19.10.2023

Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis zur Vaterschaftsanerkennung

Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB).

BGH v. 30.8.2023 - XII ZB 48/23
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt die Beurkundung einer Vaterschaftsanerkennung im Geburtenregister. Für die im Jahr 1963 geborene Antragstellerin ist im Geburtenregister kein Vater eingetragen. Ihre Mutter verstarb im Jahr 2004. Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2021 erkannte der im Jahr 2022 verstorbene Dr. H. die Vaterschaft an. Mit notarieller Urkunde vom 12.11.2021 erteilte die Antragstellerin ihre Einwilligung in die Vaterschaftsanerkennung. Das Standesamt äußerte im Hinblick auf die Regelung in § 1595 Abs. 1 BGB Zweifel an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und legte die Sache gem. § 49 Abs. 2 PStG dem AG vor.

Das AG ordnete an, dass in dem "Geburtenbuch/-registereintrag die Vaterschaftsanerkennung nicht beizuschreiben" ist. Das OLG wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und änderte den Beschluss des AG dahingehend, dass das Standesamt angewiesen wird, die Vaterschaftsanerkennung zu beurkunden.

Die Gründe:
Das Standesamt hat die von der Betroffenen beantragte Folgebeurkundung nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtenregister vorzunehmen, weil die Anerkennung der Vaterschaft wirksam ist.

Nach § 1595 Abs. 1 BGB bedarf die Anerkennung der Vaterschaft der Zustimmung der Mutter. Ob das Zustimmungserfordernis auch dann noch gilt, wenn die Mutter wie im vorliegenden Fall bereits verstorben ist, ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Zustimmungserfordernis über den Tod der Mutter hinaus gelte. Der Zweck der Regelung diene nicht primär dem Schutz der Mutter, sondern liege gerade auch in der Gewährleistung der Statuswahrheit. Die alleinige Zustimmung des Kindes biete jedoch keine vergleichbare Garantie für die biologische Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses. Biologisch unzutreffende Abstammungsverhältnisse zu ermöglichen, sei kein legitimer Zweck des Abstammungsrechts.

Nach anderer Auffassung entfällt das Zustimmungserfordernis mit dem Tod der Mutter. Ein höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass der Erklärungsbefugte am Leben sei. Auch gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese sei schlicht entbehrlich geworden. Insofern habe der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage nicht geregelt. Es sei kein Grund ersichtlich, den Beteiligten in diesem Fall den Weg über die Anerkennung zu versagen. Das Interesse des Kindes spreche gerade nach dem Tod der Mutter eher für eine effiziente und zeitnahe Vaterschaftsfeststellung.

Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1595 Abs. 1 BGB. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung der Vorschrift führt jedoch zu dem Ergebnis, dass nach dem Tod der Mutter deren Zustimmung zu der Vaterschaftsanerkennung entbehrlich ist.

U.a. spricht auch das Interesse des Kindes dafür, dass nach dem Tod der Mutter die Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung bestehen bleibt. Anderenfalls wäre das Kind zur Herstellung einer rechtlichen Vater-Kind-Beziehung auch in unproblematischen Abstammungssituationen stets auf die Durchführung des aufwändigen und regelmäßig zeitintensiven gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens angewiesen. Möglicherweise bliebe das Kind auch gegen seinen Willen und den des anerkennungsbereiten Mannes ohne Vater, wenn sich die biologische Vaterschaft des Anerkennenden nicht feststellen und sich nach dem Tod der Mutter auch kein anderer biologischer Vater ermitteln lässt. Gerade nach dem Tod der Mutter besteht aber ein Interesse des Kindes an einer effizienten und zeitnahen Möglichkeit, einen rechtlichen Vater zu erhalten. Dass sich im Einzelfall eine Vater-Kind-Beziehung ergeben kann, die nicht der biologischen Abstammung entspricht, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (Vorinstanz):
§§ 1592 Nr. 2, 1595 BGB: Vaterschaftsanerkennung bei Versterben der Mutter [m. Anm. Franck, S. 709]
OLG Bamberg vom 26.01.2023 - 1 W 67/22
Gunnar Franck, FamRZ 2023, 708

Rechtsprechung (Vorinstanz):
Vaterschaftsanerkennung nach dem Tod der Mutter des Kindes
OLG Bamberg vom 26.01.2023 - 1 W 67/22
Alexander Schwonberg, FamRB 2023, 151
FAMRB0053036

Kommentierung | BGB
§ 1595 Zustimmungsbedürftigkeit der Anerkennung
Hammermann in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | BGB
§ 1596 Anerkennung und Zustimmung bei fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit
Hammermann in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

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