Nachträgliche Zulassungsentscheidung bindet das Revisionsgericht nicht zwangsläufig
BGH 16.9.2014, VI ZR 55/14Im vorliegenden Fall stritten die Parteien um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall im Februar 2012. Dabei ging es insbesondere um die Höhe der Nettoreparaturkosten, die der Kläger fiktiv auf Gutachtenbasis ersetzt verlangte. Der vom Kläger berechnete Betrag beinhaltete die Kosten, die eine markengebundene BMW-Werkstatt, die sich 1,2 km entfernt von seinem Wohnsitz befindet, verlangen würde. Demgegenüber meinte die Beklagte, dem Kläger seien nur Kosten zu erstatten, die eine von ihr benannte Werkstatt in Rechnung stelle, die eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit biete. Es ging letztlich um die Zahlung von rund 1.015 €.
Das AG gab der Klage lediglich i.H.v. 27,71 € statt und wies sie im Übrigen ab. Das LG wies daraufhin die Berufung des Klägers zurück und ließ die Revision nicht zu, da die Kammer bereits in einer anderen Sache mit identischer Rechtsfrage die Revision zugelassen habe. Auf die "Gehörsrüge" des Klägers ließ das LG die Revision dann doch durch Beschluss zu. Der BGH verwarf die Revision wiederum als unzulässig.
Gründe:
Die Zulassungsentscheidung war unstatthaft und verfahrensrechtlich nicht bindend.
Zwar ist das Revisionsgericht grundsätzlich auch dann an die Zulassung gebunden, wenn die seitens des Berufungsgerichts für maßgeblich erachteten Zulassungsgründe aus Sicht des Revisionsgerichts nicht vorliegen. Durfte die Zulassung dagegen verfahrensrechtlich überhaupt nicht ausgesprochen werden, ist sie wiederum unwirksam. Das gilt auch für eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, die die Bindung des Gerichts an seine eigene Endentscheidung gem. § 318 ZPO außer Kraft setzen würde. Die Entscheidung des LG im vorliegenden Fall war schon deshalb verfahrensfehlerhaft, weil es nicht durch Beschluss hätte entscheiden dürfen. Das Verfahren hätte vielmehr gem. § 321a Abs. 5 S. 2 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung eintreten müssen und das LG hätte dann gem. § 321a Abs. 5 S. 3 ZPO i.V.m. § 343 ZPO durch Urteil entscheiden müssen.
Auch in der Sache lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung gem. § 321a ZPO nicht vor. Denn entgegen der Auffassung des LG lag offensichtlich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, die für die Ablehnung der Zulassung im Urteil erheblich war. Die Begründung des Urteils zeigte, dass das LG bewusst die Nichtzulassungsentscheidung getroffen hat, weil es in anderer Sache mit identischer Rechtsfrage zuvor die Revision zugelassen hatte. Unter diesen Umständen war es offensichtlich, dass nicht ein Klägervortrag übergangen worden war, der für die Zulassungsentscheidung erheblich wurde. Die Annahme einer Gehörsverletzung im Beschluss des LG diente offensichtlich nur dazu, eine fehlerhafte Zulassungsentscheidung zu korrigieren, ohne dass die Voraussetzungen für eine Gehörsverletzung i.S.v. § 321a ZPO gegeben waren.
Letztlich führte die Zulassungsentscheidung auch nicht als Entscheidung über eine analog § 321a ZPO erhobene Rüge der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte zu einer bindenden Zulassung der Revision. Diese Rechtsprechung kann nicht auf die Zulassung der Revision übertragen werden. Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das OLG im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 S. 1 ZPO). Demgegenüber kann die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht grundsätzlich durch eine Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. Mithin bedarf es grundsätzlich bei der Nichtzulassung der Revision anders als bei einem Beschluss nicht des außerordentlichen Rechtsbehelfs der Gegenvorstellung, um sich gegen die Nichtzulassung der Revision zu wenden, jedenfalls dann, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer gem. § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht ist.
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