25.09.2023

Notwegerecht: Nachbarin muss Pflanzsteine beseitigen

Bei den historisch gewachsenen Begebenheiten werden insbesondere die früheren Wegeverhältnisse berücksichtigt, wobei auch Gesichtspunkte der Effektivität des Notwegs zu berücksichtigen sind. Die geringste Belastung geht häufig mit dem kürzesten Weg einher.

LG Lübeck v. 18.8.2023 - 3 O 309/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer einer Gartenparzelle. Das Grundstück befindet sich in einem Hinterlandquartier. Bei der Gartenparzelle handelt es sich um ein Inselgrundstück ohne eigene Zuwegung. Es ist zusammen mit der Gartenparzelle lediglich über fremde Grundstücke begehbar. Auf dem von der Beklagten genutzten Grundstück verläuft von nordöstlicher Richtung aus ein Wirtschaftsweg zum klägerischen Grundstück. Bei dem Wirtschaftsweg handelte es sich früher um einen Weg, der durch die gesamte Siedlung verlief, mithin über die heutige Gartenparzelle des Klägers und die weiteren südwestlich angrenzenden Grundstücke führte. Der Weg nahm seinen Ausgang auf dem heutigen, von der Beklagten genutzten Grundstück. Den Wirtschaftsweg nutzte der Kläger in den vergangenen Jahren, um auf sein streitgegenständliches Grundstück zu gelangen.

Im Juni 2022 versperrte die Beklagte die Zuwegung zum Grundstück des Klägers mit Pflanzsteinen über die gesamte Breite bis hin zu den die Zuwegung begrenzenden Zäunen. Der Kläger war der Ansicht, für ihn bestehe ein Notwegerecht zur Nutzung des Weges parallel zum von der Beklagten genutzten Grundstück. Dessen Nutzung sei durch die von der Beklagten errichteten Barriere aus Pflanzensteinen gestört. Die Beklagte behauptete, der Kläger nutze das Grundstück um dort Alkohol zu konsumieren. In der Vergangenheit sei er einmal alkoholbedingt in dem streitgegenständlichen Weg auf dem von ihr genutzten Grundstück in den Gartenzaun gefallen.

Das LG hat die Beklagte dazu verurteilt, die Pflanzsteine von dem Wirtschaftsweg auf dem von ihr genutzten Grundstück zu entfernen.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der Pflanzsteine, die den parallel zu dem von ihr genutzten Grundstück verlaufenden Weg zum klägerischen Grundstück versperren, aus § 1004 Abs. 1 BGB.

Vom Eigentum dieses streitgegenständlichen Grundstücks mit umfasst ist ein zugunsten des Klägers bestehendes Notwegerecht i.S.d. § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB, das mithin dem Schutz des § 1004 BGB unterliegt. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks von den Nachbarn die Nutzung ihres Grundstückes verlangen, sofern dem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. So verhält es sich vorliegend. Dem klägerischen Grundstück fehlt es als Inselgrundstück dauerhaft an einer Verbindung mit einem öffentlichen, d.h. mit einem ausdrücklich dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Weg.

Das Notwegerecht auf dem von der Beklagten genutzten Grundstück besteht auch in Anschauung mehrerer, für eine Zuwegung in Betracht kommender Grundstücke. In solchen Konstellationen ist zunächst § 918 Abs. 2 BGB zu prüfen und - sofern dieser abzulehnen ist - eine Auswahl unter den verschiedenen Grundstücken zu treffen. Auf Letzteres kommt es hier an, weil die Veräußerung eines Grundstücksteils durch den Kläger i.S.d. § 918 Abs. 2 BGB - entgegen der Auffassung der Beklagten - erkennbar nicht in Betracht kommt. Der Kläger hat das Grundstück in seiner heutigen Form als Inselgrundstück erworben. Im Rahmen der Auswahl sind insbesondere die historisch gewachsenen lokalen Begebenheiten und die Frage zu beachten, für welchen Nachbarn die geringste Belastung mit einem Notwegerecht einhergeht. Bei den historisch gewachsenen Begebenheiten werden insbesondere die früheren Wegeverhältnisse berücksichtigt, wobei auch Gesichtspunkte der Effektivität des Notwegs zu berücksichtigen sind. Die Frage der möglichst geringsten Belastung ist unter den Gesichtspunkten der örtlichen Beschaffenheit und der konkreten Benutzungsart zu beurteilen. So kommt ein brachliegendes Grundstück gegenüber einem wirtschaftlich genutzten Grundstück eher für ein Notwegerecht in Betracht. Die geringste Belastung geht häufig mit dem kürzesten Weg einher.

Durch die von der Beklagten aufgestellten Pflanzsteine wird der Kläger an seinem Notwegerecht beeinträchtigt. Ein Notwegerecht berechtigt zur ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks. Dies richtet sich nach Lage, Größe und Wirtschaftsart desselben. Jedenfalls gedeckt hiervon ist auch das Begehen des Notwegs mit einer Schubkarre zur Gartenbewirtschaftung, auch wenn diese beladen ist.

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