftragung und Bevollmächtigung sowie eine Forderungsabtretung durch die Kläger einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe geltend gemacht. Sie hatte unter Fristsetzung Auskunft (§ 556g BGB aF), die - für vier monatliche Mietzahlungen an sie abgetretene - Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, die (teilweise) "Herausgabe" der Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde, verlangt.
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