Neues Kopfstimmrecht entsteht auch bei der Veräußerung einer Wohnungseinheit durch einen Eigentümer mehrerer Einheiten an eine von ihm beherrschte juristische Person
BGH 14.7.2017, V ZR 290/16Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergesellschaft. Es sind vier Wohneinheiten vorhanden. Die Teilungserklärung beinhaltet keine Regelungen zum Stimmrecht. Der Kläger der ursprünglich Eigentümer der Wohnung Nr. 3 und Nr. 4 war, veräußerte Wohnung Nr. 4 an die S. UG & Co. KG. Diese ist als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Der Kläger ist Kommanditist und Geschäftsführer der S. UG & Co. KG. Komplementärin ist die I. UG, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Kläger ist.
In einer Eigentümerversammlung wurde mit den auf die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 entfallenden Stimmen der Beschluss gefasst, dass die S. UG & Co. KG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Sodann wurden gegen die Stimme des Klägers Beschlüsse über die Jahresabrechnung (TOP3) und die Verwalterbestellung (TOP4) gefasst.
Die gegen die Beschlüsse zu TOP3 und TOP4 gerichtete Beschlussmängelklage hatte sowohl vor dem AG als auch vor dem LG keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Revision hatte dagegen vor dem BGH Erfolg.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Gesellschaft ein Stimmrecht zu, so dass die unterbliebene Wertung ihrer Stimme einen formellen Mangel der Beschlüsse begründet.
In der Wohnungseigentümergesellschaft gilt mangels Regelung bezgl. des Stimmrechts das Kopfstimmrecht, d.h. gem. § 25 Abs. 2 S. 2 WEG hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Wohnungseigentümer und damit Inhaber des Stimmrechts ist derjenige, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Dies ist im vorliegenden Fall die S. UG & Co. KG. Aufgrund der Veräußerung einer Wohneinheit durch den Kläger, der mehrere Wohneinheiten hielt, ist nachträglich ein zusätzliches neues Stimmrecht des Erwerbers hinzugekommen. Dieses neue Stimmrecht entsteht auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einer Einheit auf eine juristische Person überträgt. Selbst wenn der Kläger die Veräußerung vorgenommen haben sollte, um durch sie ein zusätzliches Stimmrecht zu erlangen, läge kein Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB vor. Dass es zu einer Vermehrung des Stimmrechts kommt ist im Rahmen des Kopfstimmrechts hinzunehmen, selbst wenn der Veräußerer Einfluss auf den Erwerber und seine Stimme ausübt. Bei einer Veräußerung an einen nahen Angehörigen wird auch die Entstehung eines neuen Stimmrechts bejaht.
Die Gesellschaft ist auch nicht von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen. Das Stimmrecht gehört zu den elementaren Mitgliedschaftsrechten, da es ein wesentlicher Bestandteil der Gestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten ist. Das Recht darf daher nur ausnahmsweise und lediglich unter engen Voraussetzungen eingeschränkt werden. § 25 Abs. 5 WEG lässt etwa den Ausschluss nur bei schwerwiegenden Interessenkollisionen zu. Daraus lässt sich entnehmen, dass auch erhebliche Beitragsrückstände das Stimmrecht ebenso wenig entfallen lassen wie ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Ein allg. Stimmenausschluss kommt auch wegen der Gefahr der Majorisierung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Minderheit wird durch das Prinzip ordnungsgemäßer Verwaltung geschützt.
Schließlich durfte die Gesellschaft auch nicht von ihrem Stimmrecht in Bezug auf die konkreten Beschlüsse zu TOP3 und TOP4 ausgeschlossen werden, denn die Voraussetzungen eines Stimmrechtsausschluss liegen gem. § 25 Abs. 5 WEG nicht vor. Es reicht nicht aus, dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Entscheidungen blockiert, obwohl es aufgrund ordnungsgemäßer Verwaltung geboten wäre, einen positiven Beschluss zu fassen. Es müssen vielmehr Umstände hinzutreten, die die übrigen Wohnungseigentümer in treuwidriger Weise benachteiligen. Dies wird i.d.R. nur bei positiven Stimmabgaben der Fall sein, die dazu führen, dass Beschlüsse zustande kommen, nicht aber bei einem Negativbeschluss.
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