07.11.2023

Mietrecht: Fehlerhafte Zurückweisung eines auf Verlängerung der Räumungsfrist gerichteten Antrags

Die Zurückweisung eines auf Verlängerung der Räumungsfrist gerichteten Antrags ist verfahrensfehlerhaft, wenn das Gericht sie auf unzureichende Anmietbemühungen des Mieters stützt, ohne gleichzeitig tatsächliche Feststellungen dazu zu treffen, ob, gegebenenfalls wann, intensivere Anmietbemühungen vor Ablauf der ursprünglich gewährten Räumungsfrist zum Erfolg geführt hätten.

LG Berlin v. 19.10.2023 - 67 T 79/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Mieter des Klägers. Letzterer hatte gegen die Beklagten vor dem AG einen Räumungstitel erwirkt. Die Beklagten haben behauptet, die von ihnen entfalteten Bemühungen zur Anmietung von Ersatzwohnraum seien bislang erfolglos geblieben, da sie trotz zahlreicher Bewerbungen auf dem stark angespannten Berliner Wohnungsmarkt innerhalb der Räumungsfrist keinen Ersatzwohnraum hätten anmieten können. Das AG hat eine Verlängerung der Räumungsfrist verneint, da sich die Beklagten nicht rechtzeitig und hinreichend intensiv um Ersatzwohnraum gekümmert hätten. Vierzig Bewerbungen seien "bei Weitem nicht ausreichend".

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Gründe:
Die Kammer hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückweisung gem. § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht, da das AG den von den Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung der im Urteil gewährten Räumungsfrist verfahrensfehlerhaft verneint hatte.

Das AG hatte den konkludenten Vortrag der Beklagten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen, ihrer Suche nach Ersatzwohnraum wäre bis zum Ablauf der gewährten Räumungsfrist selbst bei gesteigerten Anmietbemühungen der Erfolg versagt geblieben. Es kam hinzu, dass im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens weitere Anmietbemühungen behauptet worden waren. Auch diese hätten gem. § 571 Abs. 2 ZPO Berücksichtigung finden müssen.

Bei der neuerlich im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wird das AG den gesamten Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen und zu befinden haben, ob den Beklagten auch bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der ursprünglichen Räumungsfrist möglich gewesen wäre. Dabei werden nicht nur die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu berücksichtigen sein. Es wird auch zu erwägen sein, ob den Beklagten mit Blick auf die zwischen den Parteien streitige Möglichkeit zur rechtzeitigen Beschaffung von Ersatzwohnraum nicht deshalb Beweiserleichterungen zu Gute kommen, weil die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in Berlin ausweislich der seit 2015 geltenden unterschiedlichen Mietenbegrenzungsverordnungen des Senats besonders gefährdet ist.

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Aufsatz:
Lärm und andere Belastungen des Mietverhältnisses "von außen" - Teil I
Astrid Siegmund, MietRB 2023, 238
MIETRB0057524

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